Prozess wegen Lärm:Nähmaschinen-Inferno in Bad Aibling

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Wie laut sind drei Nähmaschinen wirklich? Silke B. fühlt sich gestört, weil ihre Nachbarin ein Nähstudio betreibt. Sie verklagt das Landratsamt Rosenheim, das den Betrieb genehmigt hat. Der Richter beendet den Streit schließlich mit einem pragmatischen Vorschlag.

In Bad Aibling wohnen die beiden Frauen zwar unter einem Dach im Doppelhaus. Silke B. und Nada K. sind trotzdem nur in Abneigung miteinander verbunden. Am Dienstag trafen sie sich in München vor Gericht, zusammen mit ihren Anwälten und Gutachtern. Der Grund: Nada K. betreibt seit einigen Jahren ein kleines Nähstudio im Erdgeschoss ihrer Haushälfte. Das missfällt Silke B.: Der Lärm der Nähmaschinen stört sie - so sehr, dass sie das Landratsamt Rosenheim verklagt hat, das den Betrieb genehmigte.

In erster Instanz bekam sie Recht: In einem reinen Wohngebiet dürfe es kein Gewerbe geben, lautete die Begründung des Gerichts. Das Landratsamt ging dagegen in Berufung: Es handle sich eben nicht um ein reines Wohngebiet. Doch selbst nach einem Ortstermin konnte nicht einwandfrei geklärt werden, ob die Näherei nun in einem Wohn- oder Gewerbegebiet liegt.

Niederfrequente Schwingungen und schwimmende Estriche

Und auch die Frage, wie laut die drei Nähmaschinen sind, ist nicht so einfach zu beantworten: Nada K. hat eigens ein Gutachten in Auftrag gegeben. Ein Ingenieur sagt vor Gericht, dass der Lärm die zulässige Grenze nicht überschreite. Silke B. hat sich auch einen Ingenieur gesucht. Er sagt: Die Messung sei nicht allgemein gültig. Der Lärm variiere - je nachdem, wo die Möbel stünden. Und dann noch die Spezialfrage: "Was, wenn sie einen neuen Estrich verlegt?"

Er spricht von Schwingungen, die an bestimmten Punkten besonders laut sind. Tatsächlich ist es am Boden und an der Wand zur Näherei lärmintensiver. Nada K.s Anwalt sagt: "Ja, wenn sie sich mit dem Kopf in die Ecke legen, wird es lauter", aber das mache man ja nicht. Silke B.s Anwalt hingegen hält es für realistisch, dass man sich "einen Stuhl in die Ecke stellt, wenn es da gemütlich ist". In der Wohnung könne es ein regelrechtes "Inferno" geben.

Nach knapp einer Stunde der Diskussion über niederfrequente Schwingungen und schwimmende Estriche schlägt der Richter eine pragmatische Lösung vor: Ob man denn einfach zusätzlich dämmen könne? Die feindlichen Nachbarinnen zeigen Einsicht: Silke B. zieht die Klage zurück, weil Nada K. verspricht, für einen besseren Lärmschutz zu sorgen. Mit dem Vergleich hat der Richter geschafft, was keiner erwartete hatte: eine Einigung. Frieden herrscht damit aber noch nicht im Bad Aiblinger Mischmaschgebiet. Die beiden Frauen würdigten sich keines Blickes.

© SZ vom 23.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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