Rechtsextreme in Nürnberg:Stadtführer vom rechten Rand

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Mehr als nur eine ideologische Nähe: Rechtsextreme aus Franken und Thüringen arbeiteten besonders eng zusammen. Hatte das Nazi-Trio bei der Vorbereitung seiner drei Morde in Nürnberg Unterstützung von ortskundigen Sympathisanten?

Jan Bielicki, Hans Leyendecker und Olaf Przybilla

Es gibt eine geografische Nähe: Nürnberg und Zwickau trennen nur etwa 206 Kilometer. Keiner der anderen sechs Tatorte der Mordserie war für die Killer der Terrorvereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) so schnell zu erreichen. An keinem anderen Ort haben sie so oft gemordet: 2000, 2001 und 2005 töteten sie Opfer im fränkischen Nürnberg.

In einem Video, in dem Paulchen Panther die Hauptrolle spielt, bekennt sich die NSU zu zahlreichen Morden. (Foto: dpa)

Und es gibt eine ideologische Nähe: "Die Szene kannte sich", sagt ein Fahnder. "Die aus dem Osten und die aus Nürnberg waren miteinander vertraut." Auch bei den sichergestellten Asservaten weisen viele Spuren nach Nürnberg. Über einen als mögliches Ziel ausgeguckten Imbiss in der Nürnberger Schlachthofstraße notierten die Mörder: "Problem Tankstelle nebenan. Türke aus Tankstelle geht in jeder freien Minute zu Reden rüber. Imbiss mit Vorraum". Hatten die Killer bei den Anschlagsvorbereitungen Stadtführer vom rechten Rand?

Die Fahnder haben dafür nur Indizien, keine Belege. So habe es zwischen der inhaftierten mutmaßlichen NSU-Mitgründerin Beate Zschäpe, etlichen Kameraden des "Thüringer Heimatschutzes" und Kameradschaften des braunen Milieus im Frankenland "enge Verbindungen gegeben", sagt ein Ermittler. Auch die Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätten "Kontakt gehabt". Es habe immer wieder Kameradschaftstreffs gegeben. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Kontakt nach dem Abtauchen des Trios 1998 nicht abriss, sondern sogar partiell noch stärker wurde: "Vermutlich sind die ganz Harten zusammengeblieben."

Am eindeutigsten war die länderübergreifende Zusammenarbeit der Rechtsextremisten aus Franken und Thüringen in Wunsiedel sichtbar: Dass durch die Kleinstadt in Oberfranken seit den neunziger Jahren Tausende von Rechtsextremisten marschierten, war nur durch die Unterstützung brauner Kader aus Ostdeutschland möglich. 2004 kamen zum "Gedenken" an das Grab des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß 4500 Rechtsextremisten - und an den Plakaten war ablesbar, dass viele davon Kameradschaften aus Ostdeutschland zuzurechnen waren.

Erst im August scheiterte der Thüringer Christian B. mit einem Versuch, einen "Gedenkgottesdienst" für Heß anzumelden. B. leitete lange das Büro des sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Peter Klose in Zwickau. Klose hatte sich, bereits bevor das Terrortrio aufflog, in seinem Facebook-Auftritt Paul Panther genannt - wie die Comicfigur, die durch das Selbstbezichtigungsvideo der Serienmörder führte.

Seit 2006 zogen die Neonazis einmal pro Monat durch die fränkische Kleinstadt Gräfenberg. Mitveranstalter dieser Märsche war Matthias F.. Er stand bis zu deren Verbot im Jahr 2004 an der Spitze der neonazistischen "Fränkischen Aktionsfront". Inzwischen ist der Fürther ein Kopf des "Freien Netzes Süd". Diesem Netzwerk gehören nach Schätzungen des Verfassungsschutzes 100 bis 150 Aktivisten an, es kann jedoch 300 bis 350 Anhänger mobilisieren - und ist eng mit der rechtsextremen Szene in München verwoben. Erst im November beteiligten sich südbayerische Neonazis, darunter der wegen seiner Anschlagspläne auf die Baustelle der Münchner Synagoge als Terrorist verurteilte Martin Wiese, an einer Kundgebung in Wunsiedel.

Dabei war auch Matthias F.. Bis vor wenigen Monaten saß der Mann, der sich die Worte "Aryan Hope" - also: Arische Hoffnung - über das linke Ohr tätowiert hat, unter anderem wegen Volksverhetzung in Haft. F. pflegte gute Kontakte in die ostdeutsche Neonazi-Szene: Er redete beim "Thüringentag" und auf dem "Fest der Völker". Organisiert wurden diese Treffen von Thüringens ehemaligem NPD-Landesvize Ralf Wohlleben, der in Untersuchungshaft sitzt, weil er der Zwickauer Terrorzelle eine Waffe verschafft haben soll.

Auch andere fränkische Neonazis ließen sich auf den Thüringer Szene-Festivals blicken. Der Zirndorfer Gerhard Ittner, ein wegen antisemitischer Tiraden gerichtsnotorischer Extremist, trat mehrmals beim "Thüringentag" auf, ehe er 2005 untertauchte und seither von Bayerns Behörden gesucht wird. Später durfte auch Tony G. bei den Neonazi-Treffen in Thüringen reden. G. hat aus einem ehemaligen Gasthof im oberfränkischen Oberprex einen Treffpunkt für Rechtsextremisten gemacht und gilt neben F. als einer der Anführer des "Freien Netzes Süd". Derzeit sitzt er in Haft.

Die Liste der Kameraden, die solche Verbindungen pflegten, könnte leicht den Umfang eines kleinen Telefonbuches annehmen. Da ist der berüchtigte André K., der ebenso wie Wohlleben und das Zwickauer Trio Mitglied der "Kameradschaft Jena" war und beim "Frankentag" im Landkreis Forchheim gesichtet wurde. Da ist die Hetzband Radikahl, die in Nürnberg gegründet wurde und deren Star Manfred W. nach Thüringen rübermachte. Aus der Nähe von Erlangen stammt Karl-Heinz Hoffmann, der Gründer der 1980 verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann.

Auch er hat im Osten neue Gefolgschaft gefunden. Und da ist noch Tino B.: Der ehemalige Vizechef der NPD in Thüringen, der das Terror-Trio aus gemeinsamen Zeiten beim "Thüringer Heimatschutz" kannte, arbeitete früher als Angestellter beim einst in Coburg ansässigen Verlag Nation Europa, der die rechtsextreme Szene mit deutschnationalem Schrifttum belieferte. Tino B. war auch noch V-Mann des thüringischen Verfassungsschutzes.

© SZ vom 09.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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