Unterfranken:Polizei beendet Unterricht in selbsternannter Schule

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Masken, wie sie an regulären Schulen schon lange wieder vorgeschrieben sind (Symbolbild), dürften im unterfränkischen Röllbach eher eine untergeordnete Rolle gespielt haben. (Foto: dpa-tmn)

In Röllbach haben Eltern ihre Kinder statt in die reguläre Schule auf ein bäuerliches Anwesen geschickt. Vermutlich wollten sie die Corona-Schutzmaßnahmen umgehen. Das ist längst kein Einzelfall mehr.

Von Viktoria Spinrad, Röllbach

Das unterfränkische Röllbach ist ein Ort wie aus dem Bilderbuch. Eingebettet in die Hügellandschaft gibt es hier, am bayerischen Untermain eine Kapelle, alte Häckerwirtschaften, wo Winzer ihren eigenen Wein vermarkten, und einen Fernwanderweg. Auch der Landrat des Kreises Miltenberg, Jens Marco Scherf (Grüne), kommt schnell ins Schwärmen. Doch dieser Tage steht sein Telefon nicht still, denn die 1600-Einwohner-Gemeinde reiht sich bei den Schauplätzen ein, an denen Eltern versuchten, sich eine eigene Bildungsoase für ihre Kinder zu schaffen - fernab von Lollitests und Maskentragen.

Anfang des Monats war im Landratsamt ein Hinweis eingegangen, dass sich auf dem Gelände einer alten Häckerwirtschaft offenbar eine alternative Schule gebildet hatte. "Da hatten die Menschen den Eindruck: Vormittags werden dort Kinder hingefahren, auch Erwachsene sind dort - was ist da los?", schildert Scherf. Der Hinweis sei aus der Bevölkerung gekommen. Zunächst habe man das Ganze unter baurechtlichen Aspekten unter die Lupe genommen, denn das Gebäude, ein altes bäuerliches Anwesen, sei nicht für schulische Betriebe zu nutzen.

Mithilfe eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses wurden Lernmaterialien von der örtlichen Polizei beschlagnahmt; die selbsternannte Schule geschlossen. Scherf geht davon aus, dass Eltern der Kinder so die Corona-Schutzmaßnahmen an den Schulen umgehen wollten. In Bayern müssen sich Schüler mehrmals die Woche auf Corona testen, an Grundschulen mit Lolli-PCR-Tests, an den weiterführenden Schulen mittels Schnelltests. Zudem müssen sie im Unterricht und auf dem Gelände Maske tragen.

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Darunter ächzen längst nicht nur Schüler und Lehrer, die wissenschaftliche Erkenntnisse aberkennen. Auch solche, die mit Sorge auf Corona blicken, monieren, wie schwierig es sei, gerade im Sprachunterricht und über mehrere Stunden Maske zu tragen. Viele Lehrer und Schüler tragen mittlerweile freiwillig eine FFP2-Maske, um sich vor Ansteckung und Quarantäne zu schützen. Andere lehnen die Maßnahmen rundweg ab und lassen sich zum Beispiel krankschreiben. 16 Verfahren gegen Lehrer liegen derzeit bei der Landesanwaltschaft, im schlimmsten Fall droht den Pädagogen der Verlust ihrer Arbeitsstelle. Zuletzt musste sich am Mittwoch eine Deutschlehrerin deshalb vor dem Münchner Verwaltungsgericht verantworten.

Wer den Bauernhof-Unterricht in Unterfranken geleitet hat, war am Freitag noch Gegenstand der Ermittlungen. Ebenso die Frage, wie viele Schüler auf die alternative Schule ausgewichen sind. Landrat Scherf sprach am Freitag von Schülern im älteren Grundschulalter und jüngeren Schülern der Sekundarstufe 1. Es gebe aber eine Diskrepanz zwischen der Zahl der aufgefundenen Schüler und denen, die an Schulen im Umkreis fehlten.

Nach einem ähnlichen Vorfall in Schechen (Landkreis Rosenheim) hat das Kultusministerium die Daumenschrauben angezogen und das Recht auf Fernunterricht wegen Ablehnung der Corona-Maßnahmen abgeschafft. Seither droht Schülern, die deshalb nicht am Präsenzunterricht teilnehmen, ein Verweis. Das ist eine Minderheit: Laut dem Kultusministerium fehlen derzeit etwa 0,2 Prozent wegen eines ärztlichen Attests oder wegen fehlender Testbereitschaft im Präsenzunterricht an den bayerischen Schulen.

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