Patentrecht:Krimskrams gegen kulturelles Erbe

Lesezeit: 3 min

Nach dem Spruch aus Luxemburg könnte der Freistaat von den Souvenir-Händlern Lizenzgebühren verlangen. Doch das Finanzministerium will das gar nicht. (Foto: Imago)

Neuschwanstein bleibt eine Marke, sagt das EU-Gericht. Die Souvenir-Händler sind sauer und wollen erneut klagen

Von Stefan Mayr, Augsburg

Seit mehr als zehn Jahren rangeln die Streithansln nun schon um die Neuschwanstein-Schneekugel und das Schloss-T-Shirt. Auf der einen Seite der Freistaat, auf der anderen Seite der Bundesverband Souvenir Geschenke Ehrenpreise (BSGE). Sie kämpfen nicht nur um das Plastikspielzeug und das Baumwollteil, sondern um die Frage: Darf die Bayerische Schlösserverwaltung als Verantwortliche für das königliche Märchenschloss die alleinigen Markenrechte für sich beanspruchen? Oder gehört der Begriff "Neuschwanstein" allen? Am Dienstag hat das EU-Gericht in Luxemburg ein Urteil gesprochen. Es ist nicht das erste zu diesem Thema - und wohl auch nicht das letzte.

Ausgelöst wurde das Gezerre bereits anno 2001. Damals boten findige Unternehmer auf der Internetseite www.neuschwanstein.de Informationen über das Allgäu an - und verdienten sich mit ihren Gebühren eine goldene Nase. Das passte der Schlösserverwaltung gar nicht. Sie zog wegen "Rufausbeutung" vor Gericht und fuhr einen ersten Sieg ein. Wer heute www.neuschwanstein.de eingibt, landet auf der Homepage der Schlösserverwaltung. Doch die Behörden waren gewarnt. Um weiteren Missbrauch des Namens zu verhindern, ließ der Freistaat im Jahr 2005 den Begriff "Neuschwanstein" beim Deutschen Patent- und Markenamt ins Markenregister eintragen lassen. Der Schutz ging von Schmuck- und Glaswaren über "Kopfbedeckungen, Strumpfhalter, Gürtel, Hosenträger" bis hin zu Versicherungswesen, Telekommunikationsdienstleistungen und Gesundheits- und Schönheitspflege.

Dieser Rundum-Schutz gefiel dem Bundesverband Souvenir Geschenke Ehrenpreise ganz und gar nicht. "Neuschwanstein ist ein nationales Denkmal und kein Produkt und keine Marke", wetterte der damalige BSGE-Vorsitzende Werner Nostheide. "Der Freistaat hat nicht zu entscheiden, ob ihm ein Produkt gefällt oder nicht. Wir lassen uns nicht zensieren." Mit vereinten Kräften kämpften die Krimskrams-Händler, dass die Eintragung für nichtig erklärt wird. Mit Erfolg. Zunächst ließ das Bundespatentamt die Marke 2007 wieder löschen. Diese Entscheidung wurde vom Bundespatentgericht 2011 bestätigt. Doch damit wollte sich wiederum die Schlösserverwaltung nicht abfinden. Sie rief den Bundesgerichtshof an. Und scheiterte 2012 auch dort. Wer jetzt dachte, die Angelegenheit sei ein für allemal geregelt, unterlag einem königlichen Irrtum.

Denn es gibt da noch das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), und dieses gewährte auf Antrag des Freistaates den Markenschutz - ganz im Gegensatz zum BGH. Fast logisch, dass der BSGE auch hiergegen vorging. Allerdings lehnte das EU-Markenamt in Alicante (Spanien) den Antrag auf Löschung der Marke ab. Also zog der BSGE weiter vor das EU-Gericht in Luxemburg. Die dortigen Richter wiesen nun am Dienstag die Klage des BSGE zurück und gaben dem Freistaat Bayern recht: Er darf seine Marke "Neuschwanstein" behalten.

Der BSGE argumentierte, "Neuschwanstein" bezeichne eine geografische Herkunft und sei deshalb nicht als Marke schützbar. Die Richter sahen das anders: Das Schloss sei nicht der Ort, an dem bestimmte Waren hergestellt oder Dienstleistungen erbracht würden. Damit sei der Name auch nicht als Herkunftsbezeichnung zu verstehen. Bayerns Finanzminister Markus Söder begrüßt das Urteil. "Dieser markenrechtliche Schutz sichert das kulturelle Erbe Bayerns und der Wittelsbacher vor einer kommerziellen Ausbeutung", sagte er. Dem Freistaat gehe es darum, "die Würde und den guten Ruf von Neuschwanstein zu schützen". Das Schloss sei "weltweit eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten und steht nicht nur für Bayern, sondern ganz Deutschland".

Der Freistaat könnte nun von allen Souvenir-Händlern Lizenzgebühren verlangen. Es wäre eigentlich eine märchenhafte Einnahmequelle, bei jeder Schneekugel und jedem Senfglas könnte der Freistaat mitkassieren. Doch das will das Finanzministerium nicht, wie eine Sprecherin beteuert: "Die Eintragung hatte nicht das Ziel, Geld abzuschöpfen." Ihre Kollegin von der Schlösserverwaltung betont, es gehe um den "Schutz der kultur- und identitätsstiftenden Funktion von Neuschwanstein". Die Marke sei wichtig "zur Abwehr von Benutzungen, die das Image und die Identität negativ beeinflussen".

Bernhard Bittner, Anwalt des BSGE, hadert mit dem Urteil. "Es steht diametral zum BGH", sagt er. Dadurch bestehe jetzt eine rechtliche Grauzone. Zudem könne jedermann nun den Namen anderer Sehenswürdigkeiten schützen lassen. BSGE-Geschäftsführer Klaus Derbe kündigt an, auf jeden Fall Rechtsmittel einzulegen. Die nächste Runde wird vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ausgetragen.

© SZ vom 06.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: