München:Das Duell der Förderer

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Bis 2018 soll Bayern flächendeckend mit Hochgeschwindigkeits-Internet ausgestattet sein. Der Freistaat stellt 1,5 Milliarden Euro bereit. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

50 Megabit fürs Land: Beim Ausbau des schnellen Internets nimmt es Mecklenburg-Vorpommern inzwischen mit Bayern auf. Das sorgt in der CSU für Verwicklungen, denn Heimatminister Markus Söder brüstet sich mit seinem Breitband-Programm

Von Wolfgang Wittl, München

Es gibt wohl wenige Worte, die Horst Seehofer lieber formuliert als diese: "Bayern ist top, Bayern ist stark, Bayern ist einmalig", sagt der Ministerpräsident gerne, und so sprach er auch am vergangenen Wochenende bei einem der CSU-Basisdialoge im niederbayerischen Essenbach. Allerdings erzählte Seehofer nach Angaben von Teilnehmern dort auch eine Anekdote aus Berlin, die so gar nicht zum bayerischen Selbstverständnis passt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel habe ihn bei einem Treffen nebenbei wissen lassen, dass ihr Heimatland in Sachen Breitband Bayern inzwischen den Rang ablaufe. Mecklenburg-Vorpommern nehme flächendeckend das neue Bundesförderprogramm in Anspruch - mit dem Effekt, dass dünn besiedelte Gebiete dann über schnellere Leitungen verfügten als dicht besiedelte. Der Bund will die Haushalte beim Internet mit Übertragungsgeschwindigkeiten von 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) ausstatten, im bayerischen Förderprogramm sind es oft nur 30 Mbit/s. Seehofer jedenfalls war alarmiert. Bayern müsse möglichst viel teilhaben an diesem Bundesprogramm und bei den Übertragungsgeschwindigkeiten dringend aufholen.

Das Programm von Dobrindt sei dynamischer als das seines Parteifreundes Söder

Pikant wird das Thema auch dadurch, weil die zuständigen Minister im Bund und im Freistaat beide der CSU angehören und sich nicht sonderlich nahestehen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt referierte bereits vor Monaten im bayerischen Kabinett über sein neues Förderprogramm und dessen Vorteile. Damit kommt es zwangsläufig zu Überschneidungen mit Heimatminister Markus Söder, der den Breitbandausbau im Freistaat zu den Eckpfeilern seiner Politik erklärt hat. Mehr als 1000 Förderbescheide hat Söder bereits unter die Kommunen gebracht, Bayern stehe insgesamt gut da, sagt der Minister.

Die Konkurrenz der beiden Förderprogramme könnte jedenfalls zu skurrilen Situationen führen. Da die bayerische Förderung auf 950 000 Euro pro Gemeinde begrenzt ist, haben sich einige Kommunen bei den Anschlüssen zunächst auf den Ortskern beschränkt. Wenn die bislang zurückgestellten Außenbereiche nun auf das Bundesprogramm zurückgreifen, erhalten die Haushalte dort mindestens 50 Mbit/s. Mancher Hausbesitzer in zentraler Lage dürfte sich dann fragen, weshalb die Ortsteile weiter draußen ein schnelleres Internet haben als im Kernbezirk. Das Dobrindtsche Programm sei dynamischer als das Södersche, behaupten Kritiker. Bayern gebe zu viel Geld für langsames Internet aus.

Söder kontert mit Zahlen: 13 400 Kilometer mit schnellen Glasfaserleitungen seien in Bayern derzeit schon verlegt, 30 Mbit/s bedeute vielerorts außerdem nur die Untergrenze, meistens liege die Übertragungsgeschwindigkeit schon jetzt viel höher. Auch bei den Investitionen müsse sich der Freistaat nicht verstecken. 1,5 Milliarden Euro beträgt die Förderung durch die Staatsregierung, zwei Milliarden sind es beim Bund - für alle Länder. Damit die Bundesmittel in Bayern abgerufen werden können, gibt der Freistaat noch einmal 165 Millionen Euro als Co-Finanzierung dazu. Das Bundesprogramm sei ergänzend zu sehen, sagt Söder. Bayern beteilige sich außerdem mit bis zu 90 Prozent an den Kosten, der Bund nur zur Hälfte.

Merkels Lob für ihre Heimat dürfte sich demnach weniger auf die derzeitige Breitbandversorgung beziehen als vielmehr auf die Zahl der Anträge, die Mecklenburg-Vorpommern für das Förderprogramm des Bundes gestellt hat. Das Land sei hier sehr aktiv, bestätigt ein Sprecher des Infrastrukturministeriums, wohl aktiver als Bayern. Aus dem Freistaat hat sich der Landkreis Cham als Projektregion angemeldet, nächste Woche wird in Berlin verkündet, welche Bewerber zum Zug kommen. Man habe schon das bayerische Programm intensiv genutzt, sagt der Chamer Landrat Franz Löffler. 80 Prozent der Bevölkerung und 85 Prozent der Fläche werden Ende des Jahres versorgt sein. Jetzt gehe es darum, den Rest anzuschließen. Löffler hat in seinem Landratsamt vor fünf Jahren eine Stabsstelle Breitband eingerichtet, er hält schnelles Internet für einen zentralen Bestandteil für die Infrastruktur der kommenden Jahrzehnte. Dobrindt habe die Herausforderungen in der Fläche erkannt, sagt der Landrat. Doch auch das bayerische Programm sei "sehr komfortabel". In Mecklenburg-Vorpommern freut man sich einerseits über die Worte der Kanzlerin, blickt andererseits aber auch "etwas neidisch" nach Süden. Denn noch liegt Bayern beim schnellen Internet vorne. Eine Studie des Bundesverkehrsministeriums hat Ende 2015 ergeben, dass in Bayern 68,4 Prozent aller Haushalte mit mindestens 50 Mbit/s versorgt sind. In Mecklenburg-Vorpommern war es nur gut die Hälfte. Führend sind dicht besiedelte Stadtstaaten wie Hamburg und Berlin mit mehr als 90 Prozent. Bayern muss sich aber auch hinter den Flächenländern Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen einreihen. Im kommenden Jahr will Söder Bilanz ziehen, bis 2018 sollen die weißen Flecken auf der Breitband-Landkarte verschwunden sein. Katharina Rottenwallner, die Bürgermeisterin von Altfraunhofen im Landkreis Landshut, strebt eine zügigere Lösung an. Sie sehe nicht ein, dass die Gemeinde jetzt noch Geld für eine veraltete Technik in die Hand nehme, um in ein paar Jahren wieder nachbessern zu müssen. "Lieber einmal machen - und das gescheit", sagt die Bürgermeisterin, die für ihre ganze Gemeinde Glasfaserkabel fordert. Auch Altfraunhofen will jetzt vom Förderprogramm des Bundes profitieren, das reicht Rottenwallner aber noch nicht. Beim Basisdialog hat sie sich deshalb einen baldigen Termin bei Seehofer geben lassen.

© SZ vom 22.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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