Schulen in Bayern:Nach drei Monaten zurück im Klassenzimmer

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Viele Kinder, die bislang Homeschooling hatten, durften am Montag erstmals wieder in die Schule gehen. Wie es weitergeht, ist dennoch offen. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Viele Schüler haben nach langer Zeit daheim zum ersten Mal wieder realen Unterricht - angesichts der Infektionszahlen könnte das bald schon wieder vorbei sein.

Von Anna Günther, Laufen/München

"Es war ziemlich still in der Klasse, seltsam, anders als sonst", sagt Amelie Schleypen, 18. Die Erklärung liefert die Schülersprecherin des Rottmayr-Gymnasiums in Laufen gleich mit: "In Videokonferenzen haben wir bei Fragen in die Runde viel mit Gesten gearbeitet, Daumen hoch oder runter." Das sei am Montag so geblieben, obwohl sie wieder in der Klasse saßen. Die Elftklässler reagierten, lautlos. Der Distanzunterricht hat Spuren hinterlassen. Nach drei Monaten Lernen daheim durften Schleypen und ihre Freundin Lea Zink, 17, erstmals wieder in ihre Schule gehen, die Lehrer sehen und ihre Freunde. Zink und Schleypen erzählen im Videogespräch nach Schulschluss von "aufgeregter Stimmung" und großer Freude, die Freunde wieder zu sehen, aber auch von Konzentrationsproblemen. 45 Minuten am Platz seien viele nicht mehr gewohnt.

Der Wunsch nach Schulalltag und Normalität ist nach einem Jahr Corona groß. Zink vermisst Parties und Treffen mit der dritten Freundin im Bunde, Treffen sind Corona-bedingt nur zu zweit erlaubt. Schleypen würde auch gerne wieder mit vielen Leuten etwas unternehmen, Wochenendreisen, Orchesterfahrten, Schulfeste. "Es ist so viel Zeit vergangen, Anfang September war alles normal, dann verschwimmt alles und jetzt ist das Schuljahr fast wieder zu Ende", sagt sie. "Es fühlt sich alles so gleich an", ergänzt Zink.

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Die Schülerinnen mussten im Landkreis Berchtesgadener Land schon im Herbst mit geschlossenen Schulen und Distanzunterricht klarkommen. Im Oktober war die Sieben-Tage-Inzidenz so hoch, dass Schulen zwei Wochen geschlossen wurden. Dazu erlebten sie vier Wochen Quarantäne, weil Mitschüler positiv getestet waren. Die beiden jungen Frauen sorgen sich eher um ihr Abitur im kommenden Jahr als um ihre Gesundheit. Dafür brauchen sie Noten und offene Schulen. "Aber ich habe leider die Befürchtung, dass wir nächste Woche wieder im Homeschooling sind", sagt Zink.

90 Prozent der bayerischen Schüler sollten vor Ostern wieder in die Schule gehen. Dieses Ziel gab Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) aus. Die steigenden Infektionszahlen in Bayern lassen dies bereits am Tag der landesweiten Schulöffnung wie Wunschdenken aussehen. Am vergangenen Freitag, dem Stichtag für die Schulöffnungen dieser Woche, lagen 30 von 96 Landkreisen und kreisfreien Städte über 100. Am Montag waren es erneut mehr, das Berchtesgadener Land etwa lag bei 136. Die Schulen sind offen, wohingegen sie in jenen Regionen, die am Freitag über 100 lagen, geschlossen bleiben müssen.

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Das soll Schulen "Planungssicherheit" bringen, löst aber auch Unverständnis aus. Für 360 000 von 1,64 Millionen Schülern bedeutet es, dass sie daheim bleiben. Schule gibt es nur für 74 Prozent. Und angesichts des roten Hotspot-Bandes, das sich auf der Corona-Karte des Robert-Koch-Instituts (RKI) ausdehnt, stellt sich die Frage, wie lange das noch klappt: Das RKI geht davon aus, dass die Infektionszahlen nach Ostern höher sein werden, als an Weihnachten. Mitte Dezember schlossen alle Schulen in Bayern. Lockdown Zwei.

Zwar sollen Schulen keine Treiber der Pandemie sein, aber die Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen steigen, wohl bedingt durch die aggressiveren Corona-Mutanten. Entsprechend groß ist der Unmut der Lehrerverbände. Darüber, dass nicht alle Lehrer geimpft werden, dass Schüler von Lehrern getestet werden sollen und dass Sportunterricht wieder erlaubt ist. Dabei ist der Aerosol-Ausstoß beim Sport hoch und viele Schulleiter nutzen Turnhallen als Klassenzimmer.

Sicherheit sollen den Schulen Schnelltests und Impfungen bringen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte kürzlich, dass sich jeder Schüler und Lehrer testen lassen kann. "Bayern hat 100 Millionen Tests in der Pipeline." Dazu schreibt das Kultusministerium auf seiner Internetseite: "Ob die Durchführung der Tests bereits vor den Osterferien möglich ist, entscheidet die Schule vor Ort." Von freier Entscheidung kann kaum die Rede sein: Die ersten 1,3 Millionen Selbsttests für Schulen sind noch lange nicht ausgeliefert und Regionen mit Inzidenz über 100 sind ebenso wenig eingeplant wie Schüler unter 15 Jahren.

Seine Lehrer habe er mit Selbsttests versorgt, sagt Andreas Scheungrab, Direktor der Realschule Arnstorf, eigens verpackt in verschließbare Gefrierbeutel. Die Tests kommen in Zwanzigerpacks, jeder Lehrer soll aber nur zwei pro Woche bekommen. Immerhin: Alle Tests waren negativ. "Für die Schüler habe ich keine Tests bekommen", sagt Scheungrab. Seine Realschüler waren nicht eingeplant für die erste Charge, zu jung. Ungeachtet dessen sei die Schule am Montag voll und die Stimmung gut gewesen, sagt der Schulleiter, "aber natürlich schaust du in kein Herz und keinen Kopf und keine Seele". Die Schüler sollen daher erst mal ankommen und der Schulsozialarbeiter gezielt nachfragen, wie es ihnen geht. Scheungrab spricht von einer "Gratwanderung". Über Präsenzunterricht "geht nichts, aber wenn man sich die Zahlen so anschaut, hoffe ich, dass wir überhaupt bis Ostern im Unterricht sind". Die Realschule liegt im niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn. Montags-Inzidenz: 84, aber auf der RKI-Karte umgeben von knallroten Hotspots.

© SZ vom 16.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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