Nach der Einigung:Rückendeckung für Seehofer

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CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer am Tag nach der Einigung mit der Kanzlerin. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

CSU-Kommunalpolitiker begrüßen einhellig die Beschlüsse zur Asylpolitik. Nur der harte Ton in der Auseinandersetzung unter den Schwesterparteien stört

Was haben die dramatischen Tage für die CSU gebracht? Vor allem Kommunalpolitiker, auch aus der Grenzregion, äußern sich zustimmend zu den geplanten Zurückweisungen und Transitzonen:

Der Passauer CSU-Kreischef Raimund Kneidinger findet, dass die Einigung mit der CDU "jetzt eine gute Lösung ist". Schon 2015 habe er gesagt, dass die Transitzentren "notwendig wären, um wieder geordnete Verhältnisse an der Grenze herzustellen". War der lange Streit in der Union also überflüssig, wenn man bedenkt, dass die Idee der Transitzentren bereits drei Jahre alt ist? Nein, findet Kneidinger, "man sieht ja an den Umfragen, wie gespalten unsere Bevölkerung beim Thema Asyl ist. Deswegen war es vernünftig, zu diskutieren". Für fragwürdig hält er, "in welcher Härte" die Diskussion geführt wurde. Etwas ratlos klingt Kneidinger auch, wenn man ihn nach der Umsetzbarkeit der Transitpläne fragt. Er könne sich etwa ehemalige Bundeswehrkasernen vorstellen, "wo die Infrastruktur da ist". In der Passauer Grenzregion gebe es da allerdings wenige Möglichkeiten. Kneidinger hält es für denkbar, die Zentren im Landesinneren einzurichten.

Lothar Venus, Zweiter Bürgermeister in Wegscheid, sieht das anders. Ein Transitzentrum könne "nur unmittelbar an der Grenze liegen". Er sagt auch: "Die Flächen an der Grenze sind da." Schon 2015 habe er einen Standort für ein Transitzentrum in Wegscheid ins Spiel gebracht. "Das größere Thema" sei, ob es etwa bei Bundespolizei und Bamf genug Personal gebe, um die Transitzentren zu betreiben. Grundsätzlich aber hält Venus die Zentren für eine gute Idee, um ein "ordnungsgemäßes Verfahren" herzustellen und "ein Angebot" für jeden, der "ordnungsgemäß Anspruch auf Asyl hat". Illegale Einwanderer würden die Zentren wiederum abschrecken, glaubt Venus. "Sie hätten eine Signalwirkung, dass Deutschland nicht das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist."

Auch der Passauer Landrat Franz Meyer sagt über die geplanten Transitzentren, er sei "froh, dass geltendes Recht wieder zum Einsatz kommt". Dass Österreich ein Abkommen ablehnt, glaubt Meyer nicht. "Ich bin zuversichtlich, was die Gespräche mit Österreich betrifft." Es gehe nun darum, "dass bestehende Einrichtungen an der Gesamtstrecke der grünen Grenze in Augenschein genommen werden", in denen Transitzentren eingerichtet werden könnten. Alles andere müsse zunächst "intensiv erörtert" werden.

Der Altöttinger Landrat Erwin Schneider glaubt, dass die Zuspitzung in der Nacht auf Dienstag zwar notwendig war, aber wohl nicht das Ende des Konflikts der CSU mit der Kanzlerin markiert, sondern womöglich erst den Anfang. "Es wird noch viele Auseinandersetzungen geben müssen", sagt Schneider, denn "in Wirklichkeit ist das Thema natürlich auch damit nicht geregelt". Das Asylrecht ist nach Schneiders Worten "für eine Völkerwanderung nicht geschaffen worden" und funktioniere angesichts des weiteren Zustroms auch nicht, weil unabhängig von Anerkennung oder Abschiebebescheid kaum jemand das Land verlassen müsse. "Entweder wir regeln das noch oder die Bürger werden es bei der Wahl entscheiden", warnt Schneider. Im Landkreis Altötting könne man mit vorübergehenden Grenzschließungen zwar leben, auf Dauer müsse man aber zu den offenen Binnengrenzen des Schengener Abkommens zurückkehren.

Im Berchtesgadener Land, das spätestens 2015 einer der Hauptschauplätze der Flüchtlingskrise geworden ist, wird es nach der Erwartung von Landrat Georg Grabner wohl auch eines der Transitzentren geben müssen. Am festen Autobahn-Kontrollposten am Walserberg und bei den immer dichteren Stichproben an den vielen kleineren Übergängen würden weiterhin viele illegale Immigranten aufgegriffen, es gebe bereits zahlreiche Zurückweisungen und bei erneuter Einreise Gerichtsverhandlungen und Gefängnisstrafen. Genaueres über die Transitzentren, etwa über Größe, Betreiber, Bedingungen und Bewachung wisse derzeit aber niemand. "Wir harren der Dinge", sagt Grabner. Ein komplettes Dichtmachen aller Übergänge einschließlich der grünen Grenze hält Grabner aber ohnehin für unrealistisch.

Gerold Noerenberg, Oberbürgermeister von Neu-Ulm, hat großes Verständnis für Seehofers Manöver. Er sagt: "Ich habe das nie als Rücktrittsdrohung empfunden, sondern eigentlich als konsequenten Schritt. Wenn ich in solchen Situationen der Meinungsverschiedenheit mit der Kanzlerin keine Einigung finde, dann ist es in meinen Augen nur vernünftig zu sagen: Dann eben nicht." Der Unionsstreit hinterlässt bei ihm einen Nachgeschmack: Da sei leider von allen Seiten sehr stark mit Emotionen gearbeitet worden, und das sei in der Politik immer schlecht.

Tobias Paintner, CSU-Geschäftsführer des Bundeswahlkreises Kempten-Lindau-Oberallgäu, der anfangs noch voll Seehofers Kurs im Asylstreit mitgetragen hat, tut sich mittlerweile schwer bei der Frage, ob der CSU-Parteichef auch die richtige Strategie eingeschlagen hat. "Streit kommt in der Bevölkerung immer negativ an", sagt er. Er befürchtet, dass sowohl die CDU als auch die CSU nach dieser Auseinandersetzung mit "Einbußen" zu rechnen haben. Die Einigung zwischen Seehofer und Merkel sende die Botschaft, "dass es nun wieder um Sachthemen geht und nicht nur um Personen und Befindlichkeiten".

Martin Sailer, Landrat im Kreis Augsburg, ärgert sich, dass CSU und CDU so viel Zeit verspielt haben: "Der Weg zu diesem Kompromiss war schwierig, war steinig, aber er hätte schon vor zwei Jahren beschritten werden können", sagt er. Dass man sich nun dermaßen habe verbiegen müssen, um zu einer Lösung zu kommen, hätten Seehofer und Merkel "mit ein bisschen guten Willen auf beiden Seiten" verhindern können, ist er sich sicher. "Insgesamt hat uns die Diskussion und die Art und Weise, wie da miteinander oder auch nicht miteinander gesprochen wurde, nicht gut getan", schiebt Sailer nach. Bei Terminen als Landrat habe er durchaus von Bürgern Unverständnis über diesen Politikstil erfahren. "Aber auch Erleichterung", dass dieser Streit zumindest vorläufig beendet zu sein scheint.

Marcus König, CSU-Fraktionschef im Nürnberger Stadtrat, kommt gerade von einer Firmenbesichtigung und ist frustriert. Nicht etwa, weil es der Firma so dreckig ginge, im Gegenteil: Das Unternehmen weiß gar nicht, wie es all die Aufträge bewältigen soll. König ist frustriert, weil irgendwie alle frustriert sind und permanent über eine angebliche Krise reden, wo doch kein Anlass dafür bestünde. "Wir verkaufen uns unter Wert", klagt er. Politik werde für Bürger gemacht, momentan aber müsse der Wähler den Eindruck bekommen, "dass sich da gerade die Prinzipien verschoben haben". Es wirke so, als ginge es nur noch um ein Thema - und zwei Politiker. "Damit machen wir alles kaputt", sagt König.

© SZ vom 04.07.2018 / kpf, gla, dm, prz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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