Nach Selbstbedienungs-Vorwürfen:Platz am Hochsitz

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Vizepräsident Thomas Schreder (links) galt lange als Jürgen Vockes Wunschnachfolger. Dagegen setzen viele Modernisierer eher auf den CSU-Landtagsabgeordneten Alexander Flierl (Mitte). Mit Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert würde ein Freier Wähler den bisher stets christsozial dominierten Jagdverband führen. (Foto: Daniel Karmann/dpa, Bianca Liebermann/oh, Matthias Balk/dpa)

Der Bayerische Jagdverband braucht einen Nachfolger für seinen umstrittenen Präsidenten Jürgen Vocke. Die meisten Anwärter halten sich noch bedeckt

Von Christian Sebald, München

Nach außen hin ist Ruhe eingekehrt im Bayerischen Jagdverband (BJV), aber nur nach außen. Denn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Jägerpräsidenten Jürgen Vocke wegen des Verdachts der Untreue und Unterschlagung dauern an. Auch die interne Aufarbeitung - es geht um die steuerfreie Aufwandsentschädigung von 5000 Euro im Monat für Vocke, die Nutzung seines Dienstwagens und anderes mehr - geht weiter. Zugleich wird immer heftiger über die Nachfolge von Vocke debattiert, der seit Ende Oktober das Präsidentenamt ruhen lässt und am Landesjägertag Ende März in Lindau abtritt. Als aussichtsreiche Anwärter für die Nachfolge gelten derzeit der langjährige BJV-Pressesprecher und Vorsitzende der oberbayerischen Jäger, Thomas Schreder, Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert (Freie Wähler) und der CSU-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der Oberpfälzer Jäger, Alexander Flierl.

Bei der Neuwahl geht es um sehr viel mehr als um eine Personalie. Der BJV und seine etwa 50 000 Mitglieder haben sich über die Vorwürfe gegen Vocke so zerstritten, dass Insider schon befürchteten, es könnte den Verband zerlegen. Der neue Präsident wird also nicht nur die gegnerischen Lager zusammenführen müssen. Sondern er wird dem BJV auch eine neue, transparente Struktur geben müssen - vor allem in finanzieller Hinsicht. "Es darf nie mehr passieren, dass uns ein Gutachter sagt, unsere Gemeinnützigkeit sei wegen dubioser Machenschaften in Gefahr", sagt ein Insider, der wegen der Streitereien nicht genannt werden will.

Nach außen hat der BJV ebenfalls Modernisierungsbedarf. "Unser Verhältnis zu den Naturschützern, dem Bauernverband und den Förstern muss besser werden", hört man dieser Tage immer wieder aus dem BJV. Als Grund für die schlechten Beziehungen wird meist der martialische Ton genannt, den die Verbandsspitze über Jahre hinweg gepflegt habe. "Natürlich müssen wir unsere Position hart vertreten, wenn es etwa um die Zahl der Abschüsse geht", sagt einer. "Aber wir sollten endlich einen sachlichen Stil pflegen."

BJV-Sprecher Schreder steht als bisher einziger offen zu seinen Ambitionen. Wie die anderen Anwärter ist er leidenschaftlicher Jäger, was natürlich Grundvoraussetzung für das Amt ist. Auch fachlich gilt der 53-jährige Wildbiologe als sehr versiert. Und es dürfte wenige geben, die den BJV so gut kennen wie Schreder - er ist seit 17 Jahren BJV-Sprecher und seit 13 Jahren Geschäftsführer der Verbandstochter BJV Service GmbH. Genau das ist aber sein Problem. Schreder war viele Jahre nah dran an Vocke, der scheidende Präsident hat ihn sogar lange als seinen Wunschnachfolger gehandelt. Schreder hält dagegen, dass er als Geschäftsführer der BJV Service GmbH und als Pressesprecher "von den Abläufen im Präsidium weit weg war".

Wirtschaftsstaatssekretär Weigert hat sich bisher nur in einer Lokalzeitung erklärt. "Ich lehne das nicht ab, das ehrt mich", sagte der Diplomkaufmann und langjährige Landrat von Neuburg-Schrobenhausen da. Weigert hätte sehr gute Aussichten, heißt es allgemein. Zwar galt der Jagdverband bislang als ausgesprochene CSU-Domäne. Inzwischen sympathisieren aber immer mehr Jäger mit den Freien Wählern. Ein Grund: Der FW-Chef und leidenschaftliche Jäger Hubert Aiwanger hofiert den BJV wie kein zweites Mitglied der Staatsregierung. Einziges Problem für Weigert dürfte sein, dass er Staatssekretär ist. Bislang herrscht die Übereinkunft im Kabinett, dass sich ein Posten in der Staatsregierung und ein Führungsamt in einem Lobbyverband ausschließen.

Bei den Modernisierern im BJV hoffen viele auf den CSU-Abgeordneten Flierl. Der Rechtsanwalt aus Schwandorf gehört dem Landtag seit 2013 an. Außerdem ist er Chef der Teichgenossenschaft Oberpfalz. Flierl gilt als einer, der im BJV-Präsidium maßgeblich die Aufklärung der Vorwürfe gegen Vocke vorantreibt. Der 49-Jährige hat den Ruf, ein in der Sache harter, aber im Ton ausgleichender Verhandler zu sein. "Das sind zentrale Eigenschaften, wenn es darum geht, dass wir uns neu positionieren", heißt es, "und zwar auch gegenüber den Naturschutzorganisationen, dem Bauernverband und der Forstverwaltung." Flierls Mandat im Landtag wird von seinen Anhängern nicht als Hindernis gesehen. Im BJV war es viele Jahre Brauch, dass Vocke zugleich Präsident und Landtagsabgeordneter war.

© SZ vom 09.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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