Reaktionen auf Horst Seehofer:"Plumper Populismus"

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CSU-Chef Horst Seehofer will eine Integrationspflicht in die Verfassung schreiben - und löst bei allen Parteien damit Entsetzen aus. Eine Äußerung hat nun möglicherweise auch rechtliche Folgen.

CSU-Chef Horst Seehofer ist mit seinem Vorstoß für eine Integrationspflicht von Einwanderern in der bayerischen Verfassung bereits in der Startphase gescheitert. Der Koalitionspartner FDP und die drei Oppositionsfraktionen im Landtag lehnten den Vorschlag am Donnerstag ab, so dass die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag nicht in Sicht ist. Die CSU allein hat nur 92 der 180 Sitze im Landtag.

CSU-Chef Horst Seehofer will die Bayerische Verfassung ändern - und stößt bei allen anderen Parteien im Freistaat auf Ablehnung. Auch beim Koalitionspartner. (Foto: dapd)

"Die Idee von Herrn Seehofer wird kein Vorschlag der schwarz-gelben Koalition in München", erklärte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Berlin auf Anfrage. "Seehofers Vorschlag ist ein Aschermittwochs-Spruch, der keine Aussicht auf Erfolg hat."

Seehofer hatte beim CSU-Aschermittwoch in Passau erklärt, die bayerische Verfassung solle so geändert werden, dass die Integration von Einwanderern nicht nur gefördert, sondern auch gefordert wird. Sogar wenn die FDP mit der CSU stimmen sollte, müsste immer noch eine der drei Oppositionsfraktionen im Landtag zustimmen, damit die erforderliche zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommt. Die Rolle eines Züngleins an der Waage könnten höchstens die Freien Wähler spielen, die der CSU in manchen Positionen politisch näher stehen als SPD und Grüne.

Doch auch Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger äußerte sich ablehnend. "Das ist kein unwichtiges Thema. Man braucht Fingerspitzengefühl und keinen plumpen Populismus", sagte Aiwanger. "Die Realität sieht so aus, dass die Integrationsdefizite in erster Linie auf fehlendes Personal zurückzuführen sind."

Aiwanger nannte fehlende Erzieherinnen im Kindergarten und zu wenig Lehrer in den Schulen, um den Kindern aus Einwandererfamilien Deutsch beizubringen. "Das ist nicht durch einen wohlgemeinten Satz in der Verfassung zu beheben", kritisierte der Freie-Wähler-Chef.

Leutheusser-Schnarrenberger warf Seehofer zwar nicht direkt Populismus vor - ließ aber anklingen, dass sie bei Seehofer populistische Motive sieht. "Wir sollten rational über Integrationspolitik diskutieren und nicht unter dem Vorzeichen anstehender Wahlen auf vermeintlich populäre Sprüche setzen."

SPD wirft Seehofer Rechtspopulismus vor

FDP-Landtagsfraktionschef Thomas Hacker betonte: "Eine einseitige Verpflichtung lehnen wir ab", sagte Landtagsfraktionschef Thomas Hacker. "Wir laden die CSU gerne ein, uns auf dem Weg zu besserer Integration zu folgen." Die FDP sehe die Integration "nicht als Einbahnstraße", sagte Hacker. "Beide Seiten müssen aufeinander zugehen."

Bayerns SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher wirft Seehofer "Rechtspopulismus" vor. Rinderspacher sagte, Seehofer betreibe mit seinen Äußerungen zur Integrationspolitik offensichtlich aus wahltaktischen Gründen Stimmungsmache gegen Zuwanderer. Dies sei "unanständig". Rinderspacher fügte hinzu: "Abgesehen davon ist es auch schlechter Stil, im Bierdunst eines politischen Aschermittwochs eine Verfassungsänderung vorzuschlagen, wenn man weiß, dass man eine Zweidrittelmehrheit im Landtag benötigt, und die Initiative noch nicht mal mit dem Koalitionspartner FDP abgestimmt hat." Die FDP habe "Herrn Seehofer ja bereits die rote Karte gezeigt".

Der SPD-Politiker betonte: "Jetzt bin ich wirklich gespannt, ob die CSU sich dazu durchringt, auf der Straße Unterschriften zu sammeln. Das würde das Ende der schwarz-gelben Koalition in Bayern bedeuten."

Die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth rückte Seehofer in die Nähe des 2008 gestorbenen Kärntner Rechtspopulisten Jörg Haider. "Seehofer hat in Passau den Springteufel Rechtspopulismus aus der Mottenkiste geholt", sagte die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth in Berlin. "Für den desolaten Zustand seiner Partei wird Seehofer ab jetzt voll in Haftung genommen werden. Um davon abzulenken, probt er schon mal den Koch und Haider."

Strafanzeige gegen Seehofer

Möglicherweise haben Seehofers Äußerungen zur Zuwanderungspolitik auch rechtliche Konsequenzen für den CSU-Chef. Die in Berlin erscheinende tageszeitung berichtet, der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Staatssekretär, Ulrich Kasparick habe wegen Seehofers Äußerungen zur Zuwanderungsdebatte eine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft in Passau geschickt. Der Vorwurf: Volksverhetzung.

Seehofer habe in seiner Rede gesagt, die CSU werde sich gegen eine weitere Zuwanderung in die Sozialsysteme "sträuben bis zur letzten Patrone", heißt es in dem Bericht. Mit dieser Äußerung sehe Kasparick "den öffentlichen Frieden in erheblicher Weise" gestört. Die Formulierung "bis zur letzen Patrone" erinnere an die Durchhalte-Propaganda am Ende des Zweiten Weltkriegs, wird Kasparick zitiert.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Passau sagte am Donnerstag auf dapd-Anfrage, er könne den Eingang der Strafanzeige nicht bestätigen.

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