Infrastruktur:An der Grenze der Belastbarkeit

Gleismodernisierung in München, 2014

Baustellen aller Orten: Der schlechte Zustand der Schienenwege und der Straßen wirkt sich bereits negativ auf den Warenverkehr aus.

(Foto: Claus Schunk)

Bayerns Straßen, Schienenstrecken und Brücken sind mehr als marode, denn seit Jahren wird zu wenig in die Infrastruktur investiert. Nun warnen Experten: Wenn nicht bald deutlich mehr Geld fließt, ist der Wohlstand in Gefahr.

Von Ralf Scharnitzky

Noch rollt der Warentransport im Freistaat, der Export läuft auf vollen Touren. Bisher ist nur "Sand im Getriebe", wie Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern, es zurückhaltend nennt. Doch der Zustand der Verkehrswege gefährdet zunehmend den Wirtschaftsstandort Bayern. Und deshalb kann Driessen auch deutlicher werden: "Wir brauchen mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur. Die Straßen sind teilweise an der Grenze der Belastbarkeit."

Und auch im Schienennetz fehlt es an Geld: "Die Mittel für Sanierung und Ertüchtigung liegen seit Jahren unter dem Bedarf", sagt Deutsche-Bahn-Manager Klaus-Dieter Josel. Allein 175 Brücken im bayerischen Schienennetz sind marode. Jetzt soll gegengesteuert werden. Doch wie, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Einig sind sich alle Experten allerdings in einem: Wenn nichts geschieht, ist der Wohlstand Bayerns in Gefahr.

Noch sind es vor allem Geschwindigkeitsbegrenzungen, kurzzeitige Sperrungen und Engpässe, die den Warenfluss im Freistaat behindern. "50 Prozent ihrer Zeit verbringen die Lkw-Fahrer im Stau", sagt Transportunternehmer Siegfried Zetzl aus Röthenbach an der Pegnitz. Der wirtschaftliche Schaden hält sich noch in Grenzen. Doch wenn mal wichtige Verbindungen für längere Zeit gekappt werden müssen, wird es teuer. "Wenn eine Autobahnbrücke drei Monate gesperrt werden muss, beträgt der volkswirtschaftliche Schaden leicht 80 Millionen Euro", sagt Kurt Bodewig auf einer Expertentagung in München.

Zu wenig Investitionen

Der ehemalige SPD-Bundesverkehrsminister ist Vorsitzender einer Anfang 2013 geschaffenen Kommission. Deren Aufgabe laut Verkehrsministerkonferenz: die Schaffung eines "Zukunftskonzepts für die Finanzierung des notwendigen Nachholbedarfs und die Sanierung auf Straßen, Schienen und Wasserstraßen". Das Konzept ist dringend notwendig. Denn Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann macht auf der Tagung der Initiative "Damit Deutschland vorne bleibt" deutlich, dass sich die Situation auf Bayerns Straßen "weiter verschärfen" wird. Beim Verkehrsträger Nummer eins wird nach aktuellen Prognosen das Güterverkehrsaufkommen am stärksten zunehmen. Bei der Transportleistung wird der Verkehrsanteil auf fast 75 Prozent steigen.

Mit 2500 Kilometer Bundesautobahnen, 6300 Kilometer Bundesstraßen sowie 17 000 Kilometer Staats- und Kreisstraßen ist Bayern gut erschlossen. Die Straßen sind das Rückgrat der Verkehrsinfrastruktur. Nur: Seit Jahren wurde nicht mehr genug Geld in die Instandhaltung der Verkehrswege investiert - auch, weil seit der Wende das meiste Geld aus dem Bundesetat in den Aufbau Ost gesteckt wurde. Seit einigen Jahren kann der Aus- und Neubau von Straßen in Bayern nicht mehr mit der gestiegenen Verkehrsleistungen Schritt halten.

Auch im Schienennetz drohen erhebliche Engpässe bei der Elektrifizierung vieler Strecken und bei den Verbindungen zu den Nachbarländern. Verkehrsminister Herrmann: "Ob Ausbau des Ostkorridors, die Strecke ins Chemiedreieck oder nach Zürich und Prag - der Elektrifizierungsgrad von etwas mehr als 50 Prozent in Bayern muss gesteigert werden." Auch der Anschluss an den Brennerbasistunnel müsse endlich gebaut werden. Herrmann gibt auf der Tagung zu, von den Baufortschritten in Österreich und Italien überrascht worden zu sein. Nun will er Druck machen, damit die Zulaufstrecke auch im bayerischen Inntal endlich angepackt wird: "Es darf nicht sein, dass das Projekt an uns scheitert."

Milliarden für die Infrastruktur

Durch eine Anfrage der Grünen im Bundestag wurde jüngst bekannt, dass allein in Bayern von den mehr als 4600 Eisenbahnbrücken 175 in den kommenden zehn bis 15 Jahren erneuert werden müssen. Ihnen wurde bei Überprüfungen die Zustandskategorie 4 zugeteilt: gravierende Schäden an Bauwerksteilen, die die Sicherheit noch nicht beeinflussen. Eine wirtschaftliche Instandsetzung ist nicht mehr möglich.

Die bayerische Anmeldung für den neuen Bundesverkehrswegeplan 2015 umfasst neben 184 Straßenprojekten (Gesamtvolumen 17 Milliarden Euro) auch 30 Bahnprojekte (13 Milliarden Euro) und zwei Ausbauten bei den Wasserstraßen. Die Entscheidung, welche Maßnahmen im Bundesverkehrswegeplan berücksichtigt werden, trifft der Bund: "Mein Ziel ist es, dass die bayerischen Projekte 2015 ganz vorne mit dabei sind", sagt Herrmann.

Straßenschäden Mauern Etterschlag

Die bayerische Anmeldung für den neuen Bundesverkehrswegeplan 2015 umfasst unter anderem 184 Straßenprojekte - ein Volumen von 17 Milliarden Euro.

(Foto: Günther Reger)

Für die SPD-Abgeordnete Annette Karl, Mitglied im Verkehrsausschuss des Landtags, ist die Liste ein "Wunschzettel für den Weihnachtsmann, der in Berlin aber ausfallen wird". Sie fordert den Minister auf, Prioritäten zu setzen und die Bürger zu fragen, was ihnen wichtig sei. Von Prioritäten hält Herrmann gar nichts: "Wir müssen alles gleichzeitig anpacken." Es gehe nicht um einzelne Straßen- oder Schienenprojekte, sondern um Gesamtkonzepte im Güter- wie auch im Personenverkehr.

Bayerische Projekte sollen ganz vorn sein

Die Bundesregierung hat vor Kurzem den Finanzplan 2016 bis 2018 beschlossen. Die Verkehrsinvestitionen aus Steuermitteln steigen stufenweise um etwa 500 Millionen Euro pro Jahr von 10,5 Milliarden auf 11,9 Milliarden Euro in 2017. Nicht ausreichend, meint die Wirtschaft. Alfred Gaffal, Präsident der bayerischen Arbeitgeberverbände, sagt: "Das ist ein Anfang, aber eindeutig zu wenig." Er fordert, den Etat auf dauerhaft 14 Milliarden Euro zu erhöhen. Er begrüßt deshalb die Pkw-Maut. "Wir brauchen dringend zusätzliche Einnahmen aus der Nutzerfinanzierung", sagt auch Minister Herrmann.

Doch, ob die Erlöse aus der Pkw-Maut zur Erhöhung des Verkehrsetats führen, wird bezweifelt. Gerhard Hess, Hauptgeschäftsführer des bayerischen Bauindustrieverbandes, kritisiert die Bundesregierung in Sachen Lkw-Maut: "Der Stammhaushalt wird gesenkt, wenn von außen Gelder zukommen. Das Phänomen ,zusätzlich' findet nicht statt." Trotz Lkw-Maut ist der Etat kaum gestiegen. Die Bundesmittel wurden fast entsprechend der Einnahmen gekürzt. Für Hess ein "Skandal".

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