Nachwuchs:Hansi kann auch anders

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(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Die Junge Union feiert ihren 70. Geburtstag. Unter ihrem Vorsitzenden Reichhart muckt sie gerne wieder auf

Von Wolfgang Wittl, München

Für den Chef kommt der Termin alles andere als gelegen. Er wird vermutlich geschlaucht sein, weil er gerade erst nach einem mehrstündigen Flug aus China zurückgekehrt sein wird. Er wird sich schicken müssen, weil er zwischendurch noch Bayerns Bischöfe trifft, obwohl die Zeit bereits drängt. Doch dass Horst Seehofer der Jungen Union einen Korb geben könnte, stand nicht zur Debatte. Seinen 70. Geburtstag feiert der CSU-Nachwuchs an diesem Samstagabend in München. Und auch wenn Seehofer vielleicht lieber daheim auf dem Sofa in Gerolfing säße - ein Besuch bei der JU gehört zur Pflicht, dafür ist sie viel zu wichtig im christsozialen Machtgefüge.

Schon die Namen der früheren Vorsitzenden zeigen, dass die JU nicht umsonst als Kaderschmiede der Partei gilt. Der frühere Ministerpräsident Max Streibl, der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel, die Ex-Minister Otto Wiesheu und Alfred Sauter, Finanzminister Markus Söder und Parteivize Manfred Weber - sie alle standen an der Spitze. "Die JU ist und bleibt der Motor der Partei", sagt Söder: "Und die Schule der CSU." Ihre Mitglieder lernen das politische Handwerkszeug, noch mehr aber lernen sie, persönliche Allianzen zu schmieden. "Das Netzwerk trägt über Generationen", sagt Söder. Anders formuliert: Die JU ist der Platz, an dem Freundschaften fürs Leben begründet werden, aber auch ewige Feindschaften.

Söder gegen Weber, dieses Duell hat durchaus Potenzial, eines Tages als eines der größeren in die CSU-Geschichte einzugehen. Begonnen hat es in der JU, als Weber Söder gegen dessen Willen nachfolgen wollte. Söder unterstützte den Gegenkandidaten, Weber setzte sich hauchdünn durch. Hätte er damals verloren, wäre es mit der Karriere womöglich schon wieder vorbei gewesen. Stattdessen überdauert die gegenseitige Abneigung.

Etwa 24 000 Mitglieder zählt die bayerische JU, nicht einmal mehr halb so viele wie zu den besten Zeiten Anfang der Achtziger, als Franz Josef Strauß Kanzler werden wollte. Die Frauen-Union ist drauf und dran, den Parteinachwuchs als größten Verband zu überholen. Trotzdem hat die JU an Bedeutung wieder zugelegt. Das liegt weniger daran, dass zwei Wahlkämpfe anstehen und die Jugend zum Plakatkleben und Klinkenputzen gebraucht wird. Sondern mehr an der inhaltlichen Ausrichtung und Wahrnehmung, für die vor allem ihr Chef Hans Reichhart zuständig ist.

Zu den Aufgaben der Jungen gehöre es, quer zu denken und den Amtsträgern in der Partei auch mal auf die Nerven zu gehen, sagt Weber. Die Kunst für den Vorsitzenden besteht darin, der JU Aufmerksamkeit zu verschaffen, dabei aber nicht zu überdrehen. Entwicklungsminister Gerd Müller, im Grunde ein besonnener Mann, hatte als JU-Chef die Todesstrafe für Drogenhändler gefordert. Reichhart gelingt dieser Spagat besser. Frech, viele Ideen - aber nicht um des Auffallens willen, sondern der Sache wegen: Reichhart habe es geschafft, die JU zu revitalisieren, sagen CSU-Politiker anerkennend.

Von der bubihaften Frisur sollte man sich so wenig täuschen lassen wie von seinem Spitznamen "Hansi". Reichhart, 34, Volljurist und Landtagsabgeordneter aus Schwaben, kann Attacke: Beim G 9 preschte er als Erster aus der Parteiführung vor, der eindeutig eine Rückkehr forderte. Bei der Listenaufstellung setzte er seine JU-Kandidaten auf aussichtsreichen Plätzen durch. Bei einer CSU-Klausur schaffte er es, Bundesinnenminister Thomas de Maizière aus der Fassung zu bringen: "Ich muss mir vom Vorsitzenden der JU nicht sagen lassen, ich hätte die Sicherheitslage verschärft", ätzte der CDU-Mann. Prügel einzustecken gehöre nun mal zu seinem Job, sagt Reichhart. Die JU werde weiter Antreiber bleiben. Die nächsten Themen: Rente und Digitalisierung.

Seehofer, der Reichhart sogar in sein Strategieteam berufen hat, zeigt sich mit der JU "rundum zufrieden, obwohl sie auch zwickt und nicht nur streichelt". Sie habe klare Positionen und sei nicht nur auf Mandate aus, "wie in besten Zeiten". Klingt fast wie nach einem lauschigen Abend auf dem Sofa.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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