Vogelschutz:Bayern meldet Storchenrekord

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Mehr als zwei Dutzend Störche sammeln sich hier bei Eschlkam in der Oberpfalz. (Foto: Sebastian Beck)

415 Storchenhorste wurden in diesem Jahr gezählt - so viele wie noch nie.

Von Christian Sebald, München

Wenn es um Störche geht, steht das mittelfränkische Uehlfeld bayernweit an der Spitze. 17 Storchenhorste haben sie dieses Jahr in dem 3000-Einwohner-Markt im Aisch-Grund gezählt, vier mehr als 2015. Auf Scheunendächern und Kaminen, auf der Kirche und der einstigen Synagoge - überall in Uehlfeld haben Storchenpaare riesige Horste eingerichtet.

Allein auf einem Bauernhof sind es vier. "Das ist ein Riesenspektakel", sagt Oda Wieding, die Storchen-Expertin des Vogelschutzbundes LBV. "Vor allem, wenn die Jungstörche flügge werden." Dieser Tage ist es so weit. In großen Gruppen testen die Jungstörche am Himmel ihre Flugkünste und bereiten sich so auf den weiten Flug ins Winterquartier vor.

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Aber nicht nur in Uehlfeld melden sie einen Storchenrekord. Sondern in ganz Bayern. "Es ist eigentlich unglaublich, weil es wegen der vielen, teils heftigen Regenfälle gar kein so gutes Storchenjahr ist", sagt Wieding. "Aber wir haben in Bayern insgesamt 415 Horste gezählt." 415 Storchenhorste - das sind so viele wie noch nie, seit es Zählungen gibt. Wieding muss es wissen. Seit Jahren schon laufen alle Informationen über die bayerischen Störche bei der 50-jährigen Biologin zusammen.

Wieding ist die Chefin des bayerischen Artenhilfsprogramms für den Storch. Denn eigentlich zählen die Weißstörche ja zu den gefährdeten Arten. Ende der Achtziger befürchteten die Vogelschützer sogar, dass sie hierzulande alsbald aussterben. Gerade mal 58 Paare zählten sie damals noch. Seit der Jahrtausendwende steigt die Population jedoch wieder an - teils in Sprüngen von 40 oder gar 50 neuen Horsten im Jahr.

Majestätisch schreiten sie die Wiesen ab

Weißstörche zählen mit ihren bis zu eineinhalb Metern Größe und bis zu zwei Metern Flügelspannweite zu den größten heimischen Vogelarten. Und sie sind eine der auffälligsten. Das hat nicht nur mit den riesigen Horsten zu tun, die man nun beinahe flächendeckend vom oberbayerischen Polling bis hinauf zum oberfränkischen Bad Rodach antrifft. Sondern weil die Vögel oft in großen Gruppen majestätisch die Wiesen abschreiten und immer wieder mit dem langen, spitzen Schnabel ins Grün hinabstoßen, um einen Wurm, eine Maus oder eine andere Beute zu greifen.

Was aber sind die Gründe für die Renaissance der Störche? Da ist zum einen das große Engagement der Vogelschützer. Unter Wiedings Anleitung betreut ein Netzwerk aus bayernweit 300 Ehrenamtlern, rüstigen Ruheständlern etwa, aber auch Hausfrauen und Berufspendlern, die Vögel und ihre Brut. Sie legen Nisthilfen an und erhalten Tümpel, Feuchtwiesen und andere Lebensräume. Sie klären Hausbesitzer auf, dass der Kot der Vögel praktisch keine Schäden an den Fassaden hinterlässt. Sie entfernen Plastiktüten und anderen Unrat aus den Horsten.

Es gibt freilich einen weiteren Grund für die Wiederkunft der Störche. "Womöglich ist er sogar der wichtigere", sagt Wieding. Die bayerischen Störche sind zumeist sogenannte Westzieher. "Das heißt, dass sie über Frankreich und Spanien in ihre Winterquartiere nach Afrika fliegen", sagt Wieding. "Die Westroute ist sehr viel ungefährlicher als die Ostroute über das frühere Jugoslawien, weil sie nur bei Gibraltar eine kurze Strecke über das Mittelmeer führt." Außerdem fliegen immer mehr Westzieher gar nicht mehr bis Afrika. Sie bleiben in Spanien. Das heißt, dass immer mehr Störche den Winterflug überleben, weil er sehr viel kürzer ist und weniger Kraft kostet.

Die Störche treffen auf der iberischen Halbinsel inzwischen hervorragende Bedingungen an. "Die gigantischen offenen Müllkippen zum Beispiel, die es dort gibt", sagt Wieding. "Mit ihren Unmengen an Fleisch- und Fischresten sind sie wie ein gedeckter Tisch für die Störche." Außerdem sind die Vögel nicht wählerisch. "Zur Not sind sie auch mit angegammelten Salamischeiben zufrieden", sagt Wieding, "oder mit den Überresten einer Sahnetorte."

Die Vögel fühlen sich pudelwohl

Auch der Strukturwandel in der spanischen Landwirtschaft begünstigt die Störche. "Dort legen immer mehr Bauern riesige Reisfelder an", sagt Wieding. "Für die Vögel sind das optimale Feuchtgebiete, sie fühlen sich dort pudelwohl." In Reisanbaugebieten in Calasparra, in Valencia und im Delta del Ebro beobachten spanische Ornithologen denn auch von Jahr zu Jahr größere überwinternde Storchenkolonien. So wie auch in den südspanischen Agrarregionen, in Sevilla und der Extremadura etwa, immer mehr Störche gezählt werden.

Der Klimawandel und die immer wärmeren Winter hingegen sind den Störchen egal. Sagt zumindest Wieding. Zwar sind inzwischen ungefähr 250 Störche auch in der kalten Jahreszeit in Bayern anzutreffen. "Aber das sind keine Wildvögel", sagt Wieding. "Sondern welche aus Zuchten oder Zoos, die freigelassen worden sind, und deren Nachkommen."

Mit solchen Auswilderungen wollten Vogelfreunde lange Zeit die Bestände stützen. In einigen Bundesländern tun sie das immer noch. "Zucht- oder Zoostörche haben aber den Winterflug verlernt", sagt Wieding. "Zumal den Vögeln sogar lange, strenge Kälte überhaupt nichts ausmacht." Wichtig ist nur, dass sie ausreichend Nahrung finden. "Ist das der Fall, kommen sie auch hier gut durch den Winter."

© SZ vom 11.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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