Protestcamp:Durchnässte Gegner

Lesezeit: 1 min

Viele Camp-Bewohner geben schon vor der letzten Demo auf

Von Lisa Schnell, Garmisch-Partenkirchen

In der Früh um neun Uhr verschwinden die Gipfel im Garmischer Tal hinter Nebelschwaden. Sie haben sich über dem Camp der Demonstranten festgesetzt. Am Fußweg neben der Loisach zücken Polizisten ihre Smartphones. Am letzten Tag des G-7-Gipfels machen sie noch ein paar Erinnerungsfotos. Viel ist nicht mehr übrig vom Zeltlager, nur noch ein paar bunte Tupfer in der Landschaft. Vor dem Camp verstaut eine Aktivistin im Blümchenrock ihre Sachen im Kofferraum. Die Schrift auf einem Transparent, das am Versammlungszelt lehnt, ist vor Matschflecken kaum noch zu lesen. Überall rollen die Camp-Bewohner ihre Zelte ein, stopfen die Schlafsäcke in ihre Rucksäcke.

Zeitweise übernachteten hier etwa 1500 Demonstranten, jetzt sind es vielleicht noch 100. Eigentlich war für Montag noch eine größere Demonstration durch die Innenstadt geplant, etwa 500 Teilnehmer erwartete das Bündnis Stop G 7 Elmau dafür. Am Bahnhof, von wo aus die Demo starten sollte, standen aber nicht mehr als 150 Leute. Die geplante Demonstration sagten die Veranstalter ab. Viele Gipfelgegner waren früher abgereist, weil ihre Isomatten und Schlafsäcke vom Dauerregen in der Nacht auf Sonntag durchnässt waren oder ihnen die Beine von den Wanderungen zum Sicherheitszaun weh taten. Andere sind von den Aktionen enttäuscht. Ein Camp-Bewohner, der barfuß im Schlamm steht, sagt: "Ich hätte gern mehr blockiert und den Gipfel mehr gestört." Dazu hätte es aber mehr Demonstranten gebraucht.

Dass nicht mehr gekommen sind, führt ein Sprecher der G-7-Gegner, Benjamin Ruß, auf die Voraussetzungen zurück. "Der entlegene Gipfelort beeinflusste die Mobilisierung, die sich lange hinziehenden juristischen Auseinandersetzungen um Protestcamp und Sternmarsch erschwerten unsere Vorbereitungen", sagte er. Auch dass vor dem Gipfel ein sehr negatives Bild von den Demonstranten gezeichnet wurde, habe nicht geholfen.

Die schlimmsten Befürchtungen der Polizei sind nicht eingetreten. Sie hatte mit mehr Gewalt gerechnet. "Eindeutig gewaltbereite Autonome" seien etwa 300 bis 500 Demonstranten gewesen, sagt Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer. Es habe aber keine "nennenswerten Störungen" gegeben. Er führt das auf die massive Polizeipräsenz zurück. Die G-7-Gegner meinen, der störungsfreie Ablauf habe vor allem an ihrer Friedfertigkeit gelegen. Auf der Abschlusskundgebung werden sie von einer Anwohnerin aufgerufen, sich nicht nur bei den Garmischern für ihre Gastfreundschaft sondern auch bei der Polizei zu bedanken. Sie wird ausgebuht. Was das Verhältnis von Polizei und Demonstranten angeht, ist alles beim Alten.

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: