Rottach-Egern:Prozess um brutalen Raubüberfall: "Heinz, lebst du noch?"

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  • Anfang vergangenen Jahres wurde ein Ehepaar in Rottach-Egern Opfer eines spektakulären Überfalls in der eigenen Villa.
  • Die zwei mutmaßlichen Täter sollen die über 70-jährigen Opfer brutal niedergeschlagen haben und anschließend Schmuck und Porzellan geraubt haben.

Von Andreas Salch, Rottach-Egern

Heinz J. ist ein pünktlicher Mensch. Womöglich hat ihm das das Leben gerettet. Anfang Januar vergangenen Jahres wurden der 73-Jährige und seine Frau Dagmar, 75, Opfer eines spektakulären Überfalls, bei dem zwei maskierte Männer in ihre Villa in Rottach-Egern eindrangen. Sie machten Beute im Wert von mehr als einer Million Euro.

Am Mittwoch sagte Heinz J., ein ehemaliger Unternehmer, als Zeuge vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München II aus, vor der sich die mutmaßlichen Täter seit voriger Woche verantworten müssen.

Wie der Zeuge auftritt

Heinz J. wird von seiner Tochter und seiner Anwältin Annette von Stetten begleitet. Sie vertritt den 73-Jährigen und seine Frau als Nebenkläger in dem Verfahren. Heinz J. nimmt im Zeugenstand Platz. Links und rechts neben ihm sitzen die beiden Frauen und leisten ihm Beistand.

Richter Martin Rieder scheint damit zu rechnen, einen aufgewühlten Zeugen vor sich zu haben. Er solle "in aller Ruhe" berichten, was sich zugetragen habe, sagt der Vorsitzende zu Heinz J. Doch der 73-Jährige ist auffallend gefasst. Anders seine Frau. Sie kann nicht aussagen. Sie leidet bist heute unter der Tat und sei nurmehr ein "Bündel Angst", sagt ihr Mann.

Wie er die Tat schildert

Heinz J. schildert, wie die Täter unter der Jalousie einer Terrassentüre, die nur einen Moment offenstand, blitzschnell hindurchschlüpften. Er habe seiner Frau noch zugerufen, sie solle den Alarmknopf drücken. Doch sie sei "wie gelähmt" gewesen. Dann sei er von einem der Täter, entweder Thomas W. oder sein Bruder Ingo, niedergeschlagen und mit Kabelbinder gefesselt worden. Trotzdem habe einer der beiden noch auf ihn eingetreten.

"Mir ist die Suppn aus dem Mund und aus den Augen gelaufen", sagt der 73-Jährige. Mit Suppn meint er Blut. Heinz J. ist Bayer, spricht aber mit österreichischem Akzent. Er hatte beruflich viele Jahre in dem Nachbarland zu tun.

"In der Küche war nichts mehr außer Blut", sagt J. Denn die Angeklagten hätten ihn mit dem Kopf zweimal auf den gefliesten Boden geschlagen. "Heinz, lebst du noch?", habe seine Frau geschrien. Einer der Täter hätte daraufhin der 75-Jährigen in abfälligem Ton geantwortet: "Ja, ja, der Heinz lebt noch." Auch Dagmar J., die seit Langem unter Herzrhythmusstörungen leidet, wurde mit Kabelbinder gefesselt. Dann banden die Angeklagten ihre Opfer auf zwei Stühlen fest.

Wie die Räuber vorgegangen sein sollen

Drei bis vier Stunden lang hätten Thomas und Ingo W. Schränke aufgerissen und durchwühlt. Was auch immer ihnen wertvoll erschien, nahmen sie mit , darunter den Schmuck von Heinz J.s Eltern und den seiner Schwiegereltern. Doch so roh sich die zwei auch verhalten haben sollen, in einem Punkt zeigten sie größte Sachkenntnis: Bei der Auswahl der Stücke aus der erlesenen Meißner-Porzellan-Sammlung, die Heinz J. in 30 Jahren zusammengetragen hat und die Hunderttausende Euro wert ist.

Zielsicher hätten die Angeklagten die Preziosen aus Vitrinen geholt, die "historisch interessant" seien, so J. Bei der Begutachtung des Diebesguts hätten sich die Einbecher wie "Grand Seigneurs" verhalten und jedes Stück kennerhaft betrachtet, ehe sie es in Taschen packten.

Da Heinz J. einen Tag nach dem Einbruch einen Termin in einer Kanzlei hatte, aber nicht kam, wurden die Anwälte stutzig. Sie waren es nicht gewohnt, dass ihr Mandant unentschuldigt fern bleibt oder zu spät kommt und erkundigten sich nach ihm. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 19.11.2015 / sal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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