Städtereisende wollen vieles erleben, am besten aber Orte entdecken, die nicht in jedem Reiseführer oder jeder App zu finden sind. Wer könnte besser durch die Stadt führen als jemand, der dort wohnt oder zumindest eine ganze Weile gelebt hat? Süddeutsche.de hat Korrespondenten in deutschen Metropolen gebeten, "ihre" Stadt anhand eines Fragebogens zu präsentieren. Olaf Przybilla sagt Ihnen, welcher Platz in Würzburg besonders sehenswert ist, warum Sie Vokabeln wie "Pinot Grigio" und "Chardonnay" aus Ihrem Wortschatz streichen sollten und wie Sie in einem Hinterhof wunschlos glücklich werden.
Was macht Würzburg als Stadt aus?
Der Talkessel, die Studenten, der Wein. Und der etwas gewöhnungsbedürftige Stadtrat, der sich möglicherweise am lustigen Geschichtsspiel "Wir-stellen-hier-ein-bisschen-Weimar-nach" versucht, jedenfalls was die Buntscheckigkeit der ziemlich zahlreichen Fraktionen betrifft. Motto: Ich hab' fei eine eigene Meinung, gründ' ich also gleich eine eigene Polittruppe. Wird in letzter Zeit allerdings deutlich besser, man könnte auch sagen: gewöhnlicher.
Diese Sehenswürdigkeit dürfen Sie nicht verpassen:
Die Residenz natürlich. Und den Blick von der Festung hinunter auf die Stadt.
Was ist noch sehenswerter - doch nur wenige Urlauber wissen davon?
Der Blick vom Hotel Steinburg hinunter auf die Stadt. In Würzburg ist das ja so: Man blickt von allen Himmelsrichtungen aus nach unten, und selbst notorische Domstadt-Skeptiker und Frankenwein-Verächter werden einräumen müssen, dass man so einen Blick auf eine so große Stadt (diverse Alpengemeinden mal ausgenommen, aber die sind eben nicht so groß) in Deutschland sonst kaum geboten bekommt. Wer sich nur in mittelbare Entfernung an die Stadt herantraut, weil er gehört haben will, dass die Einheimischen gelegentlich nicht ausschließlich zur Gutlaunigkeit neigen - bitteschön: Einfach auf der Autobahn-Rastanlage anhalten, runter schauen, "ooh" und "aah" rufen. Würzburg für Hektische, sozusagen.
Den schönsten Blick über Würzburg hat man ...
...vom Weingut am Stein aus. Was aber, das sei hier mal nur dezent angedeutet, nicht ausschließlich am Blick liegen muss.
Das können Sie sich in Würzburg sparen:
Sätze, die mit Pinot Grigio oder Chardonnay aufhören. Auch die Bemerkung, "Ach, heut gönn' ich mir mal einen richtig schönen Tropfen, sagen wir: einen aus dem Rheingau" könnte möglicherweise zu Verwicklungen führen. Der Leitgedanke der örtlichen Stadtmarketingabteilung lautet zwar: "Würzburg macht Spaß!". Sollte man aber vielleicht nicht über Gebühr strapazieren.
Hier finden Sie Olaf Przybillas Empfehlungen für Essen und Trinken, für den kleinen Hunger zwischendurch und für Ihren Weg durch die Stadt.
So kommen Sie durch die Stadt:
Zu Fuß. Wer glaubt, sein Auto über den ebenso grünen wie zentralen Ringgürtel hinweg würgen zu müssen, ist selbst schuld. Und Straßenbahn-Fahren lohnt sich eigentlich nur, wenn man unbedingt solche Stadtteile wie Heuchelhof kennenlernen will. Wäre aber mehr was für Hobbysoziologen. Oder Leute, die über die "Unwirtlichkeit unserer Städte" promovieren wollen.
Damit sollten Sie unbedingt fahren:
Mit dem Riesenrad auf der Talavera, einem Großparkplatz am schönen Main. Wenn Sie das tun, ist übrigens gerade Kiliani, Kiliani ist das Würzburger Volksfest. Und wenn Sie da dann noch auf der besagten Riesenradgondel einem Einheimischen "Ist ja furchtbar, was die mit dem Kilian, Totnan und Kolonat gemacht haben" hinhauchen, sind Sie der Star am Volksfestplatz. Die drei waren mal Wandersleute, Kilian sogar Wanderbischof, bis sie in Würzburg den Märtyrertod starben, aber das würde jetzt zu weit führen.
Wenn Sie hungrig sind, probieren Sie unbedingt:
Die Würste auf dem Marktplatz. Stand ist kaum zu verfehlen, weil da immer eine der DDR zur Ehre gereichende Menschenschlange davorsteht. Gerüchteweise heißt es, die Anstehenden kämen vorwiegend aus Coburg, um sich zu vergewissern, dass ihre eigenen Franken-Würste einfach besser, weil gröber, sind. Aber das ist für echte Würzburger natürlich indiskutabel.
Das schönste Café:
Kommt drauf an. Inzwischen wohl schon das Wunschlos glücklich, das man sich in etwa so vorstellen muss, wie es heißt. Souveränes Universitätsstadt-Café, lässig gemacht. Bronnbachergasse 22R (Vorsicht, nicht vorbeischrammen, Rückgebäude!). Wer aber wirklich Würzburg kennenlernen will, kommt ums Brandstetter in der Marktgasse 3 vermutlich nicht vorbei. Das war mal, im 19. Jahrhundert, für Marktfräuleins gedacht, die morgens um fünf ihre Stände bestückten und etwas klamm um die Finger waren. Jene Figuren, die inzwischen morgens um fünf im Brandstetter in ihrer Tasse rühren, sind gelegentlich auch klamm. Aber das ist man eben so um die Uhrzeit, wenn man als Student eingeschrieben ist und die Nacht wieder einmal unverhoffte Längen aufzuweisen hatte. Egal, ob klamm oder nicht klamm: Hörnchen essen im Brandstetter, unbedingt!
Das beste Restaurant:
Natürlich der Maulaffenbäck in der Maulhardgasse 11. Man ist ja schließlich nicht irgendwo, man ist in Würzburg. Und da geht man zum "Schobbe pfetze" - ortsübliche Wendung für: dem einheimischen Wein zusprechen, bei der Gelegenheit ein Viertelliterglas leerend - in einen Bäck. Es gibt viele Bäcks in Würzburg, und ehrlich gesagt macht man auch beim Johanniterbäck am Johanniterplatz 3 absolut nichts falsch, wenn einem nach Deftigem samt Frankenwein der Sinn steht. Der Maulaffenbäck aber sei hier mit Vorzug behandelt, weil man da erstens seine Speise mitbringen darf (was natürlich kaum einer tut, die Sache aber umso sympathischer macht). Und weil er fraglos der Bäck mit der großartigsten Geschichte ist: Angeblich hatte der etwas stier blickende Bäcker - gleichzeitig der Wirt - einst Zoff mit dem Studentenvolk, woraufhin die ihn mit einem kräftigen: "Alle Bäcker backen, alle Bäcker backen, nur der Maulaffenbäck nicht" bedacht haben sollen. Gasthäuser, die in Würzburg ein "Bäck" im Namen haben, waren früher übrigens allesamt tatsächlich Bäcker. Freilich mit Schoppenausschank, wie es sich gehört.
Der Imbiss für unterwegs:
Ist in Würzburg üblicherweise flüssig. Seine Entstehungsgeschichte kann man ganz gut überblicken, wenn man von unten im Talkessel nach oben in Richtung Hang schaut.
Wo der Abend im Nachtleben von Würzburg beginnt, wie es weitergeht und wo Sie den Sonnenaufgang am Schönsten erleben.
Typisch für das Nachtleben in dieser Stadt ist ...
... dass eben der Imbiss für unterwegs flüssig ist und die Stadt nie verlassen hat. Also allen Ansprüchen ökologisch bewussten Handelns entspricht.
Hier beginnt der Abend:
Immer im Standard (Oberthürstraße 11a). Was soll man sagen? Schlicht die beste Kneipe Nordbayerns.
Dann ziehen Sie weiter...
Am besten gleich zum Schützenhof hinauf (Mainleitenweg 48). Das muss man bei Nacht schon mal gesehen haben. Nebenan das barocke Käppele, steil unten der Main, im Kessel die Stadt, mitten drin die Residenz. Wer nicht nur erfolgreich ein Studium abgeschlossen hat, sondern dafür auch noch mit einem ordentlichen Akademikergehalt belohnt wurde (also vermutlich schon etwas älter ist), wäre auf der Steinburg natürlich auch ziemlich gut aufgehoben (Adresse: Auf dem Steinberg). Oder gleich beim famosen Weingut Ludwig Knoll (Mittlerer Steinbergweg 5): Winzer gut, Blick gut, Wein gut.
Hier wollen alle rein:
Ins Capri, respektive die Blaue Grotte in der Elefantengasse 1. Zumindest wollen da die Touristen rein, die in ihrem Reiseführer gelesen habe, dass dort mal nach dem Krieg die erste Pizzeria Deutschlands Waren verkauft hat, die sich in Würzburg zu der Zeit wohl noch unter dem Begriff "warmes Tomatenbrot mit Käse" herumgesprochen haben.
Dabei ist es hier viel besser:
In der Trattoria Augusto, Herzogenstraße 2: Nudeln essen im Cafehausstil, ziemlich lässig.
Dies ist der beste Platz für den Sonnenaufgang:
Am Mainkai oder auf der Alten Mainbrücke. Wenn da oben die Festung allmählich anfängt zu glühen, das hat schon was. Oder ruhig mal zum Universitäts-Campus hinauf. Am frühen Morgen ist es da wirklich famos ruhig, warum auch immer. Und der Blick hinunter: hui.
Mit diesem Satz kommen Sie hier gut an:
Ich kenn fei dem Nowitzki sei' Schwester. Also fast.
Darüber spricht man in Würzburg:
Der Nowitzki? Mit dem habb' ich scho' Basketball g'spielt, da hätt' der Uli Hoeneß Dunking noch für ein Dorf im südöstlichen Oberbayern gehalten.
Vorsicht, Fettnäpfchen!
Spielt ihr eigentlich auch Fußball da in eurem Würzburg?