Überraschende Zahlen:Lücken bei der Vorsorge

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Arztreport: Fast jedes fünfte Kind verpasst Routineuntersuchung

Von Dietrich Mittler, München

Im Mai will Gesundheitsministerin Melanie Huml eine Schwerpunkt-Kampagne zur psychischen Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen starten. Mit ihr will sie "insbesondere Eltern und andere Bezugspersonen für dieses Thema sensibilisieren". Dass dies nötig ist, unterstreicht der Arztreport 2016 der Barmer GEK. "Bayern Schlusslicht bei Kindervorsorge", lautet die Überschrift, unter der die Kasse den Report vorstellt. Demnach nutzen nur 83,5 Prozent der gut dreijährigen Kinder im Freistaat die "Vorsorgeuntersuchung U 7a", bei der es um das Erkennen und Behandeln von Seh-, Sozialisations- und Verhaltensstörungen geht.

In Bremen indes werde die U 7a-Vorsorgeuntersuchung von 98 Prozent der Kinder wahrgenommen. Der kleine Stadtstaat sei somit Spitzenreiter. Gesundheitsministerin Huml reagierte prompt: Sie werde diesem Hinweis nachgehen. Allerdings seien die Experten aus dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit skeptisch, ob die Teilnahmeraten des Arztreports "repräsentativ für Bayern sind". Es sei fraglich, ob alle durchgeführten U 7a-Untersuchungen im Report berücksichtigt wurden. Gleichwohl sei es ihr Ziel, dass möglichst viele Eltern für ihr Kind die gebotenen Chancen nutzen.

Bayern versuche bereits jetzt durch gezielte Maßnahmen, eine hohe Teilnahmerate an den U-Untersuchungen zu erreichen. So etwa gebe es eine Vorlagepflicht über den Nachweis der U 7a oder U 8 bei der Anmeldung im Kindergarten. "Durch diese Maßnahmen ist es gelungen, für die U 1 bis U 9 hohe Teilnahmeraten von circa 94 Prozent in Bayern zu sichern", sagte die Ministerin.

Nach vorliegenden Zahlen weisen im Freistaat 29 Prozent der Buben im Alter von ein bis vier Jahren sowie 24 Prozent der Mädchen in dieser Altersgruppe Anzeichen von psychischen beziehungsweise von Verhaltensstörungen auf. Wie die sogenannte Bella-Studie zum seelischen Wohlbefinden und Verhalten von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland ergab, findet aber nur bei gut der Hälfte der als psychisch auffällig betrachteten Kinder eine Behandlung statt.

Je früher indes Störungen behandelt werden, desto besser für das Kind. Hier setzt die Vorsorgeuntersuchung U 7a an, die zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr stattfinden sollte. Bei ihr werden unter anderem die Brust-, Bauch- und Geschlechtsorgane, die motorische Entwicklung, das Nervensystem und die Sinnesorgane überprüft. Und zudem, wie es um das Sozialverhalten des Kindes bestellt ist.

Martin Lang, der Landesvorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Bayern, glaubt, dass die geringere Teilnahme am U 7a-Angebot allenfalls daran liegen könnte, dass es dieses im Gegensatz zu den anderen Voruntersuchungen erst seit 2008 gibt. Aber eines könne sich Bayern von Bremen schon abschauen: "Die haben ein zentrales Einladungs- und Rückmeldesystem für solche Untersuchungen."

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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