München:Schwer vorhersagbar

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Kein Stein auf dem anderen: Manfred Haas vor den Trümmern seiner Halle in Gebenhofen, die der Tornado zerstört hat. (Foto: Stefan Mayr)

In Mecklenburg-Vorpommern war die Bevölkerung gewarnt worden. Für Schwaben wurde das Risiko nicht hoch eingeschätzt

Von Lisa Böttinger, Christian Sebald, München

Zwar sind Tornados in Deutschland vergleichsweise selten, pro Jahr werden hier zwischen 20 und 50 solche Superstürme gezählt. In den USA sind es bis zu 2000. Aber Tornados sind auch hier die Naturgefahr mit dem höchsten Zerstörungspotenzial, sagt Professor Peter Höppe. Das liegt an der Geschwindigkeit, die so ein Tornado erreichen kann. Sie reicht von 200 Stundenkilometern an aufwärts. Darum bleibt bei einem Tornado kein Stein auf dem anderen. Höppe muss es wissen. Der Meteorologe, Physiker und Biologe ist Chef der Geo-Risiken-Forschung des Versicherers Munich Re.

Ein Tornado entsteht aus einer sogenannten Superzelle, erklärt Lars Kirchhübel, Diplom-Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD). Voraussetzung dafür ist ein Gewitter, bei dem Luftmassen mit unterschiedlichen Temperaturen aufeinanderprallen. Damit aus einem Gewitter eine Superzelle wird, müssen noch weitere zwei Bedingungen erfüllt sein. Der Wind am Boden muss aus einer anderen Richtung wehen als der in höheren Luftschichten. Und er muss eine andere Geschwindigkeit haben. Dann beginnt die Luft zu rotieren, der Tornado nimmt seinen Lauf. Bei einer Wolkendecke unter tausend Höhenmetern kann ein rasender Tornado entstehen. Sie wüten oft auf engem Raum, die Schneise in Affing war 100 Meter schmal.

Viele meinen, es gebe heute mehr Tornados als früher. Kirchhübel und Höppe sehen das differenzierter. Sie weisen darauf hin, dass die Superstürme erst in den Zeiten von Handyvideos und -fotos dokumentierbar geworden und nun medial sehr viel präsenter sind. Deshalb glaubten viele, es gebe mehr Tornados. Tatsächlich sei ihre Zahl ungefähr gleich geblieben.

Ein wenig anders ist das mit dem Zusammenhang zwischen Tornados und dem Klimawandel. Zwar kann man einen einzelnen Tornado nicht mit dem Klimawandel begründen. Aber Experten wie Höppe gehen fest davon aus, dass durch den Klimawandel die Zahl der Tornados hierzulande steigen wird, zumindest die der schadensträchtigen. Das zeigt schon jetzt die Statistik. Bis 1980 gab es laut Höppe jedes Jahr in Deutschland fünf bis sechs schwere schadensträchtige Gewitter mit Tornados, Blitzschlägen, sintflutartigen Regenfällen oder Überschwemmungen. "Inzwischen liegt diese Zahl bei ungefähr 20 im Jahr", sagt Höppe, "sie hat sich in etwa vervierfacht."

Der Grund dafür ist die Erwärmung der Weltmeere. Dadurch verdampft mehr Wasser, in der nördlichen Hemisphäre hat der Wassergehalt der Atmosphäre bereits deutlich zugenommen. "Das ist der Treibstoff für schwere Gewitter mit Tornados, Hagelschäden, Starkregen und Überschwemmungen", sagt Höppe. Bei Tornados kommt erschwerend hinzu, dass man sie kaum vorhersagen kann. Die Wetterbedingungen für ein starkes Gewitter seien sehr viel häufiger gegeben als dass dann daraus ein Tornado entstehe, sagt Kirchhübel. Vergangenen Mittwoch erwarteten die Meteorologen in Mecklenburg-Vorpommern ein erhöhtes Tornado-Risiko - und warnten dort die Bevölkerung. Für Schwaben stuften sie es nicht so hoch ein.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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