Prozess in Landshut:Mutter wegen Mordes angeklagt

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Sie wollte ihre Kinder ersticken und fuhr dann absichtlich gegen eine Leitplanke. Das Auto überschlug sich mehrmals. Aus dem Wrack bargen die Beamten die schwer verletzte Frau und die drei leblosen Kinder. Ab kommender Woche muss sich die Freisingerin vor Gericht verantworten.

Von Hans Holzhaider

Am frühen Nachmittag des 13. November 2012 erlebt der 40-jährige Norman H. einen Albtraum, wie ihn sich kein Horrorautor schrecklicher ausdenken könnte. Im Abstand von jeweils einer halben Stunde erreichen ihn drei SMS-Nachrichten. Seine Lebensgefährtin, die damals 38-jährige Bianca T., teilt ihm mit, dass sie ihre drei Kinder - die beiden vier Monate alten Zwillinge Lisa und Fabian und die sechsjährige Anna-Lea - getötet habe. Norman H. kann nichts tun, als die Polizei zu alarmieren.

Als ein Streifenwagen im nördlichen Stadtgebiet von Freising das Auto von Bianca T. entdeckt, wendet diese ihr Fahrzeug und flüchtet. Auf der Autobahn bei Unterschleißheim steuert sie den Opel Zafira absichtlich gegen die Leitplanke. Das Auto überschlägt sich mehrmals. Aus dem Wrack bergen die Beamten die schwer verletzte Frau und die drei leblosen Kinder.

Fast auf den Tag genau ein Jahr danach, am kommenden Dienstag, beginnt vor dem Landgericht Landshut der Prozess gegen die mittlerweile 39-jährige Bianca T. Die Anklage lautet auf Mord und zweifachen Totschlag. An elf Verhandlungstagen wird das Gericht versuchen aufzuklären, was die Gründe dafür waren, dass die bis dahin völlig unbescholtene und unauffällige Mutter ihre drei Kinder getötet hat.

Bianca T., die aus Lübeck stammt, hatte sich von ihrem Ehemann, dem Vater der sechsjährigen Anna-Lea, getrennt und lebte mit Norman H. in Freising. Im Juli 2012 kamen ihre gemeinsamen Kinder, die Zwillinge Lisa und Fabian, zur Welt. Norman H. hatte nach einer längeren Bundeswehrdienstzeit eine Internetfirma gegründet, die aber kurz nach der Geburt der Zwillinge Insolvenz anmeldete. Ende September musste er sich wegen einer Depression in stationäre psychiatrische Behandlung begeben. Am 2. November kam er wieder nach Hause, aber schon zehn Tage später, am 13. November, ließ er sich vom Hausarzt erneut in die Psychiatrie einweisen.

Kurz vor zwölf Uhr mittags an diesem Tag fuhr Bianca T., so ist es in der Anklage zu lesen, mit den drei Kindern in die Fachklinik in Taufkirchen. Dort habe sie versucht, ihren Lebensgefährten zu überreden, mit ihr nach Hause zurückzufahren. Als ihr das nicht gelang, sei sie nach Freising zurückgefahren. Spätestens auf dieser Fahrt, so die Anklage, habe sie den Entschluss gefasst, die drei Kinder und sich selbst zu töten.

"Die Polizei hat mich gleich"

An einem abgelegenen Waldstück im Norden Freisings habe sie angehalten und ihrer Tochter erklärt, dass sie nun alle vier sterben müssten. Dann habe sie dem Kind Mund und Nase zugehalten. Als die Sechsjährige sich wehrte, habe sie zunächst von ihr abgelassen und sie beruhigt, sie aber kurz darauf mit einer Stoffwindel erdrosselt. Danach schickte sie die erste SMS an ihren Lebensgefährten.

Anschließend habe sie zunächst Fabian, dann Lisa so lange Mund und Nase zugehalten, bis sie die Kinder für tot hielt. Auch das teilte sie Norman H. per SMS mit. Die Obduktion der Kinder ergab später, dass die Zwillinge noch lebten, als ihre Mutter sie in den Kofferraum des Autos legte. Sie starben erst an den Verletzungen, die sie bei dem von Bianca T. verursachten Unfall erlitten.

Auf der Flucht vor dem Polizeifahrzeug löste Bianca T. ihren Sicherheitsgurt - ein Indiz dafür, dass sie auch selbst sterben wollte. Laut einem Zeitungsbericht soll sie während der Verfolgungsfahrt noch zwei SMS-Nachrichten an ihren Lebensgefährten geschickt haben: "Die Polizei hat mich gleich", und als letzte Nachricht: "Ich liebe dich". In der Anklage wird dieses Detail jedoch nicht erwähnt.

Die Staatsanwaltschaft wertet die Tötung der sechsjährigen Anna-Lea als Mord, die Tötung der beiden Zwillinge als Totschlag, weil das Mordmerkmal der Heimtücke bei Säuglingen wegfällt. Bei Mord sieht das Gesetz nur eine lebenslange Freiheitsstrafe vor. Ob Bianca T. möglicherweise wegen psychischer Beeinträchtigungen ganz oder teilweise schuldunfähig war, wird erst das gerichtspsychiatrische Gutachten ergeben. In diesem Fall könnte das Gericht gegen Bianca T. auch eine zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe verhängen.

© SZ vom 08.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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