Unfälle in Bergen:Wer Klettersteige geht, ist für sich selbst verantwortlich

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Klettersteige, hier am Kleinen Jenner im Berchtesgardener Land, erfreuen sich unter Wanderern wachsender Beliebtheit. Aber wo mehr Leute unterwegs sind, steigt auch die Zahl der Unfälle. (Foto: Stefan Herbke ; Stefan Herbke)

Die Bergwacht stellt immer wieder fest, dass sich Wanderer in Klettersteigen falsch einschätzen und zu wenig sichern.

Von Isabel Meixner, München

Einmal hat Markus Goebel den Test gemacht. Mit Anzug und Krawatte bekleidet ging er in ein großes Sportgeschäft, kündigte eine Klettersteigtour mit einem Freund am Wochenende an und ließ sich beraten. "So wie ich da gestanden bin und gefragt habe, hätte der Verkäufer sehen müssen: Der kann eigentlich nichts." Trotzdem hat Goebel das Geschäft nach kurzer Beratung mit voller Ausrüstung verlassen. Und ohne Ahnung, wie dieses Klettersteig-Set zu bedienen ist.

Nun ist Markus Goebel nicht so ahnungslos, wie er getan hat. Als Mitglied der Bergwacht Chiemgau, deren Pressesprecher er auch ist, hat er es aber immer wieder mit Bergsteigern zu tun, die sich durch genau solch unbedarfte Einstellung in Gefahr begeben. "Klettersteige bescheren uns ein Mehr an Einsätzen", konstatiert er.

Das liegt einerseits natürlich daran, dass mehr Menschen in die Berge gehen und in den vergangenen Jahren neue Klettersteige erschlossen wurden; und wo mehr los, da mehr Unfälle. Andererseits: "Viele Wanderer gehen im Klettersteig bis zum Anschlag und denken nicht daran, dass sie ja auch wieder runter müssen", sagt Goebel. Wenn sie dann entkräftet in der Wand hängen und nicht mehr vor- und zurückkommen, wird die Bergwacht gerufen.

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Vor allem Sportklettersteige in Orts- oder Seilbahnnähe bringen auch Menschen ohne große alpine Erfahrung in die Berge, stellen sie aber gleichzeitig vor extreme Herausforderungen. Bei diesen Steigen stehen mit Eisentritten und Stahlbrücken der Nervenkitzel und der sportliche Aspekt im Vordergrund - und weniger, wie bei klassischen Klettersteigen, das Naturerlebnis.

Der Mauerläufersteig in Garmisch-Partenkirchen, einer der schwersten Klettersteige in Deutschland, ist in etwa 30 Minuten von der Kreuzeck-Bergbahn zu erreichen - und führt dann 400 Höhenmeter senkrecht in die Höhe. Ohne Notausstieg. Beim ebenfalls sehr herausfordernden Pidinger Klettersteig kommt noch eine andere Schwierigkeit hinzu: Einige haarige Stellen kommen erst im oberen Bereich, wenn die Arme schon schwer werden.

Drei tödliche Unfälle in einer Woche

Die Bergwacht listet Klettersteigunfälle nicht gesondert auf, sie fallen in die Rubrik der normalen Bergunfälle. Doch eine Tendenz ist vielerorts zu hören: ihr Anteil nimmt zu. Am Mittwoch stürzte ein Mann an der Alpspitz-Ferrata ab, er war ohne Sicherung und Helm unterwegs. In Berchtesgaden kamen in der vergangenen Woche zwei Menschen an Klettersteigen ums Leben: Eine 50-Jährige stürzte vor den Augen ihres Mannes vom Schustersteig am Hohen Göll 100 Meter in die Tiefe, einen Tag später verunglückte ein 51-Jähriger am Grünstein-Klettersteig.

Was kann gemacht werden, damit Klettersteiggehen sicherer wird? Für Markus Goebel ist in erster Linie die Eigenverantwortung jedes Einzelnen gefragt: "Manche Leute schätzen sich selbst nicht richtig ein, das ist dasselbe wie bei Alpintouren." Sicher gebe es auch Fälle, in denen eine Verankerung aus der Wand reißt.

Aber oftmals werden gewisse Grundregeln in Klettersteigen missachtet. Zum Beispiel muss mindestens ein Karabiner des Klettersteig-Sets am Drahtseil hängen, auch ist ein Helm wichtig, falls sich Steine lösen. Und an schwere Klettersteige sollte man sich schrittweise herantasten.

"Wir von der Bergwacht heben Klettersteige nicht in den Himmel, wir verdammen sie aber auch nicht", macht Goebel deutlich. Aber zwei Dinge müssen jedem Bergsteiger bewusst sein: Er ist für sich selbst verantwortlich. Und: "Das Handy ist keine Lebensversicherung." Denn Netz gibt es nicht überall in den Bergen.

© SZ vom 22.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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