Vogelstimmen:Ti-ti-ti-ti-ti-ti-tüüüüh

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Am Wochenende steht das lauteste Pfeifkonzert des Jahres bevor, weil sich gerade besonders viele Vögel im Freistaat tummeln

Von Christian Sebald, München

Seit einigen Wochen schon kann man wieder überall die Vögel singen hören. Die Goldammer zum Beispiel, wie sie unablässig "Ti-ti-ti-ti-ti-ti - Tüüüüh" ruft. Oder den Zaunkönig, wie er bis zu sieben Sekunden lange Strophen herausschmettert. Der Bluthänfling wiederum beginnt mit einem harten Stakkato und zwitschert dann lange vor sich hin. Besonders spektakulär singt der Star. Bevor er anhebt, setzt er sich ganz oben auf einen Ast, sträubt das Gefieder und flattert mit den Flügeln. Dann ertönen laute Pfiffe, dazwischen zischt und schnalzt er und imitiert andere Vögel, Wachteln etwa oder Kiebitze. Dieses Wochenende erreicht das vielstimmige Konzert seinen Höhepunkt. "An diesem Samstag und Sonntag sind hier bei uns mehr als 60 Vogelarten zu hören", kündigt Sophia Engel vom Vogelschutzbund LBV an. "Allein im Freistaat werden es viele Millionen Vögel sein, die an den beiden Tagen ihren Gesang anstimmen.

Lerche, Rotkehlechen, Amsel - alle paar Minuten stimmt eine weitere Art ins Konzert ein

Das gigantische Konzert hat zwei Gründe. So ist die Kälteperiode der zurückliegenden Woche definitiv zu Ende. Es wird richtig frühlingshaft. Vor allem für diesen Samstag haben die Meteorologen stundenlang Sonnenschein pur angekündigt, dazu Temperaturen von 18 bis 20 Grad. Am Sonntag soll es zwar schon wieder etwas zuziehen. Aber mit 15 bis 17 Grad ist es weiter so mild, dass die Vögel in Frühlingslaune bleiben und singen, was das Zeug hält. Der andere Grund für das millionenfache Gezwitscher und Getschilpe ist, dass inzwischen die allermeisten Vögel aus ihren Überwinterungsquartieren in Afrika oder im Mittelmeerraum nach Bayern zurückgekehrt sind - und dass dieser Tage auch noch besonders viele Zugvögel, die weiter nach Norden wollen, den Freistaat überqueren und hier eine Rast einlegen. Der gelb-schwarze Pirol etwa oder die unscheinbare Gartengrasmücke. Während ihrer Rast stimmen selbstverständlich auch diese Zugvögel in das Konzert ein.

Natürlich kann man das Konzert den ganzen Tag über hören. Am intensivsten singen die Tiere aber früh morgens vor Sonnenaufgang. Er ist an diesem Wochenende um kurz vor sechs Uhr. Die Vögel haben dazu eine Art inneren Wecker, der sie wach werden lässt. Er ist aber so unterschiedlich programmiert, dass nicht alle Arten gleichzeitig wach werden. Sondern in einer bestimmten Abfolge. Und deshalb hat das morgendliche Vogelkonzert eine ganz bestimmte Reihenfolge. "Frühaufsteher sind zum Beispiel der Hausrotschwanz und die Feldlerche", sagt Engel. "Sie fangen eineinhalb Stunden vor Sonnenaufgang zu singen an." Die Rotkehlchen fallen etwa 20 Minuten später in das Konzert ein, die Amseln und Ringeltauben noch einmal zehn Minuten danach. "So erwachen im Fünf- bis Zehn-Minuten-Takt alle Arten bis hin zu den Langschläfern", sagt Engel. "Star, Stieglitz und Grünfink setzen erst eine Viertelstunde vor Sonnenaufgang ein." Auch bei Sonnenuntergang - an diesem Wochenende gegen 20.30 Uhr - steigt noch einmal ein großes Konzert. "Da gibt es ebenfalls eine bestimmte Abfolge", sagt Engel. "Rotkehlchen und Singdrosseln sind am längsten zu hören." Die Nachtigall trällert sogar die ganze Nacht bis in die frühen Morgenstunden.

Die Vogelweibchen stehen auf Männchen, die sehr laut singen

Bei den allermeisten Arten sind es freilich nur die Männchen, die singen. Weibchen lassen nur in seltenen Ausnahmen von sich hören. "Die Männchen singen, um ihr Revier gegen Konkurrenten abzugrenzen", sagt Engel. "Außerdem dient der Gesang der Balz, die Männchen wollen damit Weibchen anlocken und beeindrucken." Ausgelöst wird die Sangesfreude der Männchen durch das Sexualhormon Testosteron. "Wenn im Frühjahr die Tage wieder länger werden, wird bei den Männchen mehr Testosteron ausgeschüttet", sagt Engel. "Das regt sie zum Singen an." Junge Männchen müssen freilich den Gesang erst erlernen. "Zwar hat jede Art ihre spezifischen Rufe und Melodien", sagt Engel. "Aber innerhalb der Art gibt es noch einmal unzählige individuelle Variationen, was Lautstärke, Dauer und Wiederholungen anbelangt." Außerdem versuchen die Männchen immer, sich gegenseitig zu übertrumpfen.

Denn Vogelweibchen, so haben Ornithologen schon vor längerem herausgefunden, bevorzugen stets Männchen, die sehr reiche Melodien erklingen lassen und sehr laut singen. Für die Weibchen ist dies der Hinweis darauf, dass diese Männchen besonders stark und durchsetzungsfähig sind gegenüber Rivalen. "Und davon versprechen sich die Weibchen dann den maximalen Erfolg bei der Brut", sagt Engel, "und natürlich auch bei der Aufzucht der nächsten Generation". Spätestens im Mai werden sich dann die Vogelpärchen gefunden haben. Dann verstummt auch das vielstimmige Konzert schnell wieder. Denn von nun an steht nur noch der Nachwuchs im Vordergrund.

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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