Unter Bayern:Die Frau und der Vollpfosten

Lesezeit: 1 min

Das bairische Schimpfwort Vollpfosten befindet sich auf Siegeszug: Neuerdings findet es sogar bei Hunden Anwendung.

Kolumne von Sebastian Beck

Abends in einer oberbayerischen Kleinstadt. Eine Frau, so um die Siebzig, führt ihren Hund aus. Bei dem Tier handelt es sich um ein pudelartiges Wesen, dessen Fellfarbe an Sofas aus den frühen Achtzigerjahren erinnert. Augenscheinlich leidet der Hund unter Übergewicht, man wünscht sich für ihn ein Stützrad unter der Schwarte. Frau und Hund schweigen. Sie raucht.

Dann blickt sie auf ihren Hund und sagt, einfach mal so, eher beiläufig und sachlich, mit Raucherstimme und dialektschwer, auf eine Art und Weise, wie sie wahrscheinlich auch ihren Ehemann anzusprechen pflegt, falls er noch lebt, diese zwei Worte hinein in die adventliche Nacht: "Du Vollpfosten."

Der Vollpfosten ist sich seiner Vollpfostennatur nicht bewusst

Vollpfosten ist ja für sich genommen ein durchaus interessantes Wort, das zum Nachdenken anregt und inzwischen auch in den Duden Einzug gehalten hat. Sinngemäß bedeutet es, dass man dem anderen wenig zutraut und auch mittelfristig von ihm keine Veränderung zum Positiven erwartet. Der Vollpfosten zeichnet sich also durch seine Beharrungskräfte aus. Er selbst ist sich seiner Vollpfostennatur nicht bewusst.

Dabei sind Vollpfosten, das zeigt ein Blick ins Archiv, weit verbreitet: Alleine innerhalb eines Jahres kamen sie 137 mal in gedruckten Texten vor. Besonders häufig sind Vollpfosten in der Region beziehungsweise Bayern (61 Treffer) und in der Politik (24). Dahinter folgen Kunst, Kultur (9) und Sport (6), wobei hier das Bonmot erwähnt sei, dass zwei Vollpfosten noch kein Tor machen. Anhänger der Sechzger können das bestätigten.

Der Bürgermeister von Gersthofen geht mit gutem Beispiel voran

Der Bürgermeister von Gersthofen lieferte vor einigen Wochen ein schönes Beispiel für den korrekten Gebrauch des Wortes: Nachdem Unbekannte drei Kunstwerke auf den Straßen beschädigte hatten, postete er auf Facebook: "Bei einer Belohnung von 1000 € könnt ihr es nicht mal den Kumpels erzählen. Ihr Vollpfosten."

In der Tierwelt hingegen kommen Vollpfosten selten vor - kein einziger Treffer im Archiv. Niemand würde seinen Hamster als Vollpfosten titulieren, bloß weil er den ganzen Tag am Rad dreht. Insofern kann der fette Pudel stolz sein: Er ist der erste seiner Art und zieht für immer ins Archiv ein. Der Hund hat übrigens in der für ihn so schwierigen Situation richtig reagiert: Er hat so getan, als habe er das Wort überhört.

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bayerisches Schimpfwortequiz
:"Du gwambada Uhu, du!"

Die Bayern fluchen gern und phantasievoll. Wissen Sie, was die Schimpfwörter bedeuten? Testen Sie Ihr Wissen im Quiz - und strengen Sie sich an, sonst wird der Bayer grantig!

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: