München:Bayerns Gletscher im Hitzestress

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Temperaturen von 20 Grad und mehr auf der Zugspitze haben in diesem Sommer den Schneeferner arg schrumpfen lassen. (Foto: dpa)

Das Blaueis unterhalb des Hochkalters ist inzwischen in zwei Teile zerbrochen"

Von Georg Etscheid/dpa, München

Auch den Gletschern in Bayern hat die Rekordhitze des vergangenen Sommers stark zugesetzt. Der Nördliche Schneeferner auf der Zugspitze, Deutschlands größter Gletscher, sei im Vergleich zum Vorjahr deutlich stärker eingesunken, sagte der Geograph und Glaziologe Wilfried Hagg von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Und das ist noch nicht alles: "Auch ein noch vergangenes Jahr vereister, steiler Bereich unterhalb des Schneefernerkopfes war heuer komplett eisfrei." Wie viel Volumen der Gletscher im Vergleich zur letzten Vermessung im Jahr 2009 verloren hat, wird gerade mittels einer auf Laserscanner und GPS-Daten gestützten Analyse der Gletscheroberfläche ermittelt.

Dass die insgesamt drei Gletscher auf der Zugspitze - der südliche und der nördliche Schneeferner sowie Höllentalferner - schon in wenigen Jahren komplett verschwunden sein könnten, will Hagg nicht bestätigen. So habe der Nördliche Schneeferner bei einer Dickenmessung mittels Radar im Jahre 2006 an manchen Stellen noch bis zu 52 Meter Eis aufgewiesen. Damals wurde dort insgesamt ein Eisvolumen von gut fünf Millionen Kubikmetern ermittelt, was etwa 5000 Einfamilienhäusern entspricht. Wenn sich die aktuelle Schmelzrate nicht noch dramatisch verändert, werde vermutlich auch noch zur Jahrhundertmitte Gletschereis auf Deutschlands höchstem Berg zu finden sein, sagte Hagg.

Neben den drei Zugspitzgletschern gibt es in den bayerischen Bergen noch den Watzmanngletscher und Blaueis in den Berchtesgadener Alpen. Beim Watzmanngletscher stellt sich für Hagg die Frage, "ob man ihn nicht beerdigen", also für nicht mehr existent erklären sollte. Von 2009 bis 2014 hatte er pro Jahr einen Meter Eis verloren. Damit habe sich der bisherige Höchstwert für den Gletscher in dieser Periode fast verdoppelt. "Den Watzmanngletscher abzuschreiben, fiele uns aber schwer. Wir hängen an unseren Gletschern." Der Watzmanngletscher sei immer schon der sensibelste Gletscher in Bayern gewesen. Er wurde laut Hagg schon einmal 1950 für nicht mehr existent erklärt, 1960 dann aber wieder in das Kataster aufgenommen. Von 1960 bis 1980 habe er die höchsten Massenzuwächse aller bayerischen Gletscher aufgewiesen. Der Blaueis-Gletscher unterhalb des Hochkalters in den Berchtesgadener Alpen sei mittlerweile in zwei Teile zerbrochen. Allerdings gingen auf dem unteren Teil die Schwundraten zurück.

Die Gletscherschmelze in den Alpen war in diesem Sommer so gigantisch, dass das Flusswasser im Inn weit über die eigentliche Zeit hinaus eine eigentümlich schmutzig-graue Färbung hatte. Der Inn speist sich aus zahlreichen Gletschern der Tiroler Alpen. Wegen der immensen Schmelze in diesem Sommer führte er riesige Mengen an Gesteinssedimenten aus den Alpen mit sich.. Der Abrieb von Felsen und Geröll verfärbten das Flusswasser. Das sagt zumindest der Meteorologe Markus Weber, der der Kommission für Glaziologie an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften angehört und seit Jahren über den Vernagtferner forscht. Allein der Vernagtferner habe 15 Millionen Kubikmeter Wasser verloren - eine Menge, die dem jährlichen Trinkwasserverbrauch von 125 000 Bundesbürgern entspricht.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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