Sondierungsgespräche:Die Bayern-Koalition kommt

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Ministerpräsident Markus Söder (links) und FW-Chef Hubert Aiwanger verstehen sich, wenn es um inhaltliche Fragen geht. Das Vertrauen zueinander muss aber noch wachsen, nachdem sich beide im Wahlkampf nichts schuldig geblieben sind. (Foto: Lukas Barth-Tuttas/dpa)

Mit der CSU und den Freien Wählern gehen zwei Regionalparteien ein Regierungsbündnis ein. Den Grünen erteilte Ministerpräsident Markus Söder eine Absage, weil die Differenzen in der Innenpolitik zu groß sind

Von Wolfgang Wittl, München

Um elf Uhr am Donnerstag beschließt das CSU-Präsidium in einer Telefonschalte, womit ohnehin jeder gerechnet hat. Einstimmig spricht sich die oberste Führungsebene der Partei für Koalitionsverhandlungen mit den Freien Wählern aus - und damit gegen die Grünen. Zu Gesprächen mit der SPD kommt es gar nicht mehr. Die Sozialdemokraten sind erst am Sonntag zu ihrer Vorstandssitzung verabredet. Zu spät ist das für Ministerpräsident Markus Söder, zu glatt liefen die Sondierungen mit den Freien Wählern. Ein Name für das neue Projekt ist auch schon gefunden: "Wir haben uns für eine Bayern-Koalition entschieden", sagt Söder.

Bayern-Koalition also, aus Sicht der CSU hat das mehrere Vorteile. Sie muss nicht befürchten, dass eine Berliner Parteizentrale in der bayerischen Landespolitik mitmischt. Es droht keine Blockadehaltung ihres Partners, wenn Entscheidungen im Bundesrat anstehen. So mancher in der CSU hatte sich ja durchaus alarmiert gezeigt, dass die erste Forderung der Grünen ausgerechnet von ihrem Bundesvorsitzenden Robert Habeck kam. "Wir wollen keine Einflussnahme auf Bayern", stellt CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer klar. Kreuzer hatte bereits im Wahlkampf ein Bündnis mit den Grünen vehement abgelehnt, er ist einer ihrer schärfsten Gegner.

Andere CSU-Unterhändler zeigen sich dagegen auch am Donnerstag noch beeindruckt von den guten Gesprächen am Tag zuvor. Hohe Sachkenntnis, klare Meinung, engagiertes Auftreten - die Grünen hätten sich besser präsentiert als erwartet. Söder sah es wohl ähnlich. Trotz aller Präferenzen für die Freien Wähler ließ er sich noch einen Tag Zeit mit seiner Entscheidung, eine schnelle Absage an die Grünen nach den überraschend konstruktiven Gesprächen hätte er als respektlos empfunden. "In der Umwelt wären wir zusammengekommen", sagt jemand aus der CSU-Delegation. Für die innere Sicherheit gilt das nicht.

Unüberwindbar hoch sind die Hürden: Die Grünen wollen Grenzkontrollen und Grenzpolizei abschaffen, die CSU will das nicht. Die Grünen fordern einen Abschiebestopp in Krisengebiete und einen Umbau der sogenannten Ankerzentren, die CSU lehnt das ab. Selbst Christsoziale, die einer schwarz-grünen Regierung etwas abgewinnen können, sehen hier keine Chance auf Einigung. Schade sei das, klagt ein einflussreicher CSU-Mann. Er denkt, dass man zu den Grünen mehr Vertrauen hätte aufbauen können als zum wahrscheinlichen Regierungspartner Aiwanger, den viele Schwarze für ein rotes Tuch halten. Sie haben nicht vergessen, wie der Freie-Wähler-Chef in der Schlussphase des Wahlkampfs Stimmung machte, als er Söder einen "Diktator" und "machtbesessen" nannte. Die CSU konterte dafür mit "Freibierwähler", weil die FW auf jede Leistung etwas draufpackten. Wie das nun werde, mit einer Freibiermentalität der neuen Regierung, wird Söder gefragt. "Wir haben keinen Wahlkampf mehr", sagt der Ministerpräsident. So gut seien die Sondierungen gewesen, dass sie nicht nur für die Regierungsarbeit tragen sollen, sondern auch als Vorbild für künftige Debatten im Landtag.

Ob dieser Vorsatz sich umsetzen lässt, dürfte nicht unwesentlich von der jüngsten Fraktion im Plenum abhängen, der AfD. Auch hier hatte Aiwanger die CSU kurz aufgeschreckt, als er einen konstruktiven Umgang mit den Rechtspopulisten forderte. Er wolle mit jeder Partei reden, sagte Aiwanger. Er rate zu einer klaren Haltung, zu einer klaren Abgrenzung, mahnte Söder am Donnerstag. Man dürfe nicht zulassen, dass sich alles um die AfD drehe. Bahnt sich da der erste Zwist zweier Unvermählter an? Er wolle der AfD keine Chance geben, um zu provozieren, korrigiert sich Aiwanger. Es brauche "keine bundespolitischen Missionen". Er wolle im Landtag aber auch eine Arbeitsatmosphäre schaffen, "dass nicht jeder den Saal verlässt". Wie Söder sieht Aiwanger hohe Schnittmengen mit dem auserkorenen Partner. An diesem Freitag beginnen die Koalitionsgespräche, Aiwanger will sie nach zehn bis 14 Verhandlungstagen abgeschlossen haben. "Wir wollen schneller, intensiver und - wenn es geht - interner verhandeln als in Berlin", sagt auch Söder. "Keine ständigen Balkonbilder" will er sehen, "keine ständigen Zwischenergebnisse" hören. "Konzentriert und sachorientiert", so wünscht er sich das. Den Vorwurf der Grünen, ihm habe es an Mut gefehlt, weist Söder zurück. "Das ist keine Frage des Mutes, sondern der Vernunft." Die Gemeinsamkeiten mit den Freien Wählern seien einfach größer, das bewiesen auch die vielen Zuschriften der Parteimitglieder, sagt CSU-Generalsekretär Markus Blume. Mit einer Spitze an die Grünen lässt Söder erkennen, dass er einem wesentlichen Wählerwunsch selbst nachkommen will. "Das Urheberrecht auf Ökologie hat nicht nur eine Partei."

An Aiwanger sollte eine grünere Politik nicht scheitern. "Wir haben einen gesunden Pragmatismus, an uns wird es nicht liegen." Im Grunde sei gemeinsames Regieren ja gar nicht so schwer: "Ich weiß, was die wollen. Die wissen, was ich will." Nur zwei Dinge sind für ihn unverhandelbar: kostenfreie Kitas und die Absage an eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen. Ist das nicht sehr leicht zu erfüllen? Aiwanger: "Das ist ja der Trick."

© SZ vom 19.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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