Satire:Schwarz-oronsch, oronsch-schwarz

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Die Koalition aus CSU und Freien Wählern regiert seit einem Jahr den Freistaat. Das sehr, sehr exklusive Protokoll einer Sitzung des Ministerrats im Münchner Hofgarten

Von Roman Deininger und Wolfgang Wittl

Es ist kalt im Hofgarten vor der Bayerischen Staatskanzlei. Herbstlaub fällt und leichter Regen. Im nassen Gras sind Holztische in Hufeisenform angeordnet. Das Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) tagt mal wieder unter freiem Himmel. Alle Minister sind da, nur der Platz vorne in der Mitte ist noch verwaist. Justizminister Georg Eisenreich (CSU) zieht sich eine dicke Decke über die Schultern.

Eisenreich: Hui, ist das frisch. Und der Kaffee ist auch nicht mehr warm, weil es die ganze Zeit in die Tasse regnet.

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) schnaubt verächtlich.

Aiwanger: Do geht mir das Messer in der Hose auf. Diese Großstädter haben doch völlig den Kontokt zur Natur verloren.

Eisenreich: Hat jemand ein Taschentuch?

Aiwanger: (ungeduldig) Wo ist denn jetzt Euer Obermufti?

Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) weist Aiwanger zurecht.

Herrmann: Der Herr Bundeskanzl . . ., äh, der Herr Ministerpräsident hat noch einen wichtigen Termin mit Foto-Journalisten bei den Bienenstöcken auf dem Dach der Staatskanzlei.

Aiwanger: No brovo.

Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) schützt sich vor dem Regen, indem sie ein iPad über den Kopf hält. Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) rutscht etwas nervös auf seinem Stuhl herum.

Reichhart: Also, ich muss so in einer halben Stunde weg, ich hab heut Abend noch eine kleine Verpflichtung in Günzburg.

Herrmann: Die Digitalministerin hat den Termin für die Sitzung extra in die WhatsApp-Gruppe "Kabinett" gestellt.

Gerlach: (hackt erschrocken auf ihr nasses iPad ein) Oh, ja, genau, der Termin, richtig, bei Whats-App, das haben wir gleich.

Reichhart: Heut ist Kraut- und Rüben-Fescht in Bächingen. Wenn ich da zu spät komme, wird der Alfred wieder sauer.

Ministerpräsident Söder erscheint, begleitet von Fotografen und Kameraleuten. Er legt seine Arme um den Stamm einer Hofgarten-Buche, schmiegt die Wange an die Rinde und schließt versonnen die Augen.

Fotograf: Es müsste ganz natürlich aussehen, Herr Bundeskanzler.

Söder: Das ist natürlich!

Der Regen wird stärker. Söder setzt sich auf einen der neuen Holzstühle am Kabinettstisch, Herrmann flüstert ihm etwas zu.

Herrmann: Borkenkäferholz aus den Staatsforsten, Herr Ministerpräsident, wie gewünscht.

Söder: (nickt zustimmend, erhebt sich majestätisch) Meine sehr verehrten Kolleg*innen, wir feiern heute das erste Jahr unserer schwarz-orangen Koalition . . .

(Foto: privat)

Aiwanger: Oronsch-schwarz!

Söder: Hubert?

Aiwanger: Schwarz-oronsch, oronsch-schwarz - ist doch eh alles dossölbö.

Herrmann: Herr Aiwanger, ich muss Sie doch sehr bitten.

Aiwanger: (geschmeichelt) Donke.

Söder: Jedenfalls haben wir in diesem ersten Jahr die Bienen gerettet, wir haben die Autoindustrie gerettet, wir retten den Hightech-Standort Bayern, wir retten...

Aiwanger: Die Londgosthöfe! Und die Goaßlschnolzer!

Herrmann: Wenn der Herr Bundeskanzl..., äh, der Herr Ministerpräsident spricht, dann...

Aiwanger: Wos donn?

Herrmann: Dann redet nur er. Ich darf an unsere Zusatzvereinbarung zum Koalitionsvertrag erinnern: "Mythos Söder - Statur und Stil für ein neues Jahrtausend".

Gerlach: Ist im Intranet downloadbar.

Söder: Sehr richtig, Judith! Mir ist wichtig, dass gerade die Frauen in der CSU jederzeit ihre Meinung sagen können, auch mal mutig und kontrovers. Dank und Respekt!

Söders Handy klingelt. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) ist dran.

Söder: Armin wer? Ach, Armin, klar. Sicher... Ja, ich finde auch, der Assad hat alles Nötige zu dieser Schnapsidee von der Annegret gesagt . . . Kannst dich verlassen, Armin. Wenn einer aus Nordrhein-Westfalen Kanzler wird, dann du . . . (legt auf und wendet sich wieder ans Kabinett) Also: Schwarz-Orange hat viel erreicht, aber wir müssen mit Investitionen nachlegen. Wenn ich sehe, wie viele Milliarden die Chinesen in die Flugtaxi-Entwicklung . . .

Finanzminister Albert Füracker (CSU) tippt unruhig auf seinem Taschenrechner.

Füracker: Wobei wir uns immer fragen müssen: Können wir uns das leisten?

Aiwanger: Popperlopopp.

Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) ist genervt von Aiwanger.

Kaniber: Sagen Sie, können Sie eigentlich auch normal sprechen?

Aiwanger: Das ist normol. Normol Niederbayerisch!

Kunstminister Bernd Sibler (CSU) aus dem niederbayerischen Plattling hebt den Arm.

Herrmann: Kollege Sibler hat das Wort.

Sibler: Hubert, das mag eine Kunstform sein, aber Niederbayerisch ist das nicht.

Eisenreich: (leidend) Ich geh mal rein und zieh mir ein paar trockene Sachen an.

Söders Handy klingelt. Friedrich Merz (CDU) ist am Apparat.

Söder: Friedrich, alter Gauner . . . Starkes Interview . . . Dank und Respekt . . . Genau, guter Mann, der Assad . . . Natürlich, es bleibt dabei. Wenn einer aus Nordrhein-Westfalen, dann du . . . (legt auf)

Zwölf Milliarden Euro für neue Bäume in Bayerns Innenstädten? Ministerpräsident Markus Söder und Agrarministerin Michaela Kaniber fangen schon mal mit dem Pflanzen an. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Reichhart: (will sich wegschleichen) Ich muss dann mal los nach Günzburg.

Söder: Hinsetzen, Hansi. Wenn wir jetzt sofort vier, fünf Milliarden in die Flugtaxi-Forschung stecken, kann der Herr Landrat schon 2020 in zehn Minuten vom Hauptbahnhof zum Flughafen Günzburg . . ....

Füracker: (schwitzt plötzlich) Ich möchte doch noch mal das Thema schwarze Null...

Aiwanger: Der Loschet?

Auf Söders Handy blinkt eine Nachricht auf. Ein "jensspahn80" schreibt: "Servus Alter, mal wieder einfach so quatschen?"

Herrmann: Ich halte fest, das Kabinett hat einstimmig acht Milliarden Euro für die Flugtaxi-Forschung bewilligt.

Aiwanger: Und zwei Milliorden für den Jägerverbond.

Kaniber: Das ist das erste vernünftige Wort, das ich von Ihnen höre.

Aiwanger: Donke.

Während Söder eine Antwort an Jens Spahn tippt ("Wenn einer aus Nordrhein-Westfa . . ."), klingelt sein Handy. Es ist Annegret-Kramp Karrenbauer (CDU).

Söder: Annegret, gerade erst haben wir von dir gesprochen . . . Nein, nein, keine Ambition . . . Ehrenwort . . . Genau, die sollen erst mal selber NRW in den Griff. . . Und der Assad auch, völlig richtig. . . Bis dann! (legt auf, wendet sich an Herrmann) Wer hat denn der meine Nummer gegeben?

Herrmann: (flüstert und zeigt Söder sein Handy) Noch was anderes: Neue Umfrage, die Grünen im Bund bei 48 Prozent.

Söder: (ist kurz geschockt, spricht dann entschlossen in die Runde) Weitere zwölf Milliarden Euro investiert die Staatsregierung in die Aufforstung der Innenstädte.

Füracker: Zwölf Mil-was? Innen-was?

Söder: Die Agrarministerin und ich beginnen sofort persönlich mit der Pflanzung von 4000 Bäumen auf dem Marienplatz.

Aiwanger: Ah, des sind die Setzlinge, die ihr no überhobt's von eurem Porteitog.

Herrmann: So redet man nicht mit dem Herrn Bundeskanzler!

Söder: (im Gehen zu Füracker) Verkauf' unsere Flughafenbeteiligung. Weg damit!

Kaniber: Wenn der Markus Kanzler wird, wer wird denn dann Ministerpräsidentin?

© SZ vom 02.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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