Nürnberg:Schtonk II

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Kein Wasserschloss mit Dampfer, kein Wasserfall mit Schloss, kein Angler mit Steg, kein Henkersteg. Alles angeblich von Hitler – und sichergestellt. (Foto: Auktionshaus Weidler)

Vor einer Auktion stellt die Staatsanwaltschaft 63 angebliche Hitler-Gemälde sicher. Es gibt Zweifel an ihrer Echtheit

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Eigentlich fühlte sich das Auktionshaus Weidler zu einer "Spezialauktion Adolf Hitler" veranlasst. An diesem Samstag wollte das Haus insgesamt 31 Aquarelle, Ölgemälde und Bleistiftzeichnungen des späteren NS-Führers unter den Hammer bringen, gleich fünf Katalogseiten hatte man dafür reserviert. Der "Obere Henkersteg Nürnberg", gemalt von IHM persönlich! Auch ein weiblicher Akt, ein Blumenstillleben und allerlei anderer Kitsch sollte passendes Publikum auf den Burgberg locken. Jetzt aber taugt die Geschichte vorläufig nur noch als Nachklapp für eine Nürnberger Neuauflage von "Schtonk". Die Staatsanwaltschaft hat in dem Auktionshaus insgesamt 63 Werke mit der Signatur "A. H." oder "A. Hitler" sichergestellt. 26 Bilder davon waren für die "Spezialauktion" gedacht.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Urkundenfälschung und versuchten Betrugs, vorläufig gegen Unbekannt. Man habe den Verdacht, dass "diese Werke nicht von Hitler stammen", sondern lediglich mit Signaturen versehen wurden, sagt Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke. Auch bestehe der Anfangsverdacht, dass Anbieter die Werke dem Auktionshaus angeboten hätten "in Kenntnis, dass diese nicht von Hitler stammen". Vielen der Werke lagen vermeintliche Expertisen bei. Nun könnte es offenbar sein, dass diese das vergilbte Papier nicht wert sind, auf das sie gedruckt wurden. Echt Hitler - aber alles nur Lug und Trug? In "Schtonk" würde in diesem Moment ein ebenso ergrauter wie selbsternannter Hitler-Sachverständiger um die Ecke biegen und fragen: "Wussten Sie das nicht?"

Tatsächlich weiß man vorerst wenig. In einem ersten Schritt muss nun festgestellt werden, ob es sich um Originale handelt oder nicht, sagt die Staatsanwältin. Und falls nicht, was die "verschiedenen Einlieferer in der Besitzkette von diesem Umstand" gewusst haben. Diese Ermittlungen werden länger dauern. Die Staatsanwaltschaft musste die Werke lediglich sicherstellen, nicht beschlagnahmen, da das Auktionshaus die Werke freiwillig übergeben hat. Bis zur Klärung des Sachverhalts hat die Staatsanwaltschaft aber nicht vor, die Werke zurückzugeben.

Der Zugriff erfolgte nach einem Hinweis eines Experten. Dieser teilte mit, bei der Auktion lägen Expertisen vor, die überaus zweifelhaft sind. Bei einer Berliner Auktion waren nach Hinweisen desselben Spezialisten kürzlich schon ähnliche Bilder sichergestellt worden. Fünf Werke für die Auktion in Nürnberg stammen vom selben Einlieferer, der bereits in Berlin Bilder zum Verkauf gestellt hatte.

Angebliche Originale? Für Stephan Klingen vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München ist allein so eine Behauptung lächerlich. Wer sich selbst als Hitler-Gutachter ausgebe, sei von vornherein nicht ernst zu nehmen: "Es gibt keine Grundlagen für solche Beurteilungen", sagt Klingen, "da wird viel Schindluder getrieben". Auch die Validität des so genannten Werkverzeichnisses eines Amerikaners ist laut Klingen zweifelhaft. Ein Kriterium dieser Liste sind "Hitler-Signaturen" - nur dass keine der anderen gleiche. Dessen gänzlich ungeachtet boomt der Handel mit NS-Schmuddelkram. Man kann offenbar sehr viel Geld machen damit. "Schon aus dem Grund wird es immer mehr Fälschungen geben", befürchtet Klingen. Zumal Leute, die offenkundig betrogen wurden, wohl oft nicht zur Polizei gehen. Schon aus Scham, so einen Schund überhaupt ersteigert zu haben.

Wobei der Devotionalien-Kult bereits zu NS-Zeiten einsetzte und dies so wuchtig, dass selbst die Nazis ihn einzudämmen versuchten. Stilistisch könne man einen "echten Hitler" eben nicht erkennen, dafür fehlten einfach signifikante Charakteristika als Künstler, sagt Klingen. Hitler sei ein "ambitionierter Amateurmaler" gewesen, ohne jeden Wiedererkennungswert. Das müsse man wissen, wenn einer behaupte, etwas stamme "nachweislich" aus dessen Werk. Seriöse Auktionshäuser würden dergleichen nie versteigern.

Das Haus Weidler macht's trotzdem. Zwar hat es inzwischen reagiert und 26 Werke im Online-Katalog mit einem "Entfällt" versehen. Was wiederum sehr nach "Schtonk II" aussieht. Fünf angebliche Hitler-Aquarelle sollen aber weiter unter den Hammer kommen, sagt ein Firmensprecher. Das teuerste für 45 000 Euro. Das Haus hatte in den vergangenen Jahren mehrmals angebliche Hitlereien versteigert. Eine davon für 130 000 Euro. Auf Kritik hatte man reagiert, "Hitlers Hinterlassenschaften" seien "nun mal da". Es sei die Stadt Nürnberg, die "diesen Weg quasi" vorgehe, indem sie auf dem Ex-Reichsparteitagsgelände ebenfalls solche Hinterlassenschaften zur Schau stelle. Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly hatte die bevorstehende Auktion am Mittwoch in der SZ als "stil- und geschmacklos" kritisiert.

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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