München:Entlastungen versprochen - Kürzungen geplant

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Tausende von Klinikmitarbeitern wollen gegen neues Gesetz auf die Straße gehen. Aktionen in 60 bayerischen Städten und in Berlin

Von Dietrich Mittler, München

In Bayerns Krankenhäusern formiert sich massiver Widerstand gegen das geplante Krankenhaus-Strukturgesetz, über das derzeit im Bundestag beraten wird. Die Bundespolitik hatte Kliniken eine umfassende, den Häusern finanziell entgegenkommende Reform versprochen. Doch der vorliegende Gesetzentwurf geht aus Sicht der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) völlig an deren Bedürfnissen vorbei. "Statt den finanziellen Druck auf die Krankenhäuser sowie die Belastung für die dort Beschäftigten zu lindern, sind neue Kürzungen geplant", sagt BKG-Geschäftsführer Siegfried Hasenbein.

Nun aber sei das Fass voll. Bereits kommende Woche, am 23. September, sollen auf Initiative der BKG Tausende von Krankenhausmitarbeitern - und davon viele auch aus Bayern - am Brandenburger Tor in Berlin gegen weitere Sparvorgaben demonstrieren. Darüber hinaus sind bundesweit "aktive Mittagspausen" vor den Toren der Kliniken geplant, um die Öffentlichkeit regional auf drohende Fehlentwicklungen hinzuweisen.

In 60 bayerischen Städten, unter anderem Augsburg, Nürnberg und Würzburg, wollen Klinikmitarbeiter ebenfalls auf die Straßen gehen, "um Patienten und die Politik auf ihre Situation und auf drohende Kürzungen aufmerksam zu machen", wie ein Sprecher der BKG sagt. Diese Aktionen will die Gewerkschaft Verdi allesamt unterstützen. "Mehr Geld für das Personal", bringt es Verdi-Funktionär Dominik Schirmer auf eine Formel. BKG-Geschäftsführer Hasenbeins Botschaft an Berlin fällt derzeit harscher aus: "Es ist absurd, mehr Qualität zu fordern und Lippenbekenntnisse für mehr Personal in den Krankenhäusern abzugeben und den Kliniken gleichzeitig die dafür notwendigen finanziellen Mittel zu entziehen." Werde der Gesetzentwurf nicht korrigiert, so drohten etliche Einrichtungen noch mehr in die Schieflage zu geraten - auf Kosten der Mitarbeitenden und letztlich auch der Patienten.

Von den knapp 370 Krankenhäusern in Bayern rechnen derzeit mehr als die Hälfte (52 Prozent) damit, dass sie in diesem Jahr Verluste machen, weitere 21 Prozent können Ausgaben und Einnahmen ausgleichen, und nur die restlichen 27 Prozent erwirtschaften voraussichtlich einen Gewinn, wie aus der letzten Umfrage der BKG hervorgeht. Ein Grund für die Schieflage: Kliniken können die stetig steigenden Gehälter für das Personal nicht auf ihre Preise aufgeschlagen - so wie das in anderen Wirtschaftsbereichen durchaus der Fall ist. Die Erlöse der Krankenhäuser sind vom Gesetzgeber gedeckelt - das heißt: Sie erhöhen sich jährlich nur um minimale Beträge, die die Ausgaben bei weitem nicht auffangen. Folglich entschließen sich viele Kliniken dazu, das Leistungsangebot zu erhöhen, etwa durch mehr einträgliche OP-Eingriffe. Aber auch das wird vom Gesetzgeber abgestraft, da die Häuser für Mehrleistungen Abschläge hinnehmen müssen.

Nun versprechen die Befürworter des vorliegenden Gesetzentwurfes den Krankenhäusern in dieser Hinsicht Entlastung - etwa dadurch, dass Abschläge für Mehrleistungen verringert werden sollen. Die Kritiker hingegen sagen, das werde alle im Gegenzug gestrichenen Zuwendungen bei weitem nicht ausgleichen. Auch die von Berlin geplanten Zuschläge für die Notversorgung sowie das Pflegeförderprogramm seien nur ein Feigenblatt, um die geplante Ausdünnung der Krankenhausversorgung zu verdecken. "Der Gesetzentwurf übertrifft unsere Befürchtungen", war kürzlich von Christian Bernreiter, dem Präsidenten des Bayerischen Landkreistages, zu hören. Nach wie vor sind knapp zwei Drittel der Häuser in Bayern in kommunaler Hand, entsprechend deutlich ist Bernreiters Ansage: "Wir werden alle Kräfte mobilisieren, um einen ruinösen Wettbewerb zu Lasten der Krankenhäuser zu vermeiden."

Die BKG hat ausgerechnet, mit welchen Einbußen ein Durchschnittshaus mit gut 20 000 Patienten im Jahr zu rechnen hat, wenn es sein Leistungsangebot um nur ein Prozent erhöht. "Das summiert sich auf zu riesigen Beträgen", sagt Hasenbein, "in fünf Jahren auf vier Millionen Euro, die so ein Haus verdauen muss." Auf alle Kliniken im Freistaat hochgerechnet, kommt die BKG so auf Einbußen "in Höhe von 600 Millionen Euro".

© SZ vom 16.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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