Soziales Engagement:Zwei Männer, ein Ziel

Lesezeit: 3 min

Holger Gassner und Kofi Boahene wollen die Medizinversorgung bedürftiger Menschen verbessern. Dazu planen die Ärzte ein Ausbildungskrankenhaus in Ghana

Von Dietrich Mittler, München

Es war ein traumatisches Erlebnis, das Kofi Boahene aus Ghana dazu brachte, Arzt zu werden. "Als Schüler musste er mit ansehen, wie ein Freund nach einem Motorradunfall in der Notaufnahme eines Krankenhauses verblutete", sagt der plastische Gesichtschirurg Holger Gassner aus Regensburg. Boahene habe bereits damals erkannt, dass sein Jugendfreund hätte gerettet werden können, wenn die Klinik dem Standard europäischer Krankenhäuser entsprochen hätte. Von da an stand sein Entschluss fest, im Ausland Medizin zu studieren. Boahenes Weg führte ihn zunächst nach Moskau, anschließend in die USA. An der renommierten US-amerikanischen Mayo Clinic lernte er Gassner kennen. Fünf Jahre lang arbeiten sie dort zusammen. Beruflich gingen sie in der Folge weitgehend getrennte Wege, aber ein Ziel bringt sie doch immer wieder zusammen.

"Unser Vorhaben ist es, die medizinische Versorgung bedürftiger Menschen in Afrika und anderen unterversorgten Regionen zu verbessern", sagt Gassner. Ihr neuester Plan: Sie wollen in Accra, der Hauptstadt von Ghana, ein hoch spezialisiertes Ausbildungskrankenhaus errichten. "Dabei liegt unser Hauptaugenmerk auf der Ausbildung der ansässigen Mediziner", betont Gassner, der in den Jahren von 2007 bis 2016 am Universitätsklinikum Regensburg den Bereich plastisch-wiederherstellende Gesichtschirurgie leitete und sich nun in Regensburg und in Nürnberg auf seine plastisch-chirurgischen Praxen konzentriert.

Boahene wirkt mittlerweile als Professor an der John Hopkins University im US-Staat Maryland. Mit seinen Freund Holger Gassner verbindet ihn der Wille, mit ihrem Können nicht nur Geld zu verdienen, sondern dieses Können auch ehrenamtlich anzubieten. So reisten beide - engagiert in humanitären Projekten - zunächst in medizinisch unterversorgte Gebiete Asiens, Afrikas oder Südamerikas und operierten dort gesichtsversehrte Patienten. Beide machten dabei eine Beobachtung, die trotz aller Zufriedenheit über die OP-Ergebnisse bei ihnen ein Umdenken anstieß. "Zwar konnte dabei einer Reihe bedürftiger Patienten wunderbar geholfen werden, aber die lokalen Verhältnisse veränderten sich ja dadurch nicht", sagt Gassner.

Eines Tages stießen sie auf die Aktivitäten des Kanadiers Peter Adamson, der über eine Stiftung in Ruanda ein Projekt finanzierte, "das Nachhaltigkeit versprach", wie Gassner erzählt. Er und Boahene schlossen sich Adamson an, reisten jedes Jahr einmal in die ruandische Hauptstadt Kigali - natürlich auch, um dort zu operieren. Vor allem aber, um einheimische Mediziner in der plastisch-wiederherstellenden Gerichtschirurgie auszubilden.

Erinnerungsfotos zeigen beide in Kigali im schlicht eingerichteten OP-Saal, eingehüllt in grüne Kittel, um einen Mann mit schweren Gesichtsverletzungen zu behandeln. Die afrikanischen Patientenzimmer, in denen die Betten dicht an dicht stehen und sich die Patienten gegen die Hitze und das gleißende Licht draußen nur durch schlichte Vorhänge schützen können, sind Gassner wohl vertraut. All seine berufliche Routine, so berichtet er, könne aber nicht verhindern, dass ihm auch nach langer Zeit die Fälle immer noch durch den Kopf gingen - und die damit verbundenen Schicksale. So etwa auch der Fall jener jungen Frau aus Ruanda, der die Nase abgebissen worden war, als sie versuchte, einen Streit zwischen zwei anderen Frauen zu schlichten. "Sie ist eine intelligente Frau", sagt Gassner. Mittlerweile könne sie wieder eine berufliche Ausbildung machen.

Boahene hat ähnliche solcher Ereignisse in einem autobiografischen Buch festgehalten. In diesem verrät er auch mit einem Augenzwinkern, dass - als er als junger Mann nach Moskau aufbrach - dort lediglich das Angebot bestand, Tiermedizin zu studieren. Das tat er denn anfangs auch, bis er schließlich in den Vereinigten Staaten in einem College einen Förderer fand, der für seinen Ausbildungskredit bürgte. Boahene dankte dem Gönner auf seine Weise: Er schloss sein Studium der Humanmedizin mit Bestnoten ab. Boahene weiß also selbst, was es heißt, einen Mentor zu brauchen. Gemeinsam mit Gassner will er nun selbst Mentor für andere junge Ärzte in seinem Heimatland sein.

Unterdessen trägt Boahenes und Gassners Engagement in Ruanda Früchte. "Das einheimische Team dort versorgt zunehmend auch komplexe Fälle", sagt Gassner. Diese Entwicklung erzeuge mittlerweile eine Sogwirkung. Qualifizierte einheimische Ärzte strebten regelrecht danach, in Kigali in dieses Team aufgenommen zu werden.

Gassner und Boahene sind nun fest entschlossen, auch in Ghana ein solches Ausbildungskrankenhaus aufzubauen - gestützt von weiteren Experten. "Eine Anzahl von Kollegen in den USA und in Europa haben bereits ihre Bereitschaft signalisiert, jeweils eine Woche pro Jahr an Ort und Stelle zu sein und so für die Kontinuität der medizinischen Versorgung und der chirurgischen Ausbildung zu sorgen", sagt Gassner. Das geplante Krankenhaus soll zwei Operationssäle und etwa 30 Betten umfassen.

Ein geeignetes Grundstück soll bald gekauft werden. Das kostet natürlich Geld. Am 4. Mai wird daher in Regensburg eine Fundraising-Veranstaltung stattfinden. "Wir sind fest entschlossen, mehrere Million Euro für das Krankenhaus zusammenzubringen", sagt Gassner. Für Zweifel, dass dies nicht klappen könnte, lässt er da gar keinen Raum.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: