Prozess um Heckenschütze:Angeklagter soll Anweisungen für Zeugen geschrieben haben

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  • Dreimal soll er mit einer Waffe mutwillig auf arglose Autofahrer gefeuert haben, nun steht ein Nürnberger Anwalt vor Gericht.
  • Im Prozess legte die Staatsanwaltschaft belastende Dokumente vor. Der Angeklagte soll demnach Anweisungen aus seiner Zelle heraus an Zeugen geschrieben haben.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Der Anwalt, der angeklagt ist, auf Autos geschossen zu haben, macht einen aufgeräumten Eindruck. Wenn ihm der Sachvortrag des Staatsanwalts gegen den Strich geht, schüttelt er demonstrativ den Kopf. Zumeist umspielt ein mokantes Lächeln seine Lippen. Aber sagen will der 50-Jährige nichts zu den Vorwürfen, die gegen ihn erhoben werden. Im November 2014 soll er aus dem Fenster seiner Penthouse-Wohnung 60 Schüsse mit einem Druckluftgewehr abgegeben und dabei einmal ein fahrendes und zweimal ein stehendes Auto auf der Nürnberger Südwesttangente getroffen haben. Wegen versuchten Mordes muss er sich seit Mittwoch vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht Nürnberg verantworten.

Weil der Angeklagte nichts sagen will, weder zur Sache noch zur Person, verspricht der erste von zehn anberaumten Verhandlungstagen schnell beendet zu sein. Kurz vor Mittag aber zückt der Staatsanwalt etliche Dokumente und die zumindest vorgespielte Selbstsicherheit des Angeklagten ist dahin, er wird kreidebleich. Der Staatsanwalt liest Zettel vor, die in der Zelle des Juristen entdeckt wurden, und mit denen er offenbar versuchen wollte, Zeugen zu beeinflussen, auch seine Partnerin.

Was auf den belastenden Zetteln steht

Angeblich, so steht es auf einem der Zettel, diene dem Angeklagten jede Form der Prozessverschleppung, deshalb solle eine Zeugin einen Migräneanfall vortäuschen, wenn sie in den Zeugenstand geladen werde. Seine Partnerin wird genau instruiert, was sie von der Ballerei aus dem Fenster mitbekommen haben soll: Dass nämlich der 50-Jährige immer darauf geachtet habe, dass kein Auto in Sichtweite ist, wenn er abdrücke.

Dass er seine Waffe immer auf einen Kleiderständer des Ankleidezimmers aufgelegt habe, um besser zielen zu können. Und dass er überhaupt nur Schussübungen vom dritten Obergeschoss der Wohnanlage vollzogen habe. Hauptsächlich getroffen hat der Anwalt dabei einen Markierungsstein am nördlichen Ufer des Rhein-Main-Donau-Kanals. Aber dreimal traf er, laut Anklage, mit seinen Bleigeschossen eben auch Autos.

Angeklagter war Jurist bei einem Versichungerungsunternehmen

Der angeklagte Anwalt, der angestellt war bei einem Nürnberger Versicherungsunternehmen, hat bei seiner Festnahme eingeräumt, aus dem Fenster geschossen zu haben. Das seien aber lediglich Übungen gewesen. Seine Verteidiger versuchen nun, dass diese Aussagen im Prozess nicht verwertet werden dürfen. Angeblich wurde der Anwalt, ein Volljurist mit beiden Staatsexamina, am Tag seiner Verhaftung nicht aufgeklärt, dass er festgenommen worden ist.

Weitere Anträge der Verteidigung legen nahe, dass auch andere die Schüsse auf die Autos abgegeben haben könnten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Rechtsanwalt, der zunächst in seiner Wohnung auf einen selbst gemachten Schussfang ballerte, dadurch "keine ausreichende Befriedigung" mehr empfunden und deshalb aus der Wohnung geschossen habe.

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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