Verkehr:Nürnberger S-Bahn könnte bayerisch bleiben

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Die Deutsche Bahn hatte Einspruch gegen den Verlust des S-Bahn-Netzes eingelegt. Ihre Mitarbeiter sind erleichtert. (Foto: dpa)

Die Briten bekommen vielleicht doch nicht den Zuschlag für die Verbindungen in der fränkischen Metropolregion. Die Vergabe durch die Bayerische Eisenbahngesellschaft ist gestoppt und kommt auf den Prüfstand

Von Ralf Scharnitzky, München

Im Süden von München, dort wo der Bahnverkehr für ganz Bayern geplant wird, ist man völlig perplex: Die "Entscheidung ist für uns überraschend", sagt der Sprecher der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, Wolfgang Oeser. Und sein Chef, BEG-Geschäftsführer Johann Niggl, lässt verlauten, dass man die "Entscheidung in Ruhe mit unseren Anwälten prüfen" müsse. Die Entscheidung ist im Freistaat in der Tat bisher einmalig: Der beabsichtigte Zuschlag des Nürnberger S-Bahn-Netzes an das britische Unternehmen National Express (NX) durch die BEG ist von der Vergabekammer Südbayern gekippt worden. Die DB Regio Bayern, die die S-Bahn derzeit betreibt, hatte gegen die Vergabe an die Konkurrenz von 2018 an einen Nachprüfungsantrag gestellt. BEG und NX haben nun 14 Tage Zeit, beim Oberlandesgericht Beschwerde einzureichen. NX-Geschäftsführer Tobias Richter: "Es läuft alles auf einen Einspruch hinaus."

In der Deutschlandzentrale in Düsseldorf hatte man mit der Entscheidung der Vergabekammer gegen das britische Unternehmen, das nach eigenen Angaben bei einem Jahresumsatz von zwei Milliarden Euro 40 000 Mitarbeiter hat, nicht gerechnet. "Unserem Konzern die finanzielle Leistungsfähigkeit abzusprechen, ist grotesk", meint Richter. Man werde nun den 45-seitigen Schriftsatz genau prüfen. Überrascht ist man in Düsseldorf auch deswegen, weil sowohl die BEG wie auch das bayerische Verkehrsministerium immer wieder betont hatten, dass sie der Klage der DB nur geringe Erfolgschancen einräumen.

Die Bayerische Eisenbahngesellschaft hatte Anfang Februar angekündigt, den Zuschlag des zweitgrößten S-Bahn-Netzes im Freistaat an die National Express Rail GmbH erteilen zu wollen. Dagegen hatte DB Regio umgehend Widerspruch eingelegt. Das Angebot von NX, hieß es damals aus DB-Kreisen, sei "in vielerlei Hinsicht hinterfragenswert". Mit dem am Dienstag veröffentlichten Beschluss hat die DB Regio nach eigenen Angaben "ein erstes Etappenziel im Kampf um die S-Bahn Nürnberg erreicht". In der Franken-Metropole ist die Erleichterung ebenfalls groß: "Die ganze Belegschaft atmet durch", sagte Manfred Leuthel, Betriebsratschef der DB Regio, den Nürnberger Nachrichten. Von einem Wechsel wären etwa 450 DB-Mitarbeiter betroffen. Wegen eines in Bayern fehlenden Tariftreuegesetzes wären zahlreiche Arbeitsplätze in Gefahr. Übernommene Mitarbeiter müssten mit geringeren Löhnen rechnen.

Die angekündigte Vergabe an den britischen Betreiber hatte aber auch noch aus einem anderen Grund heftige Kritik in der Politik hervorgerufen. Der Oberbürgermeister von Nürnberg, Ulrich Maly (SPD), und der OB von Fürth, Thomas Jung (SPD), fürchteten, das britische Unternehmen könnte zu wenig lokale Kenntnisse vorweisen, um das komplexe S-Bahn-Netz im Ballungsraum um Nürnberg, Fürth und Erlangen störungsfrei zu betreiben. Diese Kritik hatte NX-Deutschland unter anderem damit gekontert, dass Geschäftsführer Richter in der Region wohne.

Während der NX-Chef die Finanzen als Hauptgrund für die Zulassung der DB-Beschwerde im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung offen ausspricht, gibt sich die Vergabekammer in ihrer Erklärung bedeckt. Dort heißt es lediglich: "Die vorgelegten Erklärungen und Nachweise haben nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern teils formal, teils auch inhaltlich nicht den von der Vergabestelle im Vergabeverfahren festgelegten Anforderungen entsprochen." Die Kammer, die bei der Regierung von Oberbayern in München angesiedelt ist, verweist allerdings darauf, dass ihr Beschluss keine Entscheidung über die Qualität des Angebots der National Express Rail GmbH sei. Im Umkehrschluss sei der Beschluss aber auch keine Entscheidung für die DB Regio.

Ob die Deutsche Bahn, die bei der Ausschreibung den zweiten Platz belegt hat, das S-Bahn-Netz behalten darf, steht aber noch längst nicht fest. Deshalb spricht die DB auch nur von einem "ersten Schritt". Selbst wenn Eisenbahngesellschaft und/oder National Express innerhalb der nächsten 14 Tage keine Rechtsmittel einlegen, muss die Auswertung aller eingegangenen Angebote (ohne NX) wiederholt werden. BEG-Sprecher Oeser: "Es bekommt dann nicht automatisch der Zweitplatzierte den Zuschlag." Die Ausschreibung "S-Bahn Nürnberg" umfasst mit bis zu 7,5 Millionen Zugkilometern alle heutigen S-Bahn Linien S1 - S4 sowie die künftige Linie S5 (Allersberg - Nürnberg).

Für die bayerische SPD hat der bisher einmalige Vorgang eine politische Dimension; sie spricht deshalb von einer "schallenden Ohrfeige" für die Staatsregierung. Die Nürnberger Landtagsabgeordnete Helga Schmitt-Bussinger zeigt sich erleichtert: "Der Bahnverkehr wird wohl auch in Zukunft seinen gewohnten Gang gehen."

© SZ vom 29.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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