München:Netzstörung

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Vergabe der Nürnberger S-Bahn muss neu geprüft werden

Die Deutsche Bahn hat im Streit um das Nürnberger S-Bahn-Netz einen Etappensieg errungen. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München darf die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) vorläufig nicht wie geplant zum Jahresende 2018 den Betrieb des Netzes an den britischen Bahn-Konkurrenten National Express (NX) übertragen. Die BEG müsse zuvor die wirtschaftliche Eignung der deutschen NX-Tochter prüfen, erklärte der Vorsitzende Richter Thomas Steiner. Die Firma muss nachweisen, dass sie allein finanziell leistungsfähig ist.

Die BEG hatte den Betrieb des S-Bahn-Netzes im Februar überraschend an die Briten vergeben; die Deutsche Bahn (DB) war bei dem Vertrag (Volumen: gut 1,5 Milliarden Euro) leer ausgegangen. Daraufhin waren die DB-Manager juristisch gegen die Vergabe vorgegangen. Bei der mündlichen Verhandlung im Juli hatte Richter Steiner denn auch auf die "30-Millionen-Frage" abgestellt: Um ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nachzuweisen, hatte die deutsche NX-Tochter unter anderem eine Bürgschaft ihres britischen Mutterkonzerns vorgelegt. Diese aber hatten die Briten bei 30 Millionen Euro gedeckelt. Die BEG indes hatte die Übernahme "sämtlicher finanzieller Verpflichtungen" verlangt. Die DB-Manager hatten dies als "trickreiche Bewerberstrategie" gerügt. Hätten sie gewusst, dass 30 Millionen im Hintergrund als Sicherheit reichen, hätten sie ihr Angebot anders kalkuliert - und wären möglicherweise als Sieger hervorgegangen. Das Gericht sah das nun ähnlich.

BEG-Chef Johann Niggl versprach eine "rasche Prüfung". Bis wann diese abgeschlossen sein wird und wie es dann konkret mit der Vergabe weitergeht, sagte er nicht. Möglicherweise droht eine juristische Hängepartie. Richter Steiner sagte, es könne gut sein, dass sich alle Beteiligten am Ende wieder in seinem Gerichtssaal treffen. NX-Chef Tobias Richter erklärte zwar, er sei zuversichtlich, dass seine Firma die Überprüfung besteht. Beobachter sehen das aber skeptisch - schließlich hatte NX diverse Patronatserklärungen erst im Laufe des Verfahrens nachgereicht, nachdem es Bedenken wegen der finanziellen Leistungsfähigkeit gegeben hatte.

Der Oberbürgermeister von Fürth, Thomas Jung, sprach von einer "Blamage für die Vergabestelle". Überhaupt sei das gesamte Verfahren fragwürdig gewesen, man könne nicht alles dem freien Markt unterwerfen. "Ich bleibe dabei: Den Probelauf, ein S-Bahn-Netz an ein ausländisches Unternehmen zu vergeben, hat man sich bewusst in Franken getraut. In München hätte man so einen Probelauf nie gewagt", sagte Jung. Der Nahverkehr in Nürnberg, Fürth und Erlangen funktioniere momentan gut, dies sei ein wichtiger Standortfaktor. Von "gemischten Gefühlen" spracht Nürnbergs OB Ulrich Maly angesichts der juristischen Hängepartie. Er rate der Vergabestelle aber dringend, "sich schon mal mit der DB Regio auf ein Tässchen Kaffee zu treffen, um über eine Verlängerung des bestehenden Vertrags zu plaudern".

Der Chef der Nürnberger SPD, Thorsten Brehm, zeigte sich erleichtert. Man halte nichts vom "Preiswettbewerb, der auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird und bei dem mit Dumpinglöhnen ohne Tarifvertrag gearbeitet wird", sagte er. So dagegen steige nun die Chance, etwa 500 Ausbildungs- und Arbeitsplätze bei der Bahn in der Region zu halten. Noch weiter geht die Vize-Chefin der SPD im Landtag, Helga Schmitt-Bussinger: "Man muss darüber nachdenken, die BEG aufzulösen, wenn sie solche Entscheidungen auch nur in Erwägung zieht."

© SZ vom 18.09.2015 / prz, mvö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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