Unterbringung von Flüchtlingen:Empörung über oberbayerischen Asyl-Vorstoß

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Flüchtlinge demonstrieren für bessere Unterbringung und Geld statt Sachleistungen. (Foto: dpa)

"Eine Frechheit": Der Vorschlag, weniger Flüchtlinge in Oberbayern unterzubringen, stößt im Norden Bayerns auf Ablehnung. Politiker befürchten, dass die prosperierende Region München nur ihre Probleme loswerden will - auf Kosten der übrigen Landesteile.

Von Dietrich Mittler und Olaf Przybilla

Der jüngste Vorschlag des Fürstenfeldbrucker Landrates Thomas Karmasin (CSU), die Zahl der von der Bezirksregierung zugewiesenen Asylbewerber in Oberbayern grundsätzlich zu verringern, weil dort der Wohnraum "am teuersten und am knappsten" ist, stößt in weiten Teilen Nordbayerns auf großes Befremden.

Tenor der Kritik: Das ohnehin schon mit hoher Wirtschaftskraft und Lebensqualität gesegnete Oberbayern - und da insbesondere der Großraum München - versuche einmal mehr, sich zu Lasten der übrigen Landesteile Vorteile zu verschaffen. Karmasin hatte unter anderem erklärt, man müsse sich überlegen, die Zahl der zugewiesenen Asylbewerber im Münchner S-Bahn-Gebiet zu halbieren.

Die Regierung von Oberbayern, die bereits seit etlichen Monaten händeringend nach Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbewerber sucht, reagierte am Freitag zurückhaltend. An der jetzt durch Landrat Karmasin angestoßenen politischen Diskussion über eine Quotenveränderung werde sich die Bezirksregierung als Vollzugsbehörde nicht beteiligen, hieß es am Freitag.

Aber: "Wir wissen auch, wie schwierig es gerade für die oberbayerischen Landkreise und kreisfreien Städte angesichts des Mangels an Wohnraum derzeit ist, angemessene Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbewerber zu finden", teilte ein Sprecher der Regierung mit.

Nach wie vor strömen Woche für Woche so viele Asylbewerber ins Land, dass die Erstaufnahme-Einrichtungen in München und in Zirndorf regelmäßig an ihre Kapazitätsgrenzen geraten. Nicht nur die Regierung von Oberbayern setzt deshalb immer wieder auf Solidaritätsappelle an die Kommunen, doch Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Sozialministerin Christine Haderthauer indessen stellte klar, dass sich die geltende Verteilungsquote - festgelegt in der Asyldurchführungsverordnung - an der Einwohnerzahl orientiere und damit auch ganz eindeutig dem Solidaritätsprinzip entspreche. Auf Karmasins Vorschlag reagiert sie kühl: "Selbstverständlich ist es möglich, innerhalb der kommunalen Familie Absprachen zu treffen, um im Einzelfall zu einer anderen Verteilung zu kommen", sagte die Ministerin. Etliche oberbayerische Landkreise - "insbesondere der Speckgürtel um München" - hätten derzeit ohnehin weniger Asylbewerber, als sie an sich aufnehmen müssten.

Weniger cool reagieren derzeit die Lokalpolitiker in Nordbayern. Christian Meißner (CSU), der Landrat von Lichtenfels, findet Karmasins Vorschlag bestenfalls zum Lachen. Er kenne und schätze den Kollegen, aber die nun anklingende Vorstellung, dass "wir hier in Nordbayern nur darauf warten, dass sie uns Asylbewerber aus Südbayern überlassen" - die finde er dann doch "naiv", sagte Meißner. Er würde auch andere Wörter dafür finden, erklärte der Landrat, doch so kurz vor dem Urlaub wolle er das den Oberbayern ersparen.

Zu der offenbar im südlichen Bayern kursierenden Auffassung, dass der Wohnungsleerstand in Nordbayern hoch ist - und also Asylbewerber dort viel einfacher unterkommen würden, sagte Meißner: "Das ist nicht primär eine Frage von leer stehenden Immobilien, da geht es doch vor allem um Willkommenskultur." Mit einer Unterkunft sei es nicht getan. "Flüchtlinge müssen sich auch angenommen fühlen, und das geht vor allem über ehrenamtliches Engagement", sagte der Landrat.

Ein verspäteter Faschingsscherz?

Der Bürgermeister von Wunsiedel (CSU), Karl-Willi Beck, hält die Idee aus Südbayern eher für einen verspäteten Faschingsscherz - "bei wohlwollender Betrachtung", sagte Beck. Etwa 90 Flüchtlinge leben derzeit in der 9500-Einwohner-Stadt, bereits jetzt also prozentual überdurchschnittlich viele. Probleme aber habe es noch nie gegeben. Aber die gäbe es, befürchtet Beck, wenn die Leute den Eindruck bekämen, dass die Lasten mit der Unterbringung ungerecht verteilt würden.

Es dürfe keine Ghettoisierung von Flüchtlingen geben, das halte er für das Schlimmste, was passieren könnte. Und das gelte für Kommunen, aber auch für Regionen. "Wir bekämen ganz klar in der Bevölkerung ein Akzeptanzproblem, das wir bislang nie hatten", sagte Beck, sobald prosperierende Regionen in Bayern weniger belastet würden als weniger reiche: "Das bringt die Leute in Rage, das ist nicht vermittelbar."

Karmasins Landratskollege Karl Döhler (CSU) aus Wunsiedel findet weniger diplomatische Worte. Für "massiven Unfug" hält er die Idee aus dem Münchner Umland, "das können die Kollegen so nicht machen". Zwangsläufig entstehe der Eindruck: "Wir hier unten wollen schön leben, und was nicht so schön ist, schicken wir nach Norden." Für ihn seien dergleichen Vorschläge "eine Frechheit".

Vier bis acht Flüchtlinge kommen derzeit pro Woche im Kreis Wunsiedel hinzu. Ehrenamtliche kümmern sich, Runde Tische verhinderten drohenden Zwist. Dies sei dann in Gefahr. Sein Kollege Meißner sieht das ähnlich, findet an der Diskussion aber auch Gutes: "Man erkennt, dass mancher im Süden der Ansicht ist, dass wir hier kurz davor sind, das Licht auszumachen." Die Vorstellung vom umgehend zur Verfügung stehenden Wohnraum in Nordbayern empfinde der Landrat als "fast schon putzig".

© SZ vom 20.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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