Streit:Faschingsspaß oder Rassimus? Debatte um "Negerball" in Niederbayern

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Solche Spendendosen, "Nick-Neger" genannt, waren in Kirchen früher gang und gäbe. Heute gelten sie als rassistisch. (Foto: Imago)
  • Auf Facebook ist eine Debatte um den traditionellen "Negerball" der Gemeinde Kirchberg im Wald (Kreis Regen) entbrannt.
  • Der "Negerball" ist eine Benefizveranstaltung für Afrika, die dort seit 40 Jahren zum Fasching veranstaltet wird.
  • Kritiker werfen dem Veranstalter Rassismus vor. Der reagiert mit Unverständnis.

Von Hans Kratzer, München

Schätzungsweise seit der Jungsteinzeit regieren in Bayern die Schwarzen. Aber schwarz und schwarz sind im Freistaat zwei Paar Stiefel, weshalb sich derjenige, der dies übersieht, heutzutage schnell mit dem Vorwurf des Rassismus und der Diskriminierung konfrontiert sieht. Dies zeigt ein aktueller Streit über eine Faschingsveranstaltung in der Gemeinde Kirchberg im Wald (Kreis Regen).

Im Ortsteil Raindorf soll an diesem Samstag, wie es seit mehr als 40 Jahren im Fasching der Brauch ist, der sogenannte Negerball abgehalten werden. Heuer wurde dieser beliebte Ball auch auf Facebook angekündigt, was einer Userin gar nicht gefiel. "Das ist in höchstem Maße rassistisch", postete sie und drohte mit einer Anzeige. Im Internet entbrannte eine hitzige Debatte über die Frage, ob der Name Negerball rassistisch sei oder nicht. Facebook machte kurzen Prozess und löschte den Eintrag.

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Dass die Veranstaltung alles andere als rassistische Absichten verfolgt, steht zweifelsfrei fest. Der sogenannte Negerball ist eine Benefizveranstaltung für Afrika. Hunderttausende Euro sind so in den vergangenen Jahrzehnten erlöst worden und in Entwicklungshilfeprojekte geflossen. Nun hat der Arbeitskreis Dritte Welt als Veranstalter den Namen auf Facebook in "Negaball" geändert. Ursprünglich hieß die Faschingsgaudi "Jugend tanzt für Afrika". In der Jugendsprache wurde daraus der Negerball, eine böse Absicht darf sicherlich ausgeschlossen werden.

Das Wort Neger gehörte noch in den 80er Jahren in Bayern zum sprachlichen Alltag. Es gab Nick-Neger-Figuren in den Kirchen, die mit dem Kopf nickten, wenn eine Münze eingeworfen wurde. Auch beim Verzehr eines Negerkusses fühlte sich nicht jeder gleich als Rassist. Und die Durstigen griffen gern zum Neger, einem Mischgetränk aus Bier und Cola. Die Bayern neigen überhaupt dazu, ihre Getränke nach Völkern zu benennen. Der "Russ" wird zum Beispiel aus Weißbier und weißer Limonade zusammengemischt.

Dass das Wort Neger spätestens seit der Nazi-Zeit einen rassistischen Geruch hatte, tat seiner Beliebtheit keinen Abbruch. Viele Menschen, die mit diesem Wort aufgewachsen sind, weisen noch heute strikt von sich, damit jemanden diskriminieren zu wollen. Es gibt ein deutliches Interpretationsgefälle beim Gebrauch des Wortes Neger. Gleichwohl ist es nur noch selten zu hören, ähnlich wie das Wort Zigeuner. Die Nationalsozialisten sprachen ausschließlich von Zigeunern, die als Rasse vernichtet werden sollten. Kein Wunder, dass die Sinti und Roma darauf bestehen, nicht als Zigeuner bezeichnet zu werden, sie assoziieren damit Nazischrecken und Vernichtung.

"Wie wär's, wollen wir das Deutsch nicht einfach abschaffen?"

Im Duden steht, dass auch der Begriff Neger als stark diskriminierend gilt. Mit dem aus dem Lateinischen abgeleiteten Wort Neger wurden in der kolonialistischen Vergangenheit nicht nur farbige Menschen allgemein benannt, sondern vor allem dunkelhäutige Sklaven aus Afrika.

Deshalb sehen manche Teilnehmer in der Debatte um den Negerball puren Rassismus obwalten. Die Mehrheit in den sozialen Netzwerken bewertet den Namen Negerball jedoch nicht als diskriminierend oder gar rassistisch und plädiert für mehr Gelassenheit. Ein User schrieb überspitzt, er stelle fest, dass die deutsche Sprache hochgradig diskriminierend sei. "Wie wär's, wollen wir das Deutsch nicht einfach abschaffen?"

Der Kirchberger Bürgermeister Alois Wenig sagt, die Debatte über die beliebte und bewährte Veranstaltung habe breites Kopfschütteln ausgelöst. Er befürchtet, der in die Kritik geratene Arbeitskreis Dritte Welt könne daran zerbrechen, die Hilfsprojekte für Afrika kämen dann zum Erliegen. Dass man mit den Begrifflichkeiten früher legerer umging, zeigten gerade die politisch Schwarzen. Deren Chef Franz Josef Strauß trug dem dunkelhäutigen Sänger Roberto Blanco die Ehrenmitgliedschaft in der CSU an, worauf ihn dieser beschwor: "Wir Schwarzen müssen zusammenhalten."

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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