Oberhaching:Nisten im Viecherlturm

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Bei einer Rundfahrt durchs Isartal besichtigten die Mitglieder des Bund Naturschutz Gerhard Mebus, Eike Hagengut und Hubert Weiger (v. li.) auch ein Insektenhotel. (Foto: Claus Schunk)

Seit mehr als 30 Jahren sorgt die Ortsgruppe Oberhaching des Bundes Naturschutz für gefährdete Arten. In einer alten Trafostation bauen Meisen, Eulen und Waldkäuze ihre Nester

Von Christina Hertel, Oberhaching

Sonntagmorgen, man liegt im Bett, man will ausschlafen. Und dann plötzlich lässt einen ein Geräusch nicht mehr ruhen: Piep, piep, piep. Es kommt nicht vom Wecker, sondern von draußen. Vogelgezwitscher. Nervig? Martin Hänsel vom Bund Naturschutz kann das nicht verstehen. Sein Ziel ist es, dass die Menschen wieder einen Bezug zur Natur bekommen und sich für ihren Erhalt einsetzen. Aber man kämpft eben nur für etwas, das einem wichtig ist. Und da setzt Hänsel an: "Wenn man nicht weiß, wie viele Vogelarten es gibt, fällt einem auch nicht auf, wenn plötzlich eine weg ist."

Hänsel ist stellvertretender Geschäftsführer bei der Kreisgruppe München des Bund Naturschutz. Durch emotionale Erlebnisse in der Natur, glaubt er, beginnen die Menschen, sich wieder mit Vögeln und Amphibien zu beschäftigen. Sein Konzept verfolgen auch Ortsgruppen im Münchner Umland - zum Beispiel in Oberhaching. Sie setzt sich schon seit mehr als 30 Jahren für Naturschutz ein. Und ihre Arbeit, sagt Hänsel, sei beispielhaft für ganz Bayern, vor allem ihr Kampf gegen die Autobahn A 99 im Süden.

Bei der Kugler Alm in Oberhaching steht eine alte Trafostation, schon lange stillgelegt, und das sieht man gleich. An der Wand hängen Kästen aus Holz - für Fledermäuse. Und auch innen im Turm haben alle möglichen Tiere ein Zuhause gefunden. Es gibt zum Beispiel Nistkästen für Meisen, Stare, Eulen, Waldkäuze und Falken. Und jeder, der Lust hat, kann sie sich anschauen. Die alte Trafostation, die mittlerweile schon seit ein paar Jahren Viecherlturm heißt, steht immer für die Öffentlichkeit offen. So soll der Mensch mit der Natur in Berührung kommen und gleichzeitig Tieren geholfen werden. "Eulen und Falken finden kaum noch Plätze zum Nisten", sagt Gerhard Mebus vom Bund Naturschutz in Oberhaching. Die Tiere können jederzeit wieder durch Löcher in den Wänden aus dem Turm raus. "Aber offenbar gefällt es ihnen dort." Hänsel hält solche Projekte, wo auch Kinder Tieren ganz nah sein können, für wichtig. Es sei erwiesen, dass Menschen, die nicht in jungen Jahren mit der Natur in Kontakt kommen, auch später keinen so starken Bezug mehr zu ihr entwickeln.

Dass der Viecherlturm heute überhaupt zwischen Wiesen und Wäldern steht, ist keine Selbstverständlichkeit. Fast zehn Jahre lang plante die Bundesregierung auf dem Gebiet den sogenannten Ringschluss der Autobahn A 99 im Süden. Daran, dass das Projekt heute nicht mehr verfolgt wird, hatte die Ortsgruppe Oberhaching einen Anteil, glaubt Hubert Weiger, der bayerische Landesvorsitzende vom Bund Naturschutz. Es sei ihnen gelungen, die Bürger und schließlich auch die Politik zu überzeugen, dass noch mehr Straßen nicht die Lösung sind.

Überhaupt wehren sich der Oberhachinger Ortsverband und der Bund Naturschutz insgesamt gegen ein "immer mehr" - auch was den Wohnungsbau betrifft. Am Schlagerberg, wo in Oberhaching zum Beispiel die Sonnwendfeuer stattfinden, haben die Naturschützer ein Biotop für Frösche und Kröten eingerichtet. Die Fläche war eigentlich als Bebauungsgebiet ausgewiesen, doch die Gemeinde nahm das vor etwa zehn Jahren zurück. Auch der Bund Naturschutz kämpfte dafür, dass dort die Natur erhalten bleibt - obwohl gerade im Münchner Umland die Forderungen nach mehr Wohnungen immer groß sind. "Es wird ja genügend gebaut, überall wird verdichtet", sagt Weiger dazu. Und wenn es trotzdem nicht reicht, sei das die Schuld der Politik, weil sie sich jahrelang nicht um Regionen wie Oberfranken gekümmert habe. Die Folge: alle wollen nach München. Aber wenn es grün bleiben soll, haben da vielleicht nicht alle Platz.

© SZ vom 01.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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