Nachbarschaftsstreit:Da steht es nun, das arme Tor

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Das Objekt des Streits: Das Torhaus in Otting bewohnen die einen, es gehört allerdings dem anderen. Und die Ottinger haben das Nachsehen. (Foto: Oliver Strisch)

Im schwäbischen Otting streiten sich zwei Grundstückseigentümer um ein Torhaus - das droht derweil zu verfallen.

Von Thomas Balbierer, Otting

Wäre es im echten Leben doch nur so einfach wie in der Bundesliga. Fällt da ein möglicherweise irreguläres Tor, hält der Schiedsrichter das Spiel an und schaut sich die Szene am Spielfeldrand noch mal an. Stand der Stürmer beim Tor zum Beispiel im Abseits, zählt der Treffer nicht. So einen Tor-Beweis gibt es in der schwäbischen Gemeinde Otting nicht.

Dort streiten sich zwei Grundstückseigentümer um das sogenannte Torhaus des Schlosses. Es verbindet die Anwesen der zwei Eigentümer baulich, trennt jedoch als Grundstücksgrenze den Haupttrakt des Schlosses vom Ostflügel. Fast zwei Jahrzehnte wähnte sich das Ehepaar von Herzogenberg, Abkommen eines alten Adelsgeschlechts, als Eigentümer des Torhauses. Dominique und Jury von Herzogenberg bezahlten es, bewohnten es und waren 2015 "wie vom Donner gerührt", als der Gemeindebürgermeister ihnen mitteilte: Das Torhaus steht auf dem Nachbargrundstück. Rechtlich gehört es ihnen also gar nicht. Bürgermeister Johann Bernreuther will sich heute nicht mehr zu der Angelegenheit äußern, es handle sich um einen "Privatstreit".

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Damals, so erinnert sich Dominique von Herzogenberg, hieß es, dass es sich wohl um einen Fehler im Flurbereinigungsverfahren handeln würde. Der sei sicher schnell zu korrigieren. Ein Pfiff vom Schiedsrichter und alles wäre wieder gut. Das dachten die Herzogenbergs jedenfalls. Aber Fußball und Bürokratie sind zwei sehr unterschiedliche Spiele.

Die Angelegenheit zog weite Kreise. Das Ehepaar startete eine behördliche Tour de Force und wurde bei jedem nur denkbaren Amt vorstellig: vom Vermessungsamt, dem Amt für Ländliche Entwicklung, über das Landratsamt bis hin zum Landwirtschaftsministerium. Dort prüfte man die Sache. Und kam zu dem Ergebnis: "Die von den Eheleuten von Herzogenberg beanstandete Grenzziehung im Bereich des Torhauses ist im Flurneuordnungsverfahren Otting II ordnungsgemäß zustande gekommen." Die Grenzziehung, bestätigt das Ministerium auf Nachfrage, sei "bestandskräftig und unanfechtbar". Kein Tor für die Adelsfamilie.

Doch im Ostflügel des Schlosses reagierte man aufgebracht, wollte die Entscheidung nicht hinnehmen. Die letzte Hoffnung: Markus Söder, Ministerpräsident. Während einer Bürgersprechstunde in Augsburg schilderte Dominique von Herzogenberg Söder ihr Anliegen. Danach war sie überzeugt: Der Ministerpräsident werde dem Spuk ein Ende setzen. Der finale Tor-Beweis.

Die Rechtslage ist eindeutig

Doch auch die Staatskanzlei blieb bei der Entscheidung. Man habe die Sach- und Rechtslage "intensiv geprüft", erklärt ein Sprecher, und komme "zu keiner anderen Einschätzung" als das Landwirtschaftsministerium. Es seien aus Sicht der Staatskanzlei "keine weiteren Schritte möglich", sagt er.

In der Bundesliga würde das Spiel längst weiterlaufen, die Aufregung um die strittige Szene wäre bald vergessen. Nicht so in Otting: Die Herzogenbergs rüsten verbal auf. Von "Zwangsenteignung" spricht die Hausherrin. "Dass man in einem Rechtsstaat so etwas macht, das ist ein großer Skandal", empört sie sich und zürnt: "Der Staat ist so totalitär, so allmächtig!" Mit einer Petition an den Landtag will sie nun politischen Druck auf die Behörden ausüben.

Nachfrage bei Marwan Skot, Eigentümer des westlichen Schlossareals. Also dem Mann, dem das Torhaus nun gehört. Ihm sei behördlich bestätigt worden, dass er der rechtmäßige Eigentümer des Torhauses sei, sagt Skot. Was die Nachbarn als "Zwangsenteignung" bezeichnen, nennt er "moderne Hausbesetzung". Der Unternehmer aus Niedersachsen hatte das Grundstück in Otting 2011 auf Ebay erstanden und betreibt in dem Schloss ein Hotel. Zu dem Telefongespräch hat Skot seine Anwältin Ulrike Werner hinzugeholt. Sie sagt, es sei eine "unglückliche Situation", dass die Nachbarn das Eigentum nicht herausgeben wollen. Man erwäge eine Räumungsklage. Angebote, sich außergerichtlich zu einigen, hätten die Herzogenbergs abgelehnt. Das bestätigen diese. Sie wollen kein Geld für etwas zahlen, das sie schon einmal gekauft haben.

Im Februar trafen sich Skot und die Herzogenbergs aber trotzdem vor dem Augsburger Landgericht. Doch nicht, um ihren Nachbarschaftsstreit beizulegen. Geklagt hatten andere Ottinger, die das Torhaus täglich passieren müssen. Die Anwohner haben ein Geh- und Fahrtrecht. Sie fühlen sich durch ein massives Holzgerüst gestört, das die Herzogenbergs am Torhaus angebracht haben. Bei dem Urteil, das Anfang April erwartet wird, geht es auch um die Frage, wer denn nun für die Sanierung des Gebäudes verantwortlich ist.

Das Torhaus ist nämlich einsturzgefährdet.

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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