Politik:Staatsregierung legt sich mit Bund an

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Rebellisch: Sozialministerin Kerstin Schreyer (Foto: stmas)

Das neue Familiengeld muss auf Sozialleistungen angerechnet werden - Bayern will dennoch vollständig auszahlen

Von Katja Auer, München

Die Bundesregierung bremst Ministerpräsident Markus Söder im Wahlkampf aus. Sein angekündigtes Familiengeld muss Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) zufolge auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet werden. Damit wäre es eine Sozialleistung für Besserverdiener, gerade bedürftige Familien hätten nichts davon. Die Staatsregierung hatte im Mai beschlossen, an Eltern von zwei- und dreijährigen Kindern 250 Euro pro Kind und Monat auszubezahlen, ab dem dritten Kind 300 Euro pro Monat - unabhängig vom Einkommen.

Die Staatsregierung will die Entscheidung des Bundes nicht hinnehmen und das Geld auch Hartz-IV-Empfängern überweisen. "Wir zahlen aus", sagte Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) am Freitag in München. "Und wir werden uns daran auch nicht hindern lassen." Zur Not werde es die Staatsregierung auf einen Rechtsstreit ankommen lassen.

Eine Sprecherin des Bundessozialministeriums warnte die Bayern vor einem Alleingang. Es wäre "nicht erträglich", wenn Familien auf zusätzliches Geld vertrauten "und das Geld dann nach Recht und Gesetz später wieder zurückgeben müssten", sagte eine Sprecherin. Das Ministerium will nun Kontakt zur Staatsregierung aufnehmen, "um solche Entwicklungen zu vermeiden". Von September an soll das Familiengeld ausbezahlt werden, also noch vor der Landtagswahl. Söder hatte damit in seiner ersten Regierungserklärung einen vermeintlichen Coup gelandet, von dem besonders Geringverdiener und Alleinerziehende profitieren sollten. Für das Familiengeld gab Söder ein Prestigeprojekt der CSU auf, das oft als "Herdprämie" verspottete Betreuungsgeld. Dieses legte er mit dem Landeserziehungsgeld zusammen und erfand das Familiengeld, von dem alle mehr haben sollten. Warnungen von Opposition und Wohlfahrtsverbänden, die damals schon die Anrechnung auf Sozialleistungen befürchtet hatten, wischte die CSU vom Tisch. Nun vermutet Schreyer gar Wahlkampfinteressen beim Bundessozialminister, "um der bayerischen Staatsregierung den politischen Erfolg zu missgönnen". Die Entscheidung sei nicht nachvollziehbar "und rechtlich schlichtweg falsch". Ziel sei offenbar, "einkommensschwachen Familien in Bayern die Vorteile der bayerischen Leistungen zu verwehren", sagte sie. Söder äußerte sich auf Twitter: "Der Bund muss sich sehr genau überlegen, ob er es Hartz-IV-Beziehern wieder wegnehmen will. Das wäre unsozial." Die Opposition, die das Familiengeld von Anfang an als Wahlkampfgeschenk kritisiert hatte, übte scharfe Kritik an der Staatsregierung. Diese sei das Risiko sehenden Auges eingegangen, sagte die SPD-Sozialpolitikerin Doris Rauscher. "Nun den Schwarzen Peter in Richtung Bundesarbeitsministerium zu schieben, ist absurd und entbehrt jeglicher Grundlage", sagte sie. Die SPD fordert statt des Familiengeldes eine eigene Grundsicherung für Kinder und die kostenfreie Kinderbetreuung.

Auch die Grünen sprechen sich für eine Familienförderung mit einer Kindergrundsicherung aus. Beim Familiengeld habe Söder "handwerkliche Schwächen bei der Gesetzesausfertigung billigend in Kauf genommen", weil er unbedingt noch vor der Wahl seinen Geldsegen über das Land verteilen wollte, sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze.

"Dass die Christsozialen offensichtlich nicht einmal abgeklärt haben, wie sich das Familiengeld auf die übrigen Sozialleistungen auswirkt, entlarvt diese undurchdachte Familienleistung als reines Wahlgeschenk", sagte Gabi Schmidt, die sozialpolitische Sprecherin der Freien Wähler im Landtag. Thomas Beyer, der Chef der Arbeiterwohlfahrt, mahnte beide Seiten. "Wahlkämpfereien auf dem Rücken betroffener Familien zu beenden und gemeinsam eine rechtssichere Lösung zu finden, die eine sozialpolitisch katastrophale Anrechnung auf Hartz IV-Leistungen verhindert".

© SZ vom 11.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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