Wahlkampf der CSU:Bühnenprofis im Staatsschauspiel

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Das große Theater liegt ihm nicht: Der wichtigste CSU-Europapolitiker Manfred Weber zu Besuch im Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder (re.). (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Manfred Weber kommt im Kabinett vorbei und wirbt für Teamgeist. Daran versuchen sich Markus Söder und Horst Seehofer tags zuvor - mäßig glaubwürdig

Von Wolfgang Wittl, München

Von wegen, Markus Söder drängele sich immer und überall vor. Manfred Weber hat ausführlich über Zusammenhalt gesprochen, über die immensen Herausforderungen, die Europa nur als Team bestehen könne, da kommt unweigerlich die Frage nach dem Teamgeist in der CSU. Was denn am Sonntag zu erwarten sei nach einem mutmaßlich schlechten Landtagswahlergebnis? Wie sieht es dann mit dem Zusammenhalt in der CSU aus, will ein Reporter wissen. Söder und Weber blicken einander zögernd an, dann lässt Söder dem Gast unmissverständlich den Vortritt: "Er hat dich gemeint."

Es gibt Themen, über die wird in der CSU derzeit lieber nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Und auch wenn es in den vergangenen Tagen nicht immer zu erkennen war: Die Schuldfrage gehört dazu. Während das bayerische Kabinett mit dem Gast Weber am Dienstag zum letzten Mal vor der Wahl tagt, schlägt in München die nächste Umfrage ein: Wieder nur 33 Prozent für die CSU, 18 für die Grünen, 14 für die AfD. Für die Freien Wähler ermittelt das Institut Insa im Auftrag von Bild elf Prozent, für die SPD zehn, für die FDP fünfeinhalb. Zumindest behielte die CSU eine strategische Mehrheit, gegen sie kann nicht regiert werden. Ein schwacher Trost für eine Partei, die vor gut zehn Jahren noch mehr als doppelt so groß war wie alle anderen Fraktionen im Landtag. Wer ist schuld?

Markus Söder, der Ministerpräsident, verortet die Verantwortung bei den Parteikollegen in Berlin. Horst Seehofer, der Bundesinnenminister und Parteichef, keilte zurück: Er habe sich "in den letzten sechs Monaten weder in die bayerische Politik noch in die Wahlkampfführung eingemischt", das sei "das persönliche Vorrecht" Söders, also dessen Verantwortung.

Die Sätze haben nicht geholfen, den Ärger über Seehofer in der Partei zu dämpfen. Mit Söder absolviert er am Montagabend in seiner Heimat Ingolstadt einen der seltenen gemeinsamen Wahlkampfauftritte. Die Aufführung ist im Stadttheater angesetzt, kaum ein Bericht wird später ohne die Begriffe "Staatsschauspiel" und "Inszenierung" auskommen. Immerhin, beide Darsteller überzeugen durch professionelle Bühnenreife, Söder wird sogar einen Satz sagen, der den Spielplan des Hauses um ein Stück namens "Seehoferchens Mondfahrt" bereichern könnte.

Seehofer trifft als Erster ein. Streit? Welcher Streit? Er wolle nur einen schönen Abend verbringen. Mit Söder, klar. Auch Seehofers Partner für den schönen Abend sagt: nein, kein Streit. Dass Seehofer ihm die Verantwortung zuschiebe? Habe er gar nicht, sagt Söder, dreht sich um und geht.

Vor dem Auftritt sitzen beide minutenlang in einem Nebenraum des Theaters, es soll ihr erstes Gespräch sein seit dem Parteitag vor gut drei Wochen. Sieben Personenschützer warten vor der Tür. Mancher fragt sich, ob es nicht sicherer wäre, sie würden hinter der Tür stehen, doch die Hauptdarsteller schaffen es unverletzt auf die Bühne. Eine Stunde spricht Söder, er listet Erfolgsbilanzen auf, immer wieder bereichert durch die direkte Anrede "Horst" und "lieber Horst", wie etwa bei der Begrüßung. Beide hätten überlegt, wie man im Wahlkampfendspurt eine möglichst große Aufmerksamkeit erziele, flüchtet sich Söder in Sarkasmus: "Und da haben Horst Seehofer und ich entschieden, dass wir das gemeinsam in bewährter Weise machen." Das sei prächtig gelungen. "Danke dir, lieber Horst." Vor dem neuesten Knatsch hatten sich knapp 50 Journalisten angemeldet. Gekommen sind dann doppelt so viele.

Seehofer und er seien "nicht immer tausendprozentig einer Meinung" gewesen, sagt Söder wahrheitsgemäß, aber einig seien sie sich immer, wenn es um die Anliegen der kleinen Leute gehe. Viermal klatscht der bekennende Nicht-Klatscher Seehofer während Söders Rede, damit hat er seinen Kurs abgesteckt. Nur "Beiprogramm" sei er, wenn der Ministerpräsident spreche, beginnt Seehofer. Allein der Respekt gebiete, dass er viel kürzer rede, was nur leidlich gelingt. Er dankt dem "lieben Markus" für die Zusammenarbeit zwischen Berlin und München, das klappe sehr gut, auch wenn es da einen "ganz natürlichen Spannungsbogen" gebe. Und dann reagiert er noch auf eine Anspielung Söders. Der hatte mit Blick auf sein Raumfahrtprogramm "Bavaria One" gesagt, es gehe nicht darum, jemanden auf den Mond zu schießen, auch wenn er "einige wüsste". Er könne versichern, er sei damit nicht gemeint, behauptet Seehofer. Söders applaudierende Hände und sein hin- und herwackelnder Kopf lassen beide Interpretationen zu. Hinterher werden CSU-Mitglieder rätseln, warum die beiden nicht immer so miteinander umgingen in dieser wichtigen Zeit.

Bei Manfred Weber stellen sich solche Fragen nicht. Auch er und Söder haben eine komplizierte Vergangenheit, sie haben sich arrangiert. Weber will EU-Kommissionspräsident werden, Söder Ministerpräsident bleiben. Eine gute und starke Partnerschaft erlebe er, seit Söder die Regierung führe, lobt Weber. Sehr verlässlich, sehr vertrauensvoll sei die Zusammenarbeit, gibt Söder zurück. Es ist ein Auftritt ohne großes Theater.

© SZ vom 10.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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