Universität Erlangen-Nürnberg:Jubiläumsbuch kanzelt Professoren ab

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Auch die Philosophische Fakultät als Bauwerk bekommt in Schöllgens Buch ihr Fett weg. Diese lade mit ihrem Charme – außen Beton, innen Plastik, alles quadratisch, manches fensterlos – „zu intellektueller Abstinenz geradezu ein“. (Foto: prz)
  • Zum 275. Geburtstag der Friedrich-Alexander-Universität ist ein Buch zur Historie der größten Hochschule Frankens erschienen.
  • Neben viel Lob für einige Fakultäten werden vor allem Professoren der philosophischen Fakultät heftig kritisiert.
  • Möglicherweise ist ein alter Konflikt das Motiv des Autors, derart über Kollegen herzuziehen.

Von Olaf Przybilla, Erlangen

Die skurrilste Anekdote in der Historie der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg? Da könnte man sich für diese Geschichte entscheiden: Ein Unipräsident versendet anlässlich eines Jubiläums ein Buch, das die Historie dieser großen Volluniversität auf 253 Seiten schildert. Er legt einen Zettel bei, auf dem zu lesen steht: "Lassen Sie sich inspirieren. Mit den besten Empfehlungen." Um es kurz zu machen: Das Buch feiert Teile der Uni, die technische Fakultät, auch Medizin und Naturwissenschaften. Für einzelne Hochschullehrer der Philosophen Fakultät freilich hält der Jubiläumsband Passagen bereit, die jene als "intellektuellen Small Talker" oder "Fernsehpredigerin" abkanzeln. Mit besten Empfehlungen!

Eine herrliche Anekdote wäre dies gewesen für den Band "Wissen in Bewegung. Die Friedrich-Alexander-Universität" des Erlanger Historikers Gregor Schöllgen, der nun zum 275. Geburtstag der größten Uni Frankens erschienen ist. Leider könnte diese dort allenfalls in einer zweiten Auflage abgedruckt werden. Denn Schöllgen selbst ist es, der diversen Kollegen ordentlich eingeschenkt hat. Und der aktuelle Präsident, Joachim Hornegger, wiederum ist es, der Redaktionen so freundlich aufs Buch hinzuweisen sich beehrt hat. Man solle sich inspirieren lassen? Das gelingt dem Buch zweifellos. Bleibt nur die Frage, ob es niedere Instinkte sind, die einem Amüsement bereiten angesichts allerlei arg holzschnittartiger Verrisse von Hochschullehrern.

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Wobei: Nicht nur Professoren bekommen ihr Fett ab. "Besonders dramatisch ist die Situation an der Philosophischen Fakultät, die nicht zuletzt davon lebt, dass ihre Studenten zumindest der Muttersprache - also in den meisten Fällen des Deutschen - mächtig sind", schreibt Schöllgen. Das aber lasse sich "heute lediglich noch von einer Minderheit sagen". Besagte "Fernsehpredigerin" wiederum sei ohne Dissertation und Habilitation und "ohne erkennbares wissenschaftliches Profil" auf einen Lehrstuhl berufen worden. Insgesamt attestiert Schöllgen dem Fachbereich dieser Hochschullehrerin eine "Demontage".

Die Berufungspraxis an der Philosophischen Fakultät? Offenbar scheue man die Konkurrenz und suche im Zweifelsfall lieber Mittelmaß. Die Geschichtswissenschaften? Kümmerten sich mitunter lieber um "Baumwollanbau und Bewässerung in Zentralasien" als um die großen Themen. Die Germanistik? Habe sich nach den alten guten Zeiten "weitgehend in die Bedeutungslosigkeit verabschiedet". Seiher sei "kaum mehr als dröhnendes Schweigen zu hören".

Nun heißt es aus dem Umfeld von Präsident Hornegger, dass er gerade viel Post zu lesen bekommt, fast mehr als ihm lieb sei. Der SZ liegen ein paar dieser Schriftstücke vor, auch solche, die an Schöllgen gerichtet sind, und es mag nicht verwundern, dass die Absender vor allem aus der Philosophischen Fakultät stammen. Ein führendes Mitglied der Germanistik etwa schreibt, man würde die Kritik ja gerne ernst nehmen, würde sich aber schon auch freuen, etwas über Schöllgens "Datenbasis zu erfahren". Dessen Antwort, man müsse auch das Interesse der Öffentlichkeit gewinnen, pariert der Germanist mit Beispielen, wo dies offenkundig gelungen ist. Und entschuldigt sich maliziös, dass er in Sachen "Quellenangaben so beharrlich" sei und Genauigkeit einfordere. Die fordern gerade viele vom Historiker Schöllgen. Gerade angesichts solch zum Teil massiver Attacken.

An der betroffenen Fakultät werden bereits Unterschriften gesammelt für einen offenen Brief. Man halte sich nicht mit "persönlichen Diffamierungen" in Schöllgens Buch auf, sondern fordere "Positionen zu begründen und simplifizierenden Argumentationsmustern entgegenzutreten". Der Dekan der Philosophischen Fakultät, Rainer Trinczek, wiederum sagt, jeder dürfe ja "den Unsinn schreiben", den er wolle. Auch Schöllgen. Dass dieses Buch aber von der Universität unterstützt, mit deren Signet versehen und von der Hochschulleitung versendet werde, mache ihn fassungslos: "Das ist eine Marketingkatastrophe."

Das Buch sei "keine offizielle Chronik"

Präsident Hornegger hält dergleichen aus. Er lässt eine Sprecherin erwidern, der Band sei keine Auftragsarbeit, sondern Schöllgens Idee gewesen. Eine frühe Fassung habe man zum Lesen bekommen, schwierige Passagen angemerkt. Aber Schöllgen sei kein Promovend, Änderungen habe man nicht eingefordert. Überdies sei das Buch "keine offizielle Chronik". Und es gebe auch gutes Feedback. Vor allem aus den nicht kritisierten Fakultäten.

Bleibt die Frage, was hinter dem Verriss ganzer Fachbereiche stehen könnte. Ein früherer Uni-Präsident, der erbost an Hornegger geschrieben hat, hat da eine Vermutung. Der Grund finde sich im Buch auf Seite 102. Dort schreibt Schöllgen, die Philosophische Fakultät habe gegen den Gründer des Erlanger "Zentrums für Angewandte Geschichte" (ZAG) geschlossen Position bezogen - obwohl er auf eine "stattliche Zahl abgeschlossener Projekte zurückblicken" konnte. Der Name des ZAG-Gründers fehlt im Buch. Er lautet: Gregor Schöllgen.

Dieser sei, so vermutet's der Ex-Präsident, nun der Versuchung erlegen, "offene Rechnungen zu begleichen". Schöllgen hatte das Zentrum 2006 unterm Dach der Uni gegründet. Es sollte "Geschichte kapitalisieren", also Mittel von Unternehmen einwerben, genauso wie das Medizin und Technische Fakultät tun. Im Gegenzug entstanden Firmengeschichten, deren Rezeption zwiespältig war. Manche fanden den Ansatz nachvollziehbar. Andere monierten, diese Firmengeschichten ließen sich kaum von "Werbeschriften unterscheiden", ähnelten einer "Apologetik-Agentur" und läsen sich, als seien sie vor 50 Jahren geschrieben. In der Philosophischen Fakultät Erlangen, Schöllgens Fakultät also, dominierte letzterer Standpunkt. Mit dem Eintritt Schöllgens in den Ruhestand hat das ZAG 2017 seine Arbeit beendet.

© SZ vom 28.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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