Stauprognose:Alles stillgestanden

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An diesen Stellen rechnen die Forscher mit langen Staus. (Quelle: SZ-Grafik) (Foto: ipad)
  • In diesem Jahr wird es auf den bayerischen Autobahnen nach ADAC-Prognosen mehr Staus geben als 2014.
  • Viele Baustellen behindern den Verkehr auf dem Weg nach Süden.
  • Stauforscher Markus Bachleitner hat einige gute Tipps für Urlaubs- und andere Reisende.

Von Lisa Schnell, München

Die Temperaturen steigen, die Geschwindigkeit auf der Autobahn sinkt und mit ihr die Laune. Es geht nicht weiter. Der Fahrer grummelt unverständlich Schimpfwörter in sich hinein. Von der Rückbank quengeln die Kinder. Dass man jemals entspannt an der Adria liegen wird, scheint unvorstellbar zu sein - im Stau. Langsam fluchend auf einer Autobahn gen Süden dahinkriechend, so wird wohl auch dieses Jahr der wenig erfreuliche erste Urlaubstag von vielen aussehen.

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Nach den Prognosen des ADAC wird es dieses Jahr mehr Staus geben als 2014. "Letztes Jahr haben viele ihren Urlaub wegen der Fußballweltmeisterschaft nach hinten verschoben", sagt Markus Bachleitner vom ADAC. Diesen Effekt gebe es dieses Jahr nicht, dafür aber viele Baustellen. Traditionell beginnt die Stausaison in Bayern dieses Wochenende, wenn in fünf Bundesländern die Sommerferien anfangen. Lange Blechkolonnen schieben sich dann aus ganz Deutschland Richtung Bayern, in dem als Tor zum Süden über ein Drittel aller Staus von mehr als zehn Kilometer Länge entstehen. Mit jedem weiteren Wochenende wird es nach den Erfahrungen des ADAC zähflüssiger auf den Straßen. Besonders schlimm ist es am 1. August, wenn auch in Bayern und Baden-Württemberg die Ferien beginnen, oder an Mariä Himmelfahrt.

Staus an den typischen Engstellen

Megastaus von mehr als 30 Kilometern erwartet Bachleitner vom ADAC an den typischen Engstellen. Etwa auf der A 3 zwischen Würzburg und Aschaffenburg, wo die Fahrbahn auf sechs Spuren ausgebaut wird. Die klassischen Sorgenkinder seien aber die Hauptreiseroute Richtung Salzburg auf der A 8 und die A 9 von Nürnberg nach München. Auf der A 9 fällt dieses Jahr zwar die große Baustelle nördlich von München weg, dafür wird an genügend anderen Stellen gewerkelt. So zum Beispiel auf der A 8 in westlicher Richtung im Raum Augsburg.

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Besonders auf der Brennerautobahn wird sich der Verkehr "massiv stauen", sagt Bachleitner vom ADAC. Die ist in den nächsten sechs bis acht Wochen in der Nacht von 22 bis fünf Uhr komplett gesperrt. Bachleitner empfiehlt tagsüber nach fünf Uhr zu fahren, wenn zumindest zwei Spuren frei sein werden. Auch auf der beliebten Strecke von Tirol nach Vorarlberg ist der Arlbergtunnel bis Ende September dicht. Eine Ausweichroute wäre der Arlbergpass, allerdings nicht für Autos mit Anhänger. Ebenfalls mit Staus ist auf der A 96 Richtung Lindau zu rechnen, da hier nur eine Baustellengeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde gilt.

Nicht aus baulichen, aber aus politischen Gründen könnte sich die Heimreise von Griechenland oder der Türkei erheblich verlängern. An der ungarischen Grenze von Serbien und Rumänien ist mit langen Wartezeiten zu rechnen, da illegale Einwanderer durch massive Kontrollen an der Einreise gehindert werden sollen.

Sehr früh oder sehr spät losfahren

Um einen Stau zu vermeiden, empfiehlt es sich, nicht am Wochenende, sondern an einem Dienstag oder Mittwoch zu fahren und das sehr früh oder sehr spät. Steckt man fest, ist stoische Geduld gefragt. Den Alternativrouten des Navis sollte man nicht folgen, sagt Bachleitner. Meistens seien auch die verstopft. Nur bei einer Vollsperrung oder wenn parallel eine andere Autobahn läuft, könne man sich von dem elektronischem Rat leiten lassen. Wird es dann schier unerträglich, hilft der Gedanke wenigstens nicht in China zu sein: Dort löste sich ein Stau ganze zwölf Tage lang nicht auf.

G-7-Gipfel 2015: Unter anderem an der Autobahnausfahrt Gräfelfing kam es aufgrund von Straßensperren zu Staus. (Foto: Catherina Hess)

Ist das Selbstmitleid beschwichtigt, kommen die Fragen: Woher kommt er, dieser vermaledeite Stau? Meist von einem Blick auf das Handy oder in die Landschaft, sagt Klaus Bogenberger von der Bundeswehr-Uni München. Dann bremst einer, der dahinter bremst noch mehr, dessen Hintermann noch ein bisschen mehr und so weiter, bis Stillstand herrscht. Etwa zwei Drittel aller Staus ploppen so aus dem Nichts auf, einfach, weil die Straße zu schmal und die Autos zu viele sind, jeder fünfte wird durch einen Unfall ausgelöst und jeder zehnte durch eine Baustelle.

Deshalb sei noch eine kleine Anmerkung von ADAC-Mann Bachleitner erwähnt. Ist es besonders heiß und der Stau besonders lang komme es oft vor, dass die Leute aussteigen, ihren Sonnenschirm auspacken und Urlaub im Stau machen. Das dürfe man zwar nicht, doch wirklich ahnden würde es die Polizei nicht. "Die hat in der Zeit was anderes zu tun."

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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