Unesco-Weltkulturerbe:Angst ums Erbe

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Gefährdetes Weltkulturerbe: Denkmalschützer in Regensburg und Würzburg befürchten, dass ihre Städte von der Unesco abgewertet werden könnten.

Max Hägler und Olaf Przybilla

In Regensburg und Würzburg wollen sie ganz genau auf die Entscheidung der Unesco über den Welterbe-Titel der Stadt Dresden schauen. Die wurde gestern allerdings erst einmal vertagt.

In Regensburg geht es wie in Dresden um eine neue Brücke: Die Steinerne Brücke bröckelt, Autos und Busse dürfen sie nicht mehr benutzen. (Foto: Foto:)

Die zwei bayerischen Städte dürfen sich selbst mit dem prestigeträchtigen Titel schmücken - und in beiden gibt es Konfliktpotential. In Würzburg zürnen Denkmalschützer über den Neubau einer Trambahn an der Residenz entlang. In Regensburg geht es, ähnlich wie in Dresden, um den Neubau einer Brücke.

In der Oberpfälzer Stadt ist derzeit ein ganzes Viertel weitgehend abgeschnitten von der Altstadt. Schon lange ist die Steinerne Brücke, 800 Jahre altes Wahrzeichen der Stadt, sanierungsbedürftig, seit vergangenem Sommer ist sie für den Fahr-Verkehr gesperrt. Ein Gutachten hatte gezeigt, dass nicht nur die Pfeiler bröckeln, sondern auch die Brüstung einem Bus nicht standhalten würde.

Ein ganzes Viertel wird links liegen gelassen

Um von der Altstadt nach Stadtamhof zu kommen, müssen die städtischen Busse seitdem einen kilometerlangen Umweg fahren. Und sie lassen nach dem Brand einer zweiten Brücke Stadtamhof völlig links liegen. Nur noch ein Rufbus versorgt die Menschen derzeit. An den Hauswänden sind längst Aufschriften zu lesen wie "Bus - Wann? Wo?"

Zugleich hängen flussaufwärts und flussabwärts Protestplakate gegen zwei mögliche Ersatztrassen. Die ersten Planungen für die neuen Strecken stehen bei der aktuellen Tagung des Unesco-Welterbekomitees in Sevilla auf der Tagesordnung.

Nach jahrelangen Debatten hatte der Stadtrat im Herbst die Prüfung zweier neuer Brücken auf den Weg gebracht. Die eine soll den Verkehr östlich abwickeln - über den Grießer Spitz, einen der letzten Naturräume in der Gegend, mit Abendseglern und Rauhautfledermäusen. Viele Politiker bevorzugen deshalb eine Westtrasse, die eine weitere Fußgängerbrücke, den Eisernen Steg, ersetzen soll.

Diese Variante stört vor allem Denkmalschützer. "Ich habe größte Bedenken gegen eine solche Brücke", kommentierte im vergangenen Jahr Achim Hubel, Welterbe-Berichterstatter für Regensburg. Der Einschätzung folgte heftiger Widerstand der Stadt - schließlich zog sich Hubel sogar von seinem Posten zurück. Doch auch der oberste bayerische Denkmalpfleger, Egon Greipl, spricht davon, dass eine Brücke im Westen "die Altstadtsilhouette von Regensburg sehr wohl beschädigen würde".

Regensburg will die Unesco einbinden

Er könne sich eine Billigung der West-Variante "nicht vorstellen", sagte er der SZ am Mittwoch. Und Hans-Jürgen Ahrns vom Interessenverband "Donauanlieger" hofft auf eine ablehnende Haltung der Kommission: "Es wären für die neue Brücke im Westen riesige Rampen notwendig - wer da zustimmt, setzt seine Glaubwürdigkeit als Denkmalpfleger aufs Spiel."

Tatsächlich hat Regensburg - anders als Dresden - schon in der Beschlussvorlage festgehalten, die Unesco möglichst früh einzubinden. Ob die Taktik aufgeht, wird sich im Lauf der Woche herausstellen. Auch eine ablehnende Haltung würde Regensburg berücksichtigen. "Es ist selbstverständlich, dass wir die Empfehlungen der Unesco in unsere Vorhaben einbeziehen", sagt Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU). Angesichts der Werbewirkung, die der 2006 verliehene Status für Regensburg hat, darf man dem Glauben schenken.

Auf der nächsten Seite: Wie Würzburg seinen Welterbetitel retten möchte.

In Würzburg gibt es dieser Tage eine ähnliche Diskussion: Der geplante Bau einer Straßenbahntrasse neben der Residenz ruft Denkmalschützer auf den Plan. Tilman Kossatz ist einer von ihnen. Der Konservator arbeitet sozusagen im Weltkulturerbe, als Wissenschaftler im Martin-von-Wagner-Museum, das in die Residenz integriert ist.

In Würzburg soll die geplante Straßenbahntrasse direkt an der Residenz vorbeiführen - für Denkmalpfleger ein Skandal. (Foto: Foto: dpa)

Schon jetzt ärgert sich Kossatz jeden Tag über den Blechhaufen vor dem Werk des Baumeisters Balthasar Neumann. In den sechziger Jahren sah es sogar noch schlimmer aus. Damals parkten Autofahrer auf dem Residenzplatz kreuz und quer, wo sie gerade wollten. Bis heute verschandeln bis zu 400 Wagen, immerhin mittlerweile fein säuberlich aufgereiht, den Platz vor dem Prunk. Zu Beginn der Woche hat der Würzburger Stadtrat beschlossen, zusätzlich die neue Tramlinie 6 am Schloss entlang zu führen.

Sollten dann Masten und Oberleitungen die Blickachse von der Residenz in Richtung Dom und Marienfeste stören, dann fürchtet Kossatz unabsehbare Konsequenzen. Dass der Welterbe-Titel in dem Fall wie in Dresden in Gefahr gerate, könne dann keiner mehr ausschließen. Die Stadt habe "sich ihrer Residenz bisher nicht würdig erwiesen", schimpft der Denkmalpfleger.

Mikroerschütterungen und zerstörerische Abgase

Würzburgs Oberbürgermeister Georg Rosenthal kann solche Anwürfe nicht nachvollziehen. Zu den Vorgesprächen über die Trassenführung habe die Stadt sowohl den Internationalen Rat für Denkmalpflege, Icomos, als auch die Bayerische Schlösserverwaltung hinzugezogen.

"Ich sehe keine Schwierigkeiten auf uns zukommen", ist sich der SPD-Politiker sicher. Auch der Präsident der Schlösserverwaltung, Johannes Erichsen, glaubt die Gemüter beruhigen zu können. Das Problem an der Elbe sei es gewesen, "dass die Dresdner die Unesco mit vollendeten Plänen konfrontiert" hätten.

Im Würzburger Fall dürfte die Stadt der Unesco eine neue Straßenbahntrasse schon alleine deswegen schmackhaft machen können, weil die Tram den tosenden Verkehr rund um das Würzburger Weltkulturerbe zu verringern verspricht. Auf dem sogenannten Rennweg donnern Busse wenige Meter neben dem Bauwerk entlang. "Das sind jedes Mal Mikroerschütterungen", berichtet Erichsen - vom zerstörerischen Gift der Abgase ganz zu schweigen.

Tram mit Akkubetrieb

Drohen Würzburg Probleme mit dem Welterbe-Titel? Am besten dürfte das der Icomos-Mann Giulio Marano einschätzen können, der für die Unesco Gutachten schreibt. Marano war dabei, als die "Tramvariante 2c", vom Zentrum an der Residenz entlang bis zum Universitätscampus, mit Denkmalpflegern debattiert wurde. Marano sagt, es komme nun darauf an, wie die Stadt das 130-Millionen-Euro-Projekt verwirklichen wolle.

Denkbar wäre eine Tram mit Akkubetrieb im Bereich der Residenz - was die Stadt vermeiden will. Technisch sei diese Möglichkeit nicht ausgereift und noch gar nicht zugelassen, sagt Oberbürgermeister Rosenthal. Und verteuern würde sie die Trasse, an der die Würzburger Verkehrsbetriebe bis zum Frühsommer 2017 mit 33 Millionen Euro beteiligt sein sollen, überdies.

Wie dem auch sei, sagt Marano: Er will in den kommenden Monaten genau beobachten, auf welche Weise die Stadt ihre neue Tramtrasse bauen will. "Danach werde ich meine Stellungnahme an die Unesco senden." An diese wiederum werden die Welterbe-Hüter nicht gebunden sein.

© SZ vom 25.06.2009/liv - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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