Tierschutz in Bayern:Die Würde der Kühe

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In Reihe: Eine Kuhherde in Anbindehaltung ist überschaubar, sie zählt in der Regel nur 27 Tiere. In Laufställen sind es 60, manchmal sogar 500 Kühe. (Foto: Claus Schunk)
  • Auf vielen kleinen und mittleren Bauernhöfen ist die Anbindehaltung von Milchkühen noch weit verbreitet.
  • Tierschützer der Organisation "Animals' Angels" wollen diese Form der Haltung deshalb verbieten. Sie drohen Milchbauern nun mit Anzeigen.
  • Bayerische Politiker schlagen sich derweil auf die Seite der Landwirte, da ein Verbot eher den Bau noch größerer Ställe befördern würde.

Von Christian Sebald, München

Wenn es um das Wohl der Kühe geht, greift " Animals' Angels" zu drastischen Mitteln. In ihrem aktuellen Report "Die Würde der Kühe" droht die Tierschutzorganisation 71 Milchbauern in Deutschland, darunter 25 in Bayern, mit Anzeigen. Der Vorwurf von Animals' Angels: Die 71 Landwirte halten ihre Milchkühe tagein, tagaus angebunden im Stall, so dass die Tiere den ganzen Tag über nur nebeneinander stehen oder liegen und sich nicht bewegen können. Dies sei ein schwerer Verstoß gegen das Tierwohl. Deshalb verlangt Animals' Angels, die sogenannte Anbindehaltung zu verbieten. Die Bundestierärztekammer hat sich der Forderung angeschlossen und die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen hat dazu eine Bundesratsinitiative gestartet.

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Nun bekommen die Bauern unerwartete Unterstützung. Die bayerische SPD lehnt ein Verbot rundweg ab. "Denn", so sagt ihr agrarpolitischer Sprecher Horst Arnold, "dieses Verbot würde die Landwirtschaft in Bayern an der Stelle treffen, an der sie am empfindlichsten ist: in ihrer Kleinteiligkeit. Es würde den Strukturwandel hin zu immer größeren Ställen regelrecht anheizen." Deshalb fordert Arnold Agrarminister Helmut Brunner (CSU) auf, ein Förderprogramm für die kuhgerechte Gestaltung von Anbindeställen zu starten.

Ein Drittel der Kühe in Bayern ist in Anbindeställen untergebracht

Tatsächlich ist die Anbindehaltung vor allem auf kleinen und mittleren Bauernhöfen noch weit verbreitet. Laut Agrarministerium gibt es in Bayern noch ungefähr 35 000 Milchbauern. Sie halten zusammen 1,2 Millionen Kühe. Ungefähr ein Drittel der Kühe ist in Anbindeställen untergebracht, die anderen zwei Drittel sind in Laufställen, in denen sie sich frei bewegen können. Dabei ist die Anbindehaltung stark im Schwinden. Noch vor fünf Jahren lebten 46 Prozent der bayerischen Milchkühe in Anbindeställen und erst 54 Prozent in Laufställen. Zum Vergleich: Deutschlandweit lebt ungefähr ein Viertel der Kühe in Anbindeställen.

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Der entscheidende Punkt für Arnold ist freilich: Eine Kuhherde in Anbindehaltung zählt durchschnittlich nur 27 Tiere. In einem Laufstall hingegen sind es im Schnitt bereits 60 Kühe, mit stark steigender Tendenz. So gibt es auch in Bayern immer öfter Bauern mit 120, 250 oder sogar 500 Kühen im Laufstall. Und in Bad Grönenbach im Unterallgäu stehen sogar zwei Betriebe mit jeweils mehr als 1000 Kühen. "Da stellt sich dann schon die Frage, ob so durchindustrialisierte Milchbetriebe wirklich tierfreundlicher sind als die angestammten kleinen Familienhöfe, auf denen der Bauer jede Kuh genau kennt", sagt Arnold.

"Die Weidehaltung ist natürlich das allerbeste für die Tiere"

Zumal sich auch die Expertenwelt uneinig ist, wie sehr die Anbindehaltung die Kühe tatsächlich leiden lässt. Denn es sind ja gerade die Kleinbetriebe mit den älteren Ställen, die ihre Tiere noch den größten Teil des Jahres auf die Weide lassen. Zwar kann niemand die genaue Zahl nennen, aber auf vielen kleinen Bauernhöfen sind die Kühe in der warmen Jahreszeit sogar nächtens draußen. Sie müssen nur zwei Mal täglich für ungefähr eine Stunde zum Melken in den Stall. "Die Weidehaltung ist natürlich das allerbeste für die Tiere, da sieht jeder Laie, dass sie sich wohl fühlen", sagt Andrea Eiter von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die gerade die kleineren, traditionell wirtschaftenden Betriebe vertritt. "Ganz anders als auf den Spaltenböden in den Laufställen."

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Auch für Agrarminister Brunner ist ein Verbot der Anbindeställe der falsche Weg. Er setzt darauf, dass die Milchbauern von sich aus auf einen Laufstall umstellen und gewährt ihnen kräftige Finanzspritzen dafür. Bis zu 40 Prozent Zuschuss bezahlt der Freistaat Landwirten, wenn sie einen modernen Laufstall errichten. Bei Kosten von 10 000 Euro je Kuhplatz in so einer Anlage summiert sich die staatliche Förderung schnell auf viele tausend Euro. Der Bau von Anbindeställen dagegen wird seit 2001 nicht mehr unterstützt. Außerdem weist der Minister darauf hin, dass der Freistaat Bauern belohnt, die ihre Kühe auf die Weide lassen. Dieses Jahr hat der Minister die Zahlung dafür von 30 auf jetzt 50 Euro je Kuh und Jahr angehoben. Das Programm wird sehr gut angenommen, hört man aus Brunners Haus.

Animals' Angels lässt all das nicht gelten. "Fakt ist: In unserer, freien' Marktwirtschaft bekommen Milchbetriebe eine Sonderbehandlung, von der andere mittelständische Betriebe nur träumen können", heißt es in dem Report, egal ob es die Agrarzahlungen der EU seien, die Förderprogramme des Bundes und der Länder oder Vermarktungshilfen, wie Schulmilchprogramme. "Mitleid mit den armen Kleinbauern", wie es von Berufsverbänden und Medien beschworen werde, sei unangebracht. Das Credo von Animals' Angels lautet: "Die Anbindehaltung ist grausam, altmodisch und muss aufhören." So wie in Dänemark. Dort ist sie von 2022 an untersagt.

© SZ vom 05.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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