Mordprozess gegen Mutter:"Wir müssen heute alle sterben"

Lesezeit: 3 min

In Landshut hat der Prozess gegen eine Mutter begonnen. (Foto: dpa)

Sie soll ihre drei Kinder getötet haben, dann fuhr sie mit dem Auto gegen eine Leitplanke: In Landshut hat der Prozess gegen eine Mutter aus Freising begonnen. Vor Gericht schildert die Frau unter Tränen die unfassbare Tat.

Von Hans Holzhaider

Der Prozess beginnt mit einem tränenreichen Geständnis der Mutter. "Ich würde viel dafür geben, alles rückgängig und ungeschehen zu machen", sagt Bianca T.. Vor einem Jahr soll die Bäckereiverkäuferin aus Freising ihre drei Kinder, die sechsjährige Anna-Lea und die vier Monate alten Zwillinge Fabian und Lisa getötet haben. Dann fuhr sie auf die A 92 und verursachte bei Unterschleißheim nördlich von München einen Unfall. Sie überlebte schwer verletzt. Seit diesem Dienstag steht die 39-Jährige in Landshut vor Gericht. Die Anklage lautet auf Mord und zweifachen Totschlag - das Mordmerkmal der Heimtücke fällt bei Säuglingen weg.

Gleich zu Beginn des Prozesses will die Frau erzählen, was am 13. November 2012 passiert ist. Ihr Lebensgefährte habe sich an jenem Morgen geweigert aufzustehen, deshalb habe sie die drei Kinder mit zum Arzt nehmen müssen, berichtet die Angeklagte. Als sie zurückkam, sei der Mann verschwunden gewesen. Sie sei in Panik geraten. Schließlich habe sie von einem Hausarzt erfahren, dass er sich erneut in eine psychiatrische Klinik habe einweisen lassen.

Bianca T. erzählt nun, wie sie ihn dort besucht hat, aber nicht an ihn rangekommen sei. Völlig apathisch sei ihr Lebensgefährte gewesen. "Lass mich ziehen", habe er immer wieder gesagt. Schließlich habe sie ihn gefragt, ob er sich nicht von den Kindern verabschieden wolle. "Nein", habe er gesagt, denn dann hätte er das Gefühl, es wäre für immer. In diesem Moment habe sie den Entschluss gefasst zu springen. Was das heißt, will die Vorsitzende Richterin wissen. Sie habe zu einem Parkdeck am Flughafen fahren wollen, sagt die Frau. "Für mich hatte das Leben keinen Sinn mehr."

Was mit den Kindern passiert, darüber habe sie sich zunächst keine Gedanken gemacht. Erst als sie sich auf dem Weg zum Flughafen verfuhr und an einem abgelegenen Waldstück vorbeikam, sei ihr klargeworden, dass niemand da sei, der sich um die Kinder kümmern könnte - die Großmutter nicht und auch der leibliche Vater der älteren Tochter nicht. Sie habe nicht gewollt, dass die Kinder mit ihr springen und so habe sie beschlossen, die drei zu töten.

"Wir müssen heute alle sterben", habe sie zu ihrer Tochter gesagt, berichtet die Frau unter Tränen. "Mama, ich will nicht sterben, heute nicht, vielleicht morgen", habe das Mädchen gefleht, erzählt die Mutter. Zunächst habe sie dem Kind Mund und Nase zugehalten. Weil es sich wehrte, schlich sie sich von hinten an die Sechsjährige heran und erdrosselte sie mit einer Windel. Danach habe sie den beiden Säuglingen so lange Mund und Nase zugehalten, bis sie dachte, sie seien tot.

Mit 120 Stundenkilometern gegen die Leitplanke

In der Anklage heißt es noch, die Obduktion der Kinder ergab, dass die Zwillinge noch lebten, als ihre Mutter sie in den Kofferraum des Autos legte. Eingewickelt in eine rosa und eine blaue Babydecke. An diesem ersten Prozesstag gibt es eine Überraschung: Die genauen Todesumstände sind offenbar unklar.

Die Gerichtsmedizin geht nun davon aus, dass die tödlichen Kopfverletzungen des kleinen Fabian mit großer Wahrscheinlichkeit nicht von dem Unfall stammen können. Zudem waren seine Arme gebrochen. Das lasse sich nicht mit dem Aufprall erklären, betont ein Gutachter. Die Vorsitzende Richterin fragt deshalb die Mutter, ob sie den Jungen mal hart angepackt habe. Doch die Frau schwört, sie wisse nicht, woher die Verletzungen kämen.

Den Tod der Kinder habe die Frau ihrem Lebensgefährten, dem Vater der Zwillinge, sowie dem Vater der Sechsjährigen per SMS mitgeteilt, sagt Staatsanwalt Oliver Dopheide zum Prozessauftakt. Der Lebensgefährte alarmiert die Polizei. Als ein Streifenwagen im nördlichen Stadtgebiet von Freising das Auto von Bianca T. entdeckt, wendete sie ihr Fahrzeug und flüchtet.

Als ihr klar wurde, dass sie es nicht mehr zum Flughafen schaffen würde, habe sie den Gurt gelöst und nach einer Mauer gesucht, erzählt die 39-Jährige. Schließlich sei sie irgendwie auf der Autobahn bei Unterschleißheim gelandet und mit 120 Stundenkilometern gegen die Leitplanke gefahren. Das Auto überschlägt sich mehrmals. Aus dem Wrack bergen die Beamten die schwer verletzte Frau und die drei leblosen Kinder.

Ob die Mutter bei der Tat vermindert schuldfähig war, soll ein psychologisches Gutachten klären. Die Staatsanwaltschaft schloss vor dem Prozess nicht aus, dass die Angeklagte in einer Psychiatrie untergebracht wird. Für den Prozess sind zehn weitere Verhandlungstage angesetzt. Am kommenden Montag ist der ehemalige Lebensgefährt als Zeuge geladen. Er ist inzwischen aus der Klinik entlassen und hat eine andere Frau geheiratet. Das Urteil soll im Dezember fallen.

© Süddeutsche.de/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: