Franz Josef Strauß:Sonnenkönig, nicht mehr vermittelbar

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Franz Josef Strauß verdoppelte den Fest-Etat, wurde im Amt zum Multimillionär und galt als unersetzbar - doch auch ohne ihn lebt die CSU.

Kassian Stroh

Das stelle man sich einmal vor: Der Ministerpräsident und Parteichef ist im Urlaub. Zwei Wochen, irgendwo in Südfrankreich oder auf der Jagd. Eine Telefonnummer hat er nicht hinterlassen, daheim rotiert der Staatskanzleichef, weil er den Boss nicht erreicht. So war das bei Franz Josef Strauß, erzählt Ex-Finanzminister Kurt Faltlhauser. Wäre das im heutigen, hektischen Politikbetrieb möglich? "Das ist völlig undenkbar", sagt Faltlhauser.

Franz Josef Strauß war ein Mann, der Dutzende Affären überstand, von denen jede einzelne heute zum Rücktritt reichen würde. Doch seine Anhänger liebten ihn so voller Saft und Kraft, dieses ganz besondere Exemplar der bajuwarischen Kategorie "Hund samma schon". (Foto: Foto: dpa)

Es ist ja auch schwer vorstellbar, dass so jemand wie FJS heute Wahlen gewinnt, polternd und schwitzend, einmal gar betrunken live im Fernsehen. Einer mit vielen Affären, um Frauen wie Geld, der sich recht ungeniert bereicherte, einer der wenigen in Deutschland, der als Politiker zum Multimillionär wurde. Einer, der einen feudalen Hofstaat um sich scharte, der sich als eine Mischung aus Henry VIII. und Ludwig XIV. bezeichnete; der eine Herrscher gebildet, skrupellos, sechsmal verheiratet, der andere der absolutistische "Sonnenkönig".

Als Strauß 1978 Ministerpräsident wurde, erhöhte er gleich einmal den Etat für Empfänge und Festivitäten um 80 Prozent. Er ließ Gedenkmünzen von sich prägen und an die Landeskinder verteilen. Es könnte keinen größeren Unterschied geben zum Amtsinhaber Günther Beckstein.

Von den Leuten beschimpft

"Diese Zeit war viel anti-demokratischer, viel autoritärer", erinnert sich die frühere SPD-Abgeordnete Carmen König, die in den 90er Jahren zur Chefaufklärerin der Amigo-Affären wurde. 1978 kam sie in den Landtag, als 29-Jährige. "Eine Göre", sagt König. Wenn damals aber einer gehört habe, dass sie Abgeordnete sei, "sind die Leute voller Autorität vor mir zusammengezuckt".

Als sie 16 Jahre später aus dem Landtag ausschied, hätten sie die Leute beschimpft - nicht als Person, sondern als Politikerin. Zu deren schlechtem Image habe auch Strauß beigetragen. "Er war eine Figur in einer Zeit, in der die Politiker an sich Autoritäten waren." Als sie ganz selbstverständlich mit Blaulicht durch Fußgängerzonen fuhren, im Flugzeug die besten Plätze bekamen oder mal eben 100.000 Mark in die eigene Tasche steckten, wie König sagt. "Gottseidank hinterfragt die Bevölkerung das heute."

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Auch die Auseinandersetzungen sind andere. Wichtig waren damals Lagerdenken und Ideologien, die Lust am Abgrenzen und Angreifen, heute berufen sich Politiker auf Pragmatismus und Sachpolitik. Wenn CSU-Chef Erwin Huber mal das alte "Freiheit statt Sozialismus" als Wahlkampf-Slogan auspackt, muss er es ganz schnell wieder einpacken - weil er in der CSU Kopfschütteln auslöst.

Das zeigt sich auch im Verhältnis zur Opposition: Nie habe Strauß die Grünen gegrüßt, bei Veranstaltungen seien sie ignoriert worden, erinnert sich Ruth Paulig, die 1986 zur ersten Grünen-Landtagsfraktion gehörte. "Der erste offizielle Termin, zu dem wir eingeladen waren, war seine Beerdigung." Für die Grünen hatte FJS Gehässigkeiten übrig wie: "trojanische Sowjet-Kavallerie".

Heute beginnt die Empörung schon, wenn Edmund Stoiber SPD und Grünen zuruft: "50 Jahre Opposition in Bayern am Stück! Dazu sage ich Ihnen im Namen der Staatsregierung und der gesamten CSU: Herzlichen Glückwunsch! Weiter so!"

Strauß war "ein Exponent der Aufbaugeneration", sagt Landtagspräsident Alois Glück. "Das waren Pioniertypen, die einfach anpackten, oft impulsiv waren, die sich häufig aber auch schwer getan haben, sich in die Normalität von Regeln einzufügen." Ein kantiger Politiker-Typus, wie er heute nicht mehr zu finden sei, analysiert Carmen König: "Wenn heute einer kantig ist, ist er komisch - so wie Wolfgang Clement."

Goppel: "In der Politik erleben Sie immer das Gelackte"

Das liege auch "an der ständigen Darstellung in den Medien und an dem Bemühen von uns, ordentlich ins Bild gerückt zu werden", sagt Wissenschaftsminister Thomas Goppel. "In der Politik erleben Sie heute immer das Gelackte, jeder ist bemüht, gut auszusehen." Strauß sei dieses Bild egal gewesen.

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Und das gelte auch für die Sprache, sagt Goppel: "Für die Menschen wäre es heute erschreckend, wenn jemand so formulierte wie FJS. Da wäre häufig zu viel Würze im Gericht."

Und so wie sich die Anforderungen an Politiker gewandelt haben, hat sich auch die CSU gewandelt. Strauß war ihr unumstrittener Herrscher, bis kurz vor seinem Tod. Glück erinnert sich, wie noch bis in die 80er Jahre hinein die Parteizentrale dekretierte, wer wo kandidierte; heute entscheidet die Basis.

Auch bei den Bundestagslisten "war der Wille des Parteivorsitzenden das Maß aller Dinge". Bundestagsabgeordnete von einst erinnern sich daran, wie in jeder Sitzung der CSU-Landesgruppe ein von FJS entsandter Beamter mitstenographierte, so dass der Parteichef schon am nächsten Morgen von jeder Äußerung wusste. Strauß hat die Partei dominiert: durch Wissen, durch seinen Geist, durch Rhetorik, durch Netzwerke, durch offene Drohungen und Einschüchterungen auch. CSU-Vorstandssitzungen bestanden zu einem Gutteil aus langen Strauß-Monologen.

Stoiber bremste seine Rivalen aus

Doch so mächtig Strauß war, nach dem Tod verloren alle seine Machtschattengewächse an Einfluss. Nur einer setzte sich durch: Stoiber. Der brauchte aber zehn Jahre, um die beiden wichtigsten Positionen der CSU zu besetzen: Ministerpräsident und Parteichef. Da hatte er ähnlich viel Macht wie einst sein Förderer FJS.

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Das schaffte Stoiber auch, indem er sich von Strauß und seinem Politikstil absetzte und sich als Saubermann gab. Und weil er die Hinterlassenschaften der Amigo-Zeit eiskalt dazu nutzte, seine Rivalen auszubremsen.

Es ist auffällig: Auf diese beiden dominanten Anführer folgte jeweils eine Doppelspitze: Huber und Beckstein heute, Theo Waigel und Max Streibl damals. Zu viel Macht wollte die CSU wohl nicht in eine Hand legen. Und auffällig ist auch, dass nach Strauß' Tod dieselben Bedenken laut wurden wie nach Stoibers Abgang: Die CSU werde bundespolitisch bedeutungslos, werde zum Landesverband der CDU degradiert.

Damals sind diese Bedenken nicht wahr geworden. "Wer unter den Abkömmlingen wäre schon artikulationsfähig genug, um die Bierzelte des Landes oder gar die Passauer Nibelungenhalle am Aschermittwoch zu füllen?", fragte der Spiegel nach Strauß' Tod. Die Bierzelte sind noch immer voll.

Und Strauß, wie erginge es ihm heute? Er hätte "sicher große Probleme gehabt", glaubt Glück. Er würde "von den Medien ausgebremst", glaubt Goppel. Faltlhauser widerspricht: Einer wie FJS könnte auch heute nach ganz oben kommen. "Er würde sich nur anders verhalten." Weil er intelligent genug wäre, sich den neuen Zeiten anzupassen.

© SZ vom 09.08.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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