Schulpolitik:Der Neue im Klassenzimmer

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Erstmals seit Jahrzehnten kommt der Kultusminister nicht von der CSU. Lehrerverbände hoffen auf gute Zusammenarbeit

Von Anton Rainer, München

Mit einer neuen Legislaturperiode ist es ein bisschen wie mit einem neuen Schuljahr: Manche Gesichter sind neu, die Räume andere, die Stimmung irgendwie aufgeregt - schließlich haben nicht alle die Versetzung geschafft. Der Klassenlehrer könnte die Bande zusammenhalten, doch auch er ist ein Neuer, bis jetzt zwar nur inoffiziell, aber immerhin: Michael Piazolo, Professor für europäische Studien an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München und seit dieser Woche designierter Kultusminister.

Nicht nur für die Freien Wähler, die den 59-Jährigen in die Regierungskoalition schicken, ist es eine Premiere, Bayern insgesamt hat diese Konstellation noch nicht erlebt. Von den 13 Kultusministern, die im Freistaat seit 1945 regierten, stammten nur zwei nicht von der CSU: Franz Fendt (SPD) durfte kurz nach Kriegsende sein Amt bis zu den ersten freien Landtagswahlen im Dezember 1946 ausüben, August Rucker war während der Viererkoalition von 1954 bis 1957 parteiloser Minister. Ähnlich war es bei Hans Maier, dem legendären CSU-Mann, der bei seiner Berufung im Jahr 1970 weder dem Landtag noch der Partei angehörte. Das sollte sich ändern - und das Kultusministerium über viele Jahrzehnte CSU-Sache bleiben.

"Ich kann mir vorstellen, dass es der CSU nicht leichtgefallen ist, dieses Ministerium abzugeben", sagt Michael Schwägerl, "niemand bei uns ist davon ausgegangen, dass das in Bayern passiert." Schwägerl ist Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands und wie die Leiter vieler Lehrerverbände nahm er den Farbwechsel im Kultusministerium erst mal mit einer gewissen Skepsis auf: "Ich war sehr überrascht darüber, auch weil wir mit dem bisherigen Kultusminister sehr zufrieden waren." Bernd Sibler, auch er von der CSU, hatte sein Amt zwar erst mit dem Amtsantritt von Ministerpräsident Markus Söder im März übernommen, trotzdem hat er bei den Lehrern offenbar einen starken Eindruck hinterlassen. "Wir haben es mit einem weinenenden Auge wahrgenommen, dass Sibler nicht mehr Minister sein wird", sagt Ursula Lay, Vorsitzende der Katholischen Erziehungsgemeinschaft Bayern. Dass die CSU das Amt aus der Hand gibt, fand sie "schon ein bisschen irritierend", die Besetzung mit Piazolo aber immerhin schlüssig: "Er hat die besten Voraussetzungen, er ist ein echter Bildungsexperte."

Auch das gehört dazu, zu einem neuen Schuljahr, zu einer neuen Legislaturperiode: Verbunden mit den Sorgen ist die Hoffnung, bei aller Kritik schwingt bei den Lehrerverbänden sehr viel Optimismus mit. Ein Optimismus, der durch den mittlerweile unterzeichneten Koalitionsvertrag genährt wird: Das Festhalten an der Verbeamtung von Lehrkräften, das Abschaffen von Befristungen, aber insbesondere die angekündigten 1000 neuen Stellen pro Jahr lassen viele Lehrer hoffen. "Uns ging es um Kontinuität und Stabilität", sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, "es wäre nicht gut, wenn ein Neuer einfach den Schalter umlegen würde, nur weil da jetzt Freie Wähler und nicht mehr CSU draufsteht." Auch deshalb freue sie sich auf eine gute Zusammenarbeit mit Michael Piazolo, den sie für einen "intelligenten Gesprächspartner" hält. "Ob ich jetzt mit Herrn Sibler spreche oder mit Herrn Piazolo, ist für uns nicht entscheidend. Wichtig ist, dass man uns zuhört." Wichtiger auch als die "großen Versprechungen" des Parteivorsitzenden Hubert Aiwanger. Noch bis kurz vor der Landtagswahl hatte der Chef der Freien Wähler unter dem Motto "A 13 für alle" eine höhere Besoldung von Grund- und Mittelschullehrern gefordert. Im Koalitionsvertrag findet sich nun nichts davon. "Wir werden da auf jeden Fall dranbleiben", sagt Fleischmann.

Dranbleiben will auch Jürgen Böhm, Vorsitzender des Verbands Deutscher Realschullehrer, er sagt: "Die Neueinstellungen sind mir wichtig, die Realschule muss bei diesen 5000 Stellen genauso in den Fokus gerückt werden." Trotz ihrer hervorragenden Reputation würden Bayerns Realschulen noch immer die größten Klassenstärken aufweisen. Ob der neue Minister daran etwas ändern kann? Böhm sagt: "Mit Professor Michael Piazolo besitzen die Freien Wähler einen anerkannten Bildungsexperten." Er sagt aber auch: "Ich war verwundert, dass die CSU das Kultusministerium abgegeben hat", es sei ein mächtiges Amt mit großem Einfluss, auch in Berlin. Und: "Ich hätte mit Bernd Sibler weiterhin gut zusammengearbeitet." Piazolo werde sich nun schnell einarbeiten müssen und etwas Hilfe könne dabei nicht schaden: "Ich bin seit acht Jahren im Geschäft", sagt Böhm, "ich werde den neuen Minister gern unterstützen, wenn er Unterstützung braucht."

© SZ vom 07.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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