Schneizlreuth:Was dem Ex-Bürgermeister von Schneizlreuth vorgeworfen wird

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Die Feuerwehrkräfte kämpften am 23. Mai 2015 in Schneizlreuth vergeblich gegen die tödlichen Flammen in dem Eventhotel. (Foto: Ferdinand Farthofer/aktivnews/dpa)
  • Im Mai 2015 sterben bei einer der schwersten Brandkatastrophen in der jüngeren bayerischen Geschichte sechs Menschen in einem Bauernhof.
  • Ein Eventveranstalter, der die Besucher dort ohne Genehmigung übernachten ließ, sitzt inzwischen seine drei Jahre Haft ab.
  • Nun erhebt die Staatsanwaltschaft auch Anklage gegen den ehemaligen Bürgermeister des Ortes.

Von Matthias Köpf, Schneizlreuth

Der "Pfarrerbauernhof", in dem im Mai 2015 bei einer der schwersten Brandkatastrophen in der jüngeren bayerischen Geschichte sechs Menschen gestorben sind und 20 teils schwer verletzt wurden, liegt keine 200 Schritte vom Schneizlreuther Rathaus entfernt, die Sicht ist frei. Ein Outdoor-Veranstalter hatte dort teils mehr als 1000 Menschen im Jahr übernachten lassen, obwohl er keine Baugenehmigung hatte und es selbst an einfachsten Brandschutzvorkehrungen fehlte.

Der frühere Bürgermeister jedoch will von all dem nichts gewusst haben, sagte er vor einem Jahr als Zeuge vor dem Landgericht Traunstein. Der Eventveranstalter sitzt inzwischen seine drei Jahre Haft ab, doch der Ex-Bürgermeister wird noch einmal vor Gericht erscheinen müssen, diesmal als Angeklagter. Die Staatsanwaltschaft Traunstein wirft nun auch ihm fahrlässige Tötung in sechs und fahrlässige Körperverletzung in 18 Fällen vor. Dazu komme eine Falschaussage vor Gericht.

Urteil
:Brand in Schneizlreuth: Eventmanager muss ins Gefängnis

Er hatte Urlauber in einem Bauernhof übernachten lassen, ohne die Brandschutzauflagen zu erfüllen.

Aus dem Gericht von Matthias Köpf

Er solle lieber gar nichts sagen, statt zu lügen, hatte ein Richter dem damaligen Zeugen schon im ersten Prozess sehr deutlich nahegelegt. Denn die Ermittler der Polizei waren im Rathaus auf eine Aktennotiz aus dem Jahr 2007 gestoßen, der zufolge es neben dem Outdoor-Veranstalter auch mindestens dem damaligen Bürgermeister und dem damaligen Geschäftsleiter der Gemeinde klar gewesen sein muss, dass es für die vielen Übernachtungen weder Genehmigungen noch Brandschutzvorkehrungen gab. Um das zu verschleiern, sollen die drei eine Absprache getroffen haben.

Der Veranstalter sollte demnach den fälligen Fremdenverkehrsbeitrag an die Gemeinde nicht nach Umsatz begleichen, sondern wie ein Kleinunternehmer über einzelne Meldezettel. Auch auf die seit 1999 vorgeschriebene Brandbeschau, die all die tödlichen Mängel im mehr als 450 Jahre alten Pfarrerbauernhof aufgedeckt hätte, hat die Gemeinde verzichtet. Im Rathaus lagen zugleich die ganzen Jahre über Prospekte für das Outdoor-Center und dessen Übernachtungsmöglichkeiten aus. Das Landratsamt hat die Genehmigungen und ein Brandschutzkonzept 2008 zwar angemahnt, sich dann aber mit der Erklärung des Veranstalters begnügt, er werde die Gäste künftig anderswo unterbringen.

Stattdessen ließ er weiterhin ganze Schulklassen im Pfarrerbauernhof schlafen, dessen Fenster teilweise vergittert waren. Auch aus dem Matratzenlager unter dem Dach gab es keinen zweiten Fluchtweg und damit kein Entkommen für die sechs Männer, als in der Etage darunter mitten in der Nacht aus ungeklärter Ursache ein Wäscheschrank in Brand geraten war. Die Beleuchtung im Matratzenlager hatte wie die Elektroinstallationen im ganzen Haus die Firma des damaligen Bürgermeisters eingebaut.

Dieser will aber vor der Katastrophe selbst viele Jahre nicht in dem Haus gewesen sein und von den Übernachtungen nie etwas bemerkt und nichts gewusst haben, weil er sein Ehrenamt als Bürgermeister nur unter der Woche vormittags ausgeübt habe. Diese Angaben aus dem ersten Prozess wirft ihm die Staatsanwaltschaft nun als uneidliche Falschaussage vor. Sie hat noch während des Prozesses neue Ermittlungen aufgenommen. Als Ergebnis bestehe gegen den früheren Bürgermeister nun der Verdacht, dass er wider besseres Wissen und entgegen seiner Dienstpflicht das Landratsamt nicht über die Verstöße im Pfarrerbauernhof informiert habe und keine Feuerbeschau vornehmen ließ. Die Ermittlungen gegen den Geschäftsleiter hat die Staatsanwaltschaft "mangels Tatnachweises eingestellt".

Zum Zeitpunkt des Brandes amtierte in Schneizlreuth schon der 2014 erstmals gewählte heutige Bürgermeister Wolfgang Simon, der nach eigenen Angaben bei seinem Amtsantritt davon ausgegangen ist, dass es mit dem seit Jahren etablierten Betrieb im Pfarrerbauernhof schon seine Ordnung haben werde. Während in Schneizlreuth zuletzt mehrere Monate lang Zimmerer und Dachdecker damit beschäftigt waren, den niedergebrannten Pfarrerbauernhof wieder herzurichten, werden Simon und seine Verwaltung bald in den Ortsteil Weißbach umziehen. Das bisherige Rathaus gibt die Gemeinde auf.

© SZ vom 20.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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