Neues Buch:Die erste Frau auf der Guillotine

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Nachdem das Richtschwert in Bayern ausgedient hatte, wurde es im Sommer 1854 durch das Schafott ersetzt

Von Hans Kratzer, München

Am frühen Morgen des 19. August 1854 wurden auf dem Marsfeld in München drei Delinquenten hingerichtet, darunter eine Frau. Hinrichtungen waren im 19. Jahrhundert keine Seltenheit, aber dieser Fall hatte ein besonderes Gewicht. Denn erstmals kam in Bayern die Guillotine zum Einsatz. An jenem Morgen wurden kurz hintereinander eine Mordanstifterin, ihr Komplize sowie ein Raubmörder enthauptet. Das Königreich Bayern besaß damals noch keine eigene Guillotine, deshalb musste das Gerät aus Baden-Württemberg ausgeliehen werden. Das bis dahin übliche Richtschwert war nicht mehr vermittelbar, nachdem der Scharfrichter Lorenz Schellerer bei der Hinrichtung eines Mörders im Mai 1854 sieben Mal ansetzen musste, um den Kopf vom Rumpf zu trennen. Die aufgebrachte Zuschauermenge war nahe daran, den Scharfrichter zu lynchen. "Um technisch sauberer köpfen zu lassen, ordnete König Maximilian II. den Einsatz des Fallbeils an", sagt Helmut A. Seidl, emeritierter Professor für Neuere Sprachen an der Uni Augsburg. Er hat sich mit den bisher nicht erforschten Verbrechen der drei ersten Guillotine-Opfer näher befasst, die damalige Berichterstattung ausgewertet und über seine Recherchen ein schmales, aber packendes Buch verfasst.

Zwei der drei Hingerichteten waren in einen Auftragsmord verwickelt, der nach Ansicht von Pressebeobachtern "der grässlichste war, der jemals vor einem bayerischen Schwurgericht verhandelt wurde". Noch heute erschrickt man über die Brutalität, mit der in jener Zeit Menschenleben ausgelöscht wurden, oft aus Habgier. Ein Leben war nicht viel wert, geldgierige Mordbuben wurden problemlos angeworben. Das oft romantisch verklärte Bayern des 19. Jahrhunderts war in Teilen eine verrohte Gesellschaft, das zeigen Mordfälle wie jener in der Einöde Weinberg, einem heutigen Ortsteil von Obertaufkirchen (Kreis Mühldorf), sehr prägnant.

Im Frühjahr 1853 hatte der 44-jährige Peter Aschmaier in Weinberg eingeheiratet. Er hatte ein Vermögen von 1200 Gulden in die Ehe mit der schönen Hoferbin Maria Holzheier eingebracht, außerdem zahlte er den Schwiegereltern einen stattlichen Austrag. Jedoch liebte ihn seine Ehefrau nicht. Es kam zum Zerwürfnis, auch mit den Schwiegereltern. Um ihn wieder loszuwerden, nahm das Trio Kontakt mit zwei "Lumpen" aus der Umgebung auf, die sich für Geld bereit erklärten, den Aschmaier "wegzuputzen". Die Burschen, die Kammerer und Denkl hießen, wurden damals als "Leute von sehr abschreckendem Aeußern" geschildert, die gefürchtet waren.

Obwohl Maria schwanger war, verfolgte sie den Mordplan weiter. Kammerer und Denkl überfielen auftragsgemäß den heimkehrenden Aschmaier. Denkl schoss auf ihn, der Schwerverletzte rappelte sich aber wieder auf und hämmerte an die Haustür, doch seine Frau öffnete ihm nicht. Anschließend zerschmetterten ihm die Mörder die Hirnschale. Sowohl die beiden Männer als auch die Familie Holzheier lenkten in der Folge durch unbedachtes Verhalten den Verdacht auf sich. Die Holzheiers zeigten nicht die geringste Bestürzung, der Altbauer verplapperte sich im Rausch im Wirtshaus ebenso wie Denkl, der plötzlich mit Geld um sich warf.

Der Prozess vor dem Schwurgerichtshof von Oberbayern im Juni 1854 fand ein großes Interesse, auch ausländische Zeitungen berichteten. Die Angeklagten leugneten die Tat, aber Denkl hatte einem Zellengenossen alles minutiös erzählt. Maria Aschmaier gestand schließlich als einzige der fünf Angeklagten. Ihr "gutes Aussehen" wurde in allen Presseberichten hervorgehoben: "Ein hübsches Bauernweib, dem man nicht im Entferntesten ansieht, daß sie eine so schreckliche That zu begehen fähig war." Für drei Angeklagte hob König Maximilian II. das Todesurteil auf, für Maria Aschmaier und Denkl blieb es bestehen. Mit ihnen wurde der Raubmörder Georg Markreiter hingerichtet, der den Bichlerbauern Johann März aus der Jachenau getötet und ausgeraubt hatte. Kurz nach fünf Uhr morgens fuhren die Verurteilten auf zwei Armesünderwagen zur Köpfstätte. Alle drei verzagten, Denkl musste gar auf das Schafott getragen werden. Markreiter hatte vorher noch "einen kalten Blick auf die an den Straßen Stehenden geworfen". Während die Leichen weggeschafft wurden, verließ das Volk "mit sichtlich gutem Eindrucke die Richtstätte". Die Exekution war sicher und rasch vonstatten gegangen. Nur zwei Soldaten wurden "von Ueblichkeiten befallen und auf einem Sanitätswagen in das Militärhospital geschafft". Die Guillotine kam daraufhin in Amberg und in Passau zum Einsatz. Die dortigen Stadtkommissäre meldeten laut Seidl "Zweifel an der Todesstrafe an".

Helmut A. Seidl: Ein Mördertrio auf dem Schafott. Die Hingerichteten beim ersten Einsatz der Guillotine in Bayern, 6,90 Euro. ISBN: 978-3-7448-6412-1.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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