Neue Legislaturperiode:Kleines Landtags-Abc

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Das Maximilianeum: Der Ort, an dem das bayerische Parlament tagt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Wer eröffnet die erste Sitzung? Welche Partei hat die meisten Neulinge? Wie hoch ist der Frauenanteil? Bayerns Parlamentarier starten am Montag in die neue Legislaturperiode. Dazu hier ein kleines Lexikon, in dem auch zur Sprache kommt, warum sich Christian Ude gar keine Hoffnungen auf einen Wahlsieg machen durfte.

Von Frank Müller

Im Landtag wird es von diesem Montag an wieder Ernst: Mit drei Plenarsitzungen startet das Parlament in dieser Woche in die neue Legislaturperiode, am Dienstag wird Horst Seehofer wieder zum Regierungschef gewählt, am Mittwoch will er vor der CSU-Landtagsfraktion sein neues Kabinett vorstellen. Bis dahin sollen sowohl die Personalentscheidungen als auch die Veränderungen der Zuständigkeiten der einzelnen Ministerien möglichst geheim bleiben. Am Donnerstag wird das Kabinett vereidigt - wenn alles glattgeht, versteht sich. Denn der Landtag hält viele Unwägbarkeiten parat. Deswegen hier unser kleines Lexikon des bayerischen Parlamentsbetriebs:

Abgeordnete: 180 aus dem gesamten Land in die Hauptstadt entsandte Politiker, die laut bayerischer Verfassung "Vertreter des Volkes, nicht nur einer Partei" sowie "nur ihrem Gewissen verantwortlich und an Aufträge nicht gebunden" sind. Ausnahmsweise sind für 101 > CSU-Abgeordnete direkte Aufträge von Horst > Seehofer zulässig, das steht aber nicht in der Verfassung.

Barbara: Weiblicher Vorname, oft in Verbindung mit dem Zusatz "heilig" verwendet, im Landtag untrennbar mit dem Nachnamen Stamm verbunden. Sorgt als Landtagspräsidentin für familiäres Gruppengefühl, ist allerdings auf > Verwandte nicht immer gut zu sprechen.

Barbara Stamm (CSU) spricht im bayerischen Landtag während einer Pressekonferenz. (Foto: dpa)

CSU: Mehrheitspartei im Landtag mit derzeit 101 Abgeordneten, die sich reflexartig als > Herzkammer ihrer Partei sehen. Sie übernehmen aufgrund des dauerhaften Ausfalls der Fraktionen der > Opposition deren Aufgaben weitgehend mit.

Doppelspitze: Antiquiertes Führungsprinzip, das es ausschließlich in der Grünen-Fraktion gibt. Wird in der Praxis so organisiert, dass Margarete Bause immer den weiblichen Part übernimmt, wogegen der männliche ständiger Rotation unterliegt. Ähnliche Experimente in der CSU mit Edmund Stoiber/Theo Waigel oder gar Günther Beckstein/Erwin Huber haben sich nicht bewährt und werden allmählich diskret aus dem Parteiarchiv getilgt.

Erster Vizepräsident: Bedeutender Titel im Landtagspräsidium aus der Sicht seines Trägers Reinhold Bocklet (CSU). Weniger bedeutend aus Sicht praktisch aller anderen Parlamentarier, insbesondere aus der von > Barbara Stamm. Es gibt auch zweite, dritte, vierte Vizepräsidenten, die aber alle auf eine Durchnummerierung keinen Wert legen.

FDP: > Mehrheit, absolute

Gantzer, Peter Paul. Alterspräsident des Landtags, der somit die erste Sitzung am Montag eröffnet. Der 74-Jährige ist als Fallschirmspringer und Porschefahrer praktisch das personifizierte Gegenteil jeglicher Altersgrenze. Sein Gefährt parkt er besonders gerne bei sozialpolitischen Parteitagen seiner SPD direkt am Eingang.

Herzkammer: Selbstbild der CSU-Fraktion im Landtag für ihre Rolle in der Partei, das bedeuten soll, dass die Fraktion in der Rolle des Bewegers und Ideengebers ist. Zuletzt gab es an der Herzkammer jedoch einige Infarkttendenzen durch übermäßige Zuführung halblegaler Geld- und Sachleistungen (> Verwandte). Die Antreiberrolle hat in der Zwischenzeit weitgehend Horst > Seehofer übernommen, der die Herzkammerfunktion gerne mit seiner Rolle des Herzjesu-Sozialisten verknüpft.

Isar: Fluss zu Füßen des Landtags. Wird von vielen Parlamentariern bestenfalls mit dem Auto auf dem Weg nach Hause überquert.

Sonnenbad an der Reichenbachbrücke in den Münchner Isarauen (Foto: Robert Haas)

Junge Gruppe: Inzwischen auch schon etwas in die Jahre kommender Nachwuchskreis der CSU-Fraktion, der sich als Führungsreserve sieht und sich in Gestalt seiner Mitglieder Markus Blume, Oliver Jörg oder auch Albert Füracker Hoffnungen macht, nun Minister oder wenigstens Staatssekretär, vielleicht auch CSU-Generalsekretär zu werden. Wer dabei leer ausgeht, hat am Ende in der Bonusrunde noch Chancen, stellvertretender Fraktionschef zu werden. Oder er muss für immer jung bleiben.

Koalition: In der bayerischen Verfassung aus gutem Grund nicht vorkommender Begriff. Bei der Landtagswahl 2013 wurde von den Bayern eine mögliche nachhaltige Verankerung der K. im bayerischen Lebensgefühl auf Dauer verworfen.

Legislaturperiode: Amtsperiode des Parlaments, in Bayern fünf Jahre. Wird von > Seehofer gerne gleichgesetzt mit der von ihm angestrebten Amtszeit als Ministerpräsident, was aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung von der > CSU verhindert werden dürfte. Diese hat seit den Neunzigerjahren jede Amtszeit eines Regierungschefs vorzeitig beendet.

Mehrheit, absolute. Einzige der CSU angemessene Lebensform, umso heftiger angestrebt, je weniger dies nach außen zugegeben wird. Als hohe Schule gilt das Erreichen einer absoluten M. im Parlament trotz Stimmenzahlen von weniger als 50 Prozent bei der Wahl ( > X). Diese in der nun beginnenden > Legislaturperiode eingetretene absolute M. wurde ironischerweise in starkem Maße von der FDP im Wahlkampf mit herbeigeführt. Die FDP hatte als einzigen Daseinsgrund die Verhinderung einer CSU-Mehrheit angeben können, was nur 3,3 Prozent überzeugte.

Neulinge: 66 neue Parlamentarier sind unter den 180 > Abgeordneten. Ihre schwierige Aufgabe ist es, frisch zu wirken, aber nicht unerfahren. Den prozentual stärksten Zuwachs gibt es bei den Grünen, bei denen jeder zweite Mandatsträger neu ist. Das hat auch mit der Lust der Grünen an der Demontage verdienter Kräfte zu tun, die nicht wieder in den Landtag zurückgelassen wurden.

Opposition: Grundsätzlich erlaubte Praxis, im Parlament nicht der gleichen Meinung wie Regierung und Landtagsmehrheit zu sein. Wird zwar in der Verfassung als "ein grundlegender Bestandteil der parlamentarischen Demokratie" bezeichnet, in Bayern aber nicht organisiert betrieben.

Personalunion: Gegenmodell zur > Doppelspitze und ähnlichen Ansätzen. Das Prinzip der Personalunion geht davon aus, dass am besten möglichst viele Führungsposten einer Partei in einer Hand sein sollten. Wird für die CSU so verfochten von > Seehofer, aber noch idealtypischer verkörpert von Hubert Aiwanger. Er ist Bundes-, Landes- und Fraktionschef der Freien Wähler und plant möglicherweise, langfristig auch alle Landtagsmandate der FW mit sich selbst zu besetzen.

Quote: Von > Seehofer durchgesetzte Mindestbeteiligung von Frauen an CSU-Parteiämtern von 40 Prozent. Sie wird bei den Parlamentsmandaten bei Weitem nicht erreicht ( > Y).

Rinderspacher, Markus: Oppositionsführer und Fraktionschef der SPD. Hat das Problem, dass er nicht Sinderspacher heißt ( > Seehofer).

Seehofer, Horst: Setzt das seit Strauß geltende Prinzip fort, wonach die Nachnamen bayerischer Ministerpräsidenten grundsätzlich mit einem "S" anfangen. Ein zwischenzeitlicher Wechsel auf B wie Beckstein blieb eine Episode. Zu den aufmerksamsten Beobachtern dieser Linie gehört Markus Söder, Ilse Aigner dagegen hält sie für Zufall.

Themen: Zusammenfassender Begriff für politische Inhalte, die kommen und gehen. Zuletzt von Horst > Seehofer gesetzte Themen sind die längst vergessenen Bereiche Energiewende, Schuldentilgung, Bürgerbeteiligung und Eurorettung.

Ude, Christian: Am kürzesten amtierender Parlamentarier der neuen Amtsperiode, der sein Mandat noch vor dem ersten Sitzungstag zurückgibt, weil er nicht als Oppositionsführer in den Landtag einziehen will ( > Rinderspacher). Verlor die Landtagswahl gegen Horst > Seehofer unter anderem wegen seines Anfangs-Buchstabens.

Verwandte: Nur zufällig aus der Familie eines Abgeordneten stammende Mitarbeiter desselben. Gelegentlich überbezahlt oder minderjährig, aber stets legal.

Wähler: Gefragte Bevölkerungsgruppe im Jahr 2018.

X: Mathematische Größe, an der die CSU jahrelang das Ausmaß ihres Erfolgs maß ("50 Prozent plus X"). Inzwischen gilt der Lehrsatz: "50 minus X ist das neue 50 plus X".

Y-Chromosom: Genetischer Faktor mit 70-prozentiger Mehrheit im Landtag. Der Frauenanteil sank nach der Wahl auf 29,4 Prozent. Unterdurchschnittlich sind Freie Wähler und die CSU. Bei Letzterer sind nur 21 der 101 Abgeordneten weiblich.

Zwischenrufe: Sie sind erlaubt, müssen aber die Form waren. Was nicht geht, demonstrierte gegen Ende der letzten Amtsperiode Ex-Justizminister Manfred Weiß mit dem Zuruf "Halt die Klappe".

© SZ vom 07.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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