Oberpfalz: Künstlerobjekt:Die Demokratie braucht einen Tempel

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Ein Künstler will mitten in der Oberpfalz eine riesige Säulenhalle errichten - als Zeichen gegen die Politikverdrossenheit.

Wolfgang Luef

"Der Bau eines Tempels ist im bayerischen Baurecht eigentlich nicht vorgesehen." Das ist ein bemerkenswerter Satz. Der Bauamtsleiter des Landratsamtes in Amberg in der Oberpfalz hat ihn gesagt, ein korrekter Beamter, der sich große Mühe gab, in all seinen Regelwerken und Paragraphen eine Bestimmung zum Tempelbau zu finden. Er scheiterte.

Der Künstler Willi Koch möchte in der Oberpfalz eine griechischen Tempel errichten - als Denkmal für die Demokratie. (Foto: Foto: dpa)

Doch genau genommen ist sein Satz Teil eines raffinierten Kunstwerks, dessen Schöpfer Willi Koch heißt. Den hat es bisher wenig gekümmert, was das bayerische Baurecht zur Errichtung eines riesigen griechischen Tempels sagt. Er möchte so eine Säulenhalle unbedingt bauen, eine Glyptothek aus Beton, 30 Meter lang, 10 Meter hoch, finanziert allein aus Spenden- und Sponsorengeld.

Ein Tempel mitten in der Landschaft

Ein Denkmal für die Demokratie soll es werden, ein Zeichen gegen die Politikverdrossenheit, und ein Monument zur Erinnerung an die Schlacht von Marathon vor 2500 Jahren, auf welche die Griechen einst ihr Selbstverständnis als Demokraten aufbauten.

Das sind hohe Ansprüche, und für einen Privatmann ohne zahlungskräftigen Investor wäre ein solches Bauvorhaben selbst nahe einer Kulturmetropole - gelinde gesagt - ambitioniert. Willi Koch möchte diesen Tempel aber einfach in die Landschaft setzen, auf eine kleine Anhöhe in der nördlichen Oberpfalz, unweit des 200 Einwohner zählenden Etsdorf, das zur Gemeinde Freudenberg gehört.

Und er ist in den vergangenen neun Jahren erstaunlich weit gekommen. Koch hat den nötigen Grund inmitten von Feldern gepachtet, hat ihn zum Baugrund umwidmen lassen, einen Architekten gefunden, der seinen Tempel kostenlos plante, nun hat er auch eine Baugenehmigung erhalten. Und wenn man den 48-Jährigen fragt, was das eigentlich soll, ein griechischer Tempel in der Oberpfalz, dann grinst er nur und meint: "Fragen Sie auch einen Maler, warum er dieses oder jenes Bild malt?"

Genehmigung mit Hindernissen

Es hat ihn viel Überzeugungsarbeit gekostet, so weit zu kommen. Zwar gab es keine Protestmärsche gegen sein Projekt, keine Transparente und keine Lichterketten. Aber einige Gegner sammelten immerhin 22 Unterschriften, ein Bürger wandte sich an den Petitionsausschuss des bayerischen Landtags. Vertreter der Kirche protestierten genauso wie der Jagdverband und der Bund Naturschutz.

Koch musste einen Haftungsausschluss unterschreiben, damit keiner der umliegenden Bauern verantwortlich gemacht werden kann, wenn herumfliegendes Heu den Tempel beschmutzt. Er musste 60000 Euro Kapital in einer Stiftung parken, damit der Tempel rückstandslos beseitigt werden kann, falls er selbst dafür einmal nicht mehr sorgen könnte. Außerdem legte er Pläne für die Errichtung einer Mini-Kläranlage vor, damit die Besucher dort einen Toilette benutzen können.

Das Landratsamt Amberg fürchtete in einer schriftlichen Stellungnahme allen Ernstes, dass Kochs Bau "möglicherweise auch zur Nachahmung anregt", und der Bauamtsleiter von Amberg formulierte bei einer Bürgerversammlung eben jenen Satz: "Der Bau eines Tempels ist im bayerischen Baurecht eigentlich nicht vorgesehen."

Koch hat trotzdem alle Genehmigungen bekommen. Ein Schelm, wer daran denkt, dass all die Aufregung und die Debatten für Koch letztlich zum Gesamtkunstwerk Glyptothek gehören, dass Gegner und Befürworter allesamt unfreiwillig eine Rolle in seiner Inszenierung spielen. "Naja", sagt Koch. "Sagen wir so: Es war sehr spannend zu sehen, wie die Bevölkerung auf dieses Ufo reagiert."

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Von den einstigen Gegnern möchte heute niemand mehr etwas zu dem Projekt sagen. Der Freudenberger Bürgermeister Norbert Probst meint: "Die Kritker kommen nicht mehr aus ihrem Bau." Der CSU-Mann, der seiner Gemeinde seit 15Jahren vorsteht, erwartet von dem ungewöhnlichen Projekt zumindest ein wenig Aufwind für den Tourismus.

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Und auch ein bisschen Aufmerksamkeit für seine Gemeinde, in der ansonsten die neu gestaltete Nordic-Walking-Strecke und ein kleines Musikfestival die größten Attraktionen sind. Zwar hat Koch noch nicht ansatzweise genügend Sponsoren für seinen Bau gefunden.

"Der Willi wird's uns allen noch zeigen."

Aber dass die Säulenhalle eines Tages gebaut wird, daran hat der Bürgermeister keinen Zweifel. "Manchmal", erzählt er, "fragen mich die Leute auf der Straße: Was ist denn nun mit der Glyptothek? Kommt die überhaupt noch? Und ich sage immer: Täuscht euch nicht. Der Willi wird's uns allen noch zeigen."

Koch ist in seiner Heimatregion kein Unbekannter. In der Kreisstadt Amberg hat er aus Sponsorengeld eine 18 Meter hohe, begehbare Skulptur errichtet, den "Vesuna-Turm". Unweit davon betreibt er seit 2007 ein sehenswertes Museum zum Thema Luft. Seine christliche Kapelle aus Asphalt, die er für die Oberbayerischen Kulturtage in Altötting 2001 anfertigen ließ, steht auf einer kleinen Anhöhe nahe Etsdorf.

Am Berg gegenüber, auf der anderen Seite des Dorfes, hat Koch sein Tempel-Grundstück von einem Bauern gepachtet. Bis die Bauarbeiten beginnen, darf der Landwirt sein Feld noch nutzen - er pflanzt dort Mais an. Koch ist nun auf der Suche nach Sponsoren, die Material oder Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Oder einfach nur Geld. Für die 32 Säulen des Tempels hat er bereits "Paten" gefunden, die ihm je zwei- bis dreitausend Euro spenden. Nun will er die Bodenplatten als "Bausteine der Demokratie" verkaufen.

Udo Lindenberg als Pate

Außerdem sucht er noch mindestens zehn "Tempelpaten", die sich mit 50000 Euro beteiligen sollen. Der Rocker Udo Lindenberg hat sich bereits vor Jahren zum Paten erklären lassen. "Dem gefiel die Idee", sagt Koch. Bezahlt hat er nichts. Wer lässt schon mal eben 50000 Euro springen, damit ein Tempel in der Oberpfalz steht?

"In der Wirtschaftskrise ist das natürlich schwierig", sagt Koch. "Aber vielleicht gibt es ja Leute, die auf die nächste Yacht oder den nächsten Porsche verzichten und stattdessen hier mithelfen." Dann fährt er mit eindringlicher Stimme fort, als ob nun sein wichtigstes Argument folgen würde: "Wann hat man denn schon mal die Gelegenheit, einen Tempel zu bauen?"

Neben dem Baugrund, an einem Forstweg, hat Koch ein hölzernes Vogelhaus in Form seines Tempels an einen Baum gehängt, es ist selbstgeschnitzt. Andere Modelle stellt er seit Jahren in der heruntergekommenen Volksschule in Etsdorf aus, die ebenso lange leer steht. Gemeinsam mit Mitstreitern vom "Verein der Freunde der Glyptothek" hat er begonnen, das Haus zu renovieren.

"Die Idee mit der Demokratie finde ich toll."

Es wird noch lange dauern, bis aus dem baufälligen Gebäude das geplante Besucherzentrum für Tempel-Touristen wird. Doch auf seinem Schlüssel für die alte Schule hat Koch schon ein rotes Kärtchen angebracht, und mit Kugelschreiber "Tempelmuseum" draufgeschrieben. So schafft er Tatsachen, genau wie mit den Computer-Animationen, die er erstellen ließ.

In der virtuellen Welt stellt Koch seine Glyptothek einfach auf die grüne Wiese. Er hat eine Winteransicht erstellen lassen, in welcher der Tempel idyllisch und schneebedeckt zu sehen ist, und eine im Sommer, in der zahlreiche junge Menschen zwischen den Säulen herumspazieren. Ein gerahmter Ausdruck davon steht im Regal des Freudenberger Bürgermeisters Norbert Probst: "Die hat mir der Willi geschenkt", sagt er stolz.

Den angepeilten Eröffnungstermin im Jahr 2010 wird Koch nicht einhalten können. Zu schleppend läuft das Sammeln des Spendengeldes. Damit versäumt er das große Jubiläum: 2500 Jahre Demokratie. Dass er mit dem Kunstwerk an die Schlacht von Marathon im Jahr 490 vor Christus erinnern könnte, ist ihm aber ohnehin erst Jahre nach den ersten Planungen eingefallen: "Es hätte gut gepasst, weil das Projekt zeigt, dass man in einer Gemeinde zusammen etwas erreichen kann."

Bürgermeister Probst nickt. "Die Idee mit der Demokratie finde ich toll." Und auch wenn er noch nicht nachgelesen hat, um welche Schlacht es genau geht ("Die Freunde der Demokratie werden ja wohl gewonnen haben, oder?"), so sagt er doch etwas ziemlich Gescheites: Bei all den Bürgerversammlungen, bei denen über Kochs Tempel gestritten wurde, "da ging es hart zur Sache", da sei auch das eine oder andere böse Wort gefallen. "Und danach sind doch alle zusammen auf ein Bier gegangen. Das hat doch etwas mit Demokratie zu tun und das hat uns die Glyptothek jetzt schon gebracht."

© SZ vom 31.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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