Natur:Toller Holler

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Lifestyle-Pflanze: Holunder ist wieder schwer in Mode gekommen. Auch dank des Frauengetränks "Hugo". (Foto: Claus Schunk)

Der Holunder ist wieder in - und hilft bei allerlei Wehwehchen

Von Hans Kratzer, München

Länger als üblich zieht sich in diesem Juni die Schafskälte hin. Leider drosseln die niedrigen Temperaturen die Intensität der Gerüche, welche die Natur um diese Zeit verschwenderisch verströmt. Auch das wohlige Aroma, das die Blütendolden des Holunders an lauschigen Juniabenden abgeben, leidet unter Nässe und Kälte. Schade, denn die Blütezeit neigt sich bereits dem Ende zu. Freilich, so gut der Holler auch riecht, so gering war lange Zeit seine Akzeptanz auf dem Land. Das lag aber nicht daran, dass er für versteckte Flüche herhalten muss: "Kreuzbirnbaum und Hollerstauden!" schimpfen Wutmenschen, die einen gotteslästerlichen Fluch vermeiden wollen.

Früher war ein Bauernhof ohne Hollerstauden undenkbar. An allen Zäunen und Scheunen wuchsen sie empor, und manchmal bedeckten sie sogar den Misthaufen. Vor allem seiner Heilkraft wegen hatte der Holunder an vielen Anwesen seinen festen Platz. "Zum Haus gehört eine Hollerstaude!" lautet ein alter Spruch aus jenen Zeiten, in denen man ihm sogar zutraute, Schutz vor Blitzschlag zu bieten und Krankheiten vom Vieh abzuwenden.

"Vor dem Holunderstrauch soll man den Hut abtun!" Auch dieser alte Spruch, dem die Bauern bereitwillig folgten, zeigt, welche Wertschätzung dem Holunder in Zeiten ohne Hightech-Medizin beigemessen wurde. Alle Teile des Hollerstrauchs seien heilkräftig, ist in alten Kräuterbüchern zu lesen. Bei Geschwüren, Prellungen und Verstauchungen empfiehlt es sich immer noch, frische Hollerblätter aufzulegen. Der schweißtreibende Tee von getrockneten Hollerblüten wird bei Erkältungen empfohlen. Hollerblüten können auch Kopfweh vertreiben, wenn man einen Sud mit einem Tuch auf die schmerzende Stelle legt.

Als Delikatesse gelten nach wie vor die Hollerküchl, bei deren Zubereitung Blütendolden in einen Weizenmehlteig gelegt und dann schwimmend im erhitzten Fett goldbraun gebacken werden. Trotzdem wurde der Hollerstrauch in modernen Ziergärten lange Zeit nicht mehr geduldet, er begegnete einem oft nur noch an Waldrändern und Feldrainen. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet, der Holler ist sogar in städtischen Siedlungen wieder verbreitet. Es liegt wohl daran, dass Holundersirup und Hollersaft gerade hoch im Kurs stehen. Zu den sommerlichen Modegetränken gehören heute Holundersekt sowie ein Cocktail aus Holunderblüten mit dem lustigen Namen "Hugo".

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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