Wälder in Bayern:Der Forstminister will größere Naturwaldreservate

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Die Ammerleite im oberbayerischen Rottenbuch mit ihrem einmaligen Buchwald soll eines von sieben Naturwaldreservaten werden. (Foto: Johannes Simon)

Sie gelten als ökologischen Kronjuwelen im Staatswald. Allerdings kann es Helmut Brunner weder Gegnern noch Befürwortern Recht machen.

Von Christian Sebald, Rottenbuch

Der Waldmeister, auch Galium odoratum oder Wohlriechendes Labkraut genannt, ist den allermeisten von der Waldmeisterbowle her ein Begriff. Wer die unscheinbare, krautige Pflanze blühen sehen will, der muss in diesen Tagen hinaus in die Buchenwälder an der Ammerleite bei Rottenbuch fahren. Die Böden der hundert Meter tiefen Steilhänge zur Ammer hinab sind zurzeit überzogen vom feinen weißen, bisweilen auch bläulichen Blütenmeer des Waldmeisters, der hier überall gedeiht.

Aber nicht nur die Waldmeisterblüte ist ein herrlicher Anblick. Sondern auch der Buchenwald selbst. So hoch ragen hier schier unzählige, bis zu 220 Jahre alte Buchenriesen mit weit ausragenden, samtig hellgrün belaubten Kronendächern in die Höhe, dass sie einem das Gefühl vermitteln, sich in einer gigantischen, in mildes Halblicht getauchten Kathedrale aufzuhalten. Seit über 60 Jahren hat hier kein Waldarbeiter mehr Hand an einen Baum gelegt. Die Ammerleite zählt zu den letzten wilden Buchenwäldern in Oberbayern.

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Diese Wildheit ist der Grund, warum die Ammerleite jetzt ein Naturwaldreservat werden soll. Naturwaldreservate sind die ökologischen Kronjuwelen im Staatswald. In ihnen hat die Natur absoluten Vorrang, der Wald bleibt sich selbst überlassen. Wenn dort ein Baum gefällt wird, dann einzig aus dem Grund, dass Spaziergänger und Wanderer, aber auch Forscher sich ohne Gefahr in dem Reservat aufhalten können.

Zur Zeit gibt es 159 Naturwaldreservate in Bayern. Das winzigste ist mit 3,2 Hektar Fläche das Kleine Moor im Biosphärenreservat Röhn. Das weitläufigste ist die 450 Hektar große Reiter Alpe im Berchtesgadener Land. Alles in allem umfassen die 159 Reservate 7141 Hektar Fläche Staatswald.

Zuständig für die Naturwaldreservate ist die Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft (LWF), die Forstminister Helmut Brunner (CSU) unterstellt ist. Mit dem Grundsatz, den Wald Wald sein zu lassen, verfolgt die LWF in den Reservaten die gleiche Schutzstrategie wie die beiden Nationalpark-Verwaltungen im Bayerischen Wald und in Berchtesgaden. Freilich auf sehr viel kleineren Flächen.

Urtümliche Wälder entstehen mit der Zeit

Aber auch in den Naturwaldreservaten entstehen rasch urtümliche Wälder, wie man sie sonst nur in Nationalparks antrifft. Das gilt auch für die Ammerleite. Wer den alten Pfad unterhalb der Hangkante entlangwandert, muss immer wieder über umgestürzte Stämme hinwegsteigen. Dafür kann er alte, am Ende ihres Baumlebens stehende Buchen bestaunen, wie man sie in Wirtschaftswäldern kaum antrifft. Dazu Ulmen, Bergahornbäume, Eschen und ab und zu Wildkirschen.

Die Ammerleite ist nicht das einzige Waldstück in Bayern, das jetzt neu unter Schutz gestellt werden soll. Schon vor Monaten hat Forstminister Brunner die Förster aufgerufen, ihm Parzellen zu nennen, die Naturwaldreservate werden könnten. Oder aber Reservate anzumelden, die erweitert werden sollten. Die aktuelle Liste umfasst sieben Parzellen, die quer durch Bayern verstreut sind. Sechs sind Erweiterungen bereits vorhandener Reservate.

Darunter ist das Naturwaldreservat Schwengbrunn nahe Coburg, ein alter Eichenwald, in dem auch Buchen wachsen, mit einem Sumpfwald aus Schwarzerlen und Eschen. Das Reservat soll verdoppelt werden - auf 44,3 Hektar Fläche. Oder das Reservat Fasanerie im Münchner Norden. In ihm wachsen Stieleichen, Eschen, Hainbuchen und Sommerlinden. Derzeit umfasst er 24,1 Hektar. Bald werden es 30,2 Hektar sein. Insgesamt ergeben die neuen Reservate 223 Hektar Naturwald.

Mit den Neuausweisungen will Brunner den hohen Stellenwert demonstrieren, den die Ökologie im Staatswald genießt. "Der Schutz unserer Wälder ist zentraler Bestandteil unserer nachhaltigen Forstwirtschaft", sagt er. "Dazu zählt, dass wir einzelne, für den Naturschutz hochwertige Waldstücke komplett der Natur überlassen."

Brunners Worte sind in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen haben sich in den zurückliegenden Jahren Förster und Waldbesitzer strikt dagegen gewehrt, den Naturschutz in den Wäldern auszuweiten. Eine nachhaltige Nutzung, bei der nur so viele Bäume gefällt werden als nachwachsen, sei auch in ökologischer Hinsicht das Beste für die Wälder, lautete ihr Credo. Neue Schutzgebiete brauche es nicht.

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Zum anderen behandelte der Freistaat seine 159 Naturwaldreservate zuletzt recht stiefmütterlich. Einst peilten sie an der LWF ein Netzwerk mit 10 000 Hektar Gesamtfläche an. Von den aktuell 7141 Hektar aus gesehen ist der Abstand zu dieser Zielmarkte noch sehr groß. Aber nicht nur das. Die Ausweisungen stocken seit langem.

Seit der Jahrtausendwende gab es nur neun neue Naturwaldreservate, in den vergangenen fünf Jahren kein einziges mehr. Dabei ist Bayern mit insgesamt 2,5 Millionen Hektar Wald das waldreichste Bundesland in Deutschland. Dennoch liefen die Forderungen der Landtags-Grünen, aber auch der Umweltverbände nach neuen Naturwaldreservaten stets ins Leere.

Nun also ein Neustart. Denn die sieben Neuausweisungen sollen nach Brunners Worten nur der Anfang sein. Zwar will sich der Forstminister weder auf eine Obergrenze, noch auf einen Zeitplan und auch nicht auf eine Stückzahl festlegen. Aber er betont: "Es gibt sicher noch einige ganz besondere Wälder in unseren Staatsforsten, die Naturwaldreservate werden können."

Die Grünen wollen größere Reservate

Den Grünen-Politiker Christian Magerl, der auch Vorsitzender des Umweltausschusses ist, freut die Einsicht. "Natürlich begrüße ich es, wenn nach Jahren des Stillstands nun endlich etwas im Wald-Naturschutz vorangeht", sagt Magerl. Zugleich macht der Grünen-Politiker klar, dass ihm Brunners Initiative nicht ausreicht. "Das betrifft nicht nur die Zahl der neuen Reservate", sagt Magerl. "Sondern ihre Größe."

Die allermeisten Reservate sind aus Sicht des Grünen-Politikers viel zu klein. "Nehmen Sie zum Beispiel den hochbedrohten Habichtskauz", sagt Magerl, der ein sehr renommierter Ornithologe ist. "Der bräuchte große lichte Wald-Naturschutzgebiete von wenigstens 200 Hektar Umgriff, damit er sich bei uns wieder ausbreiten könnte." Das Gleiche gilt für viele andere hoch bedrohte Arten - gleich ob Vögel, Käfer oder Pilze.

Deshalb fordert Magerl eine Mindestgröße für Naturwaldreservate von 200 Hektar Fläche. Davon ist der Freistaat weit entfernt. Von den aktuell 159 Naturwaldreservaten erfüllen außer der Reiteralpe nur noch zwei weitere in den Bergen bei Ruhpolding diese Forderung. Und der wilde Buchenwald an der Ammerleite, der unter den aktuellen Projekten das größte ist, kommt mit 76 Hektar Umgriff nicht einmal auf die Hälfte.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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