Prozess: Amoklauf von Ansbach:"Schwer gestörter Mensch"

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Selten muss sich ein Angeklagter so schweren Vorwürfen stellen wie der Amokläufer von Ansbach. Die Öffentlichkeit bleibt vom Prozess ausgeschlossen - bis auf zwei Ausnahmen.

Hans Holzhaider, Ansbach

Die Tat hat öffentliches Aufsehen erregt wie kaum eine andere - von der juristischen Aufarbeitung aber bleibt die Öffentlichkeit fast vollständig ausgeschlossen. Über den Amoklauf eines 18-jährigen Schülers am Carolinum-Gymnasium in Ansbach am 17. September 2009 wird weitgehend hinter verschlossenen Türen verhandelt.

Prozessauftakt in Ansbach: Der Angeklagte erscheint vermummt im Gerichtssaal. (Foto: Foto: ddp)

Unmittelbar nach Verlesung der Anklage mussten Journalisten und Zuhörer den Sitzungssaal im Ansbacher Landgericht räumen. Sie sollen erst zur Urteilsverkündung voraussichtlich am 29. April wieder zugelassen werden.

Versuchter Mord in 47 Fällen, zweimal versuchter Totschlag, 15 Fälle von Körperverletzung, versuchte besonders schwere Brandstiftung - selten muss sich ein Angeklagter einem ähnlich schweren Vorwurf stellen.

Kurz nach Unterrichtsbeginn am dritten Schultag nach den Sommerferien war der 18-jährige Georg R., ein Schüler der 13. Jahrgangsstufe, mit einer Axt, vier Messern und fünf Molotowcocktails bewaffnet in die Schule eingedrungen, hatte gezündete Brandsätze in zwei Klassenzimmer geschleudert und die in Panik fliehenden Schülerinnen und Schüler mit der Axt angegriffen.

Eine 15-jährige Schülerin wurde lebensbedrohlich am Kopf verletzt, sie leidet bis heute unter den Nachwirkungen. Mehrere Schüler und Lehrer erlitten Brandverletzungen durch die umherspritzende brennende Flüssigkeit. Zwei kleinere Brände konnten glücklicherweise rasch gelöscht werden.

Als die Polizei anrückte, versteckte sich der Attentäter in einer Toilettenkabine, auf die Polizeibeamten, die ihn dort aufstöberten, ging er mit einem Messer los. Erst mehrere Schüsse aus einer Maschinenpistole konnten ihn stoppen.

Ein halbes Jahr danach ist Georg R. zumindest körperlich genesen; psychisch ist er nach den Erkenntnissen des Sachverständigen Götz-Erich Trott ein schwer gestörter Mensch.

Als er, von zwei Polizeibeamten flankiert, den Gerichtssaal betritt, hat er die Kapuze seines Sweatshirts weit über den Kopf gezogen und das Gesicht mit einem Schal verhüllt. Erst als die Fotografen und Kameraleute den Saal verlassen haben, legt er die Vermummung ab, schirmt sein Gesicht aber weiter mit einem Aktenhefter ab.

Der Zuschauerraum ist voll besetzt, sehr viele junge Leute wollen die Verhandlung miterleben. Noch ehe er die Personalien des Angeklagten feststellt, verkündet der Vorsitzende Richter Bernd Rösch den Gerichtsbeschluss, die Öffentlichkeit für die gesamte Dauer des Verfahrens auszuschließen. Auch unter "Berücksichtigung sämtlicher Umstände" - der Bedeutung des Falles, des überragenden öffentlichen Interesses - sei dies zum Schutz des Angeklagten nötig, um Nachteile für dessen persönliche, soziale und berufliche Entwicklung abzuwenden, trägt der Richter vor. Dieses Schutzbedürfnis werde noch dadurch erhöht, dass Georg R. mutmaßlich an einer "forensisch relevanten" psychischen Störung leide.

Nur zwei Ausnahmen gibt es vom Ausschluss der Öffentlichkeit: Der Pfleger, der Georg R. im Ansbacher Bezirkskrankenhaus betreut, und Thomas Koch, der Pressesprecher des Oberlandesgerichts Nürnberg, dürfen bleiben. Koch soll die zahlreich versammelten Journalisten von Zeit zu Zeit über den Fortgang des Prozesses unterrichten.

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